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03.12.2007

Das Adventure Torins Passage

DEUTSCHUNTERRICHT FÜR DIE KLASSEN 1 - 7 VON GRUND- UND FÖRDERSCHULEN

Startbild des Spiels

Intention und Umfang der Unterrichtseinheit


Ein Computerspiel motiviert zum Schreiben und Gestalten. "Torins Passage" ist ein Adventure, eine spezielle Form des Computerspiels, das sehr viel stärker als andere Genres - wie z.B. Action- oder Simulationsspiele - auf eine Geschichte bezogen ist und darum der Literatur am nächsten steht.
In "Torins Passage" wechseln sich klassische Erzählformen mit interaktiven Phasen ab. Die SpielerInnen bekommen zur Einführung eine Zeichentrickfilmsequenz zu sehen. Darauf folgen interaktive Phasen, in welchen sie eine oder mehrere Figuren durch Räume und Landschaften steuern und verschiedene Aufgaben lösen müssen. Sind die Aufgaben bewältigt, schließt sich die nächste filmische Sequenz an, mit der die Geschichte weitergeführt wird. Danach übernehmen die SpielerInnen wieder die Handlungsführung, usw.
Je nach Klassenstufe, Lerngruppe und Schulart beansprucht die Unterrichtseinheit einen Zeitraum von ca. zwei bis vier Wochen bei vier oder mehr Wochenstunden.

DIE STORY

Torin hat keine Lust mehr auf den Alltagstrott seines ländlich-familiären Zuhauses; es drängt ihn in die Welt hinauszugehen und mehr vom Leben zu erfahren. Ausgerechnet in dem Moment, in dem er diesem Unmut im Selbstgespräch (bzw. im Gespräch mit seinem Begleiter und Helfer, einem Phantasie-Tier mit dem Namen "Boogle") Ausdruck gibt, wird er aus der Ferne Zeuge der Zerstörung der Idylle, von der er sich gerade lösen wollte: Seine Eltern werden in einem gewaltigen Szenario entführt. Er kommt zu spät, um die Katastrophe zu verhindern, erhält jedoch Hinweise von einem alten Mann, wo seine Eltern zu finden seien. Torin, tapfer und entschlossen, macht sich auf den Weg, sie zu befreien.
Das Adventure erzählt Torins Abenteuer: seinen Weg durch verschiedene Welten, seine Begegnungen mit außergewöhnlichen Gestalten und die Überwindung von Hindernissen. Es folgt dem Muster klassischer Heldengeschichten, ist aber angefüllt mit Zitaten, oft auch parodierenden Elementen aus der modernen Welt.

ARBEITSPROZESSE

Das Adventure "Torins Passage" von Anfang bis Ende zu spielen, braucht sehr viel Zeit. Um es zu einem Schreib- und Gestaltungsanlass für die Klasse werden zu lassen, genügt es, dass die SchülerInnen spielerische Erfahrungen mit dem ersten Kapitel des Spiels sammeln können.
Mögliche Umsetzungen: Allein, besser noch zu zweit (oder sogar zu dritt) am Computer und zwar
¬mit der ganzen Klasse oder in Halbgruppen im Computerraum
¬mit Teilgruppen in den Medienecken

1. Schreibaufgaben


Die Spielerfahrungen regen zum Austausch an und bieten Anreiz darüber zu schreiben. Eine erste Schreibaufgabe könnte lauten:
Was hast du gesehen, gehört, erlebt? Ordne deine Gedanken. Schreibe auf, was dir wichtig ist.
In der Offenheit dieser Schreibaufgabe können sich die Schülerinnen eines Eindrucks und Standpunkts vergewissern. Sie lässt genug Spielraum, dass verschiedene Schreibhaltungen und Textsorten erprobt werden können (z. B. Spielanleitung, Reflexion der Genrestruktur, Charakterisierung der Figuren, Erlebnisbericht über Spielerfahrungen, ein Kommentar zum Spiel).
Mögliche weitere Schreibaufgaben für eine 4. Klasse:
¬Torin schreibt in sein Tagebuch.
¬Was hat der Kapuzenmann gesehen?
¬Torin schreibt einen Brief an seine Eltern.
¬Boogle erzählt seine Abenteuer mit Torin.
¬Schreibe einen Brief an Sierra (den Verlag des Spiels).
¬Gestalte deine Geschichte von Torin in der Unterwelt und schreibe sie auf! Die Reihenfolge kannst du selbst bestimmen.

› Vorlage Schreibblatt [DOC | 608 KB]

Ergebnisse und Beispiele


Jessica schreibt ihren Text mit dem Computer und sie nutzt die Möglichkeiten des elektronischen Mediums für die inhaltliche und optische Gestaltung ihres Textes: Um die Länge eines Tunnels möglichst augenfällig zu machen, tippt sie zunächst ganz viele Zahlen nacheinander ein und bleibt am Schluss der Zahlenreihen einfach mit dem Finger auf den jeweiligen Tasten, um noch mehr Zahlen noch einfacher zu produzieren. Dadurch entsteht ein Textblock voller Zahlen, also eine sehr große Zahl, die es dem Leser deutlich macht: Der Tunnel ist unvorstellbar lang.
Jessica transformiert ihre Erfahrungen mit dem Spiel auf vielfältige Weise: Die Mühe, die es in einem Adventure macht, Gegenstände zu suchen und zu kombinieren (die Menge der zu durchquerenden Welten, die Länge des Tunnels, die Länge des einzugebenden Zahlencodes sowie die Menge der Sachunterrichtsaufgaben).

Text von Jessica als Ergebnisbeispiel
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Ausführliche Ergebnisse (Schülertexte) und Analysen finden Sie hier:
» Schülertexte im Original
› [PDF | 146 KB ]

Beispiel einer Erzählkarte

2. Darstellendes Spiel zu Torins Passage


In der 2. Klasse einer Schule für Geistigbehinderte im Modellprojekt spielen die SchülerInnen das Spiel mit viel Begeisterung und Engagement. Da kein Kind in der Klasse Lesen oder Schreiben kann, werden die Spielerfahrungen in einem kleinen Theaterstück umgesetzt. Im Anschluss an die erste Spielphase werden einzelne Bilder aus dem Spiel, so genannte Erzählkarten , vergrößert durch einen Overheadprojektor an die Wand projiziert. Die Erzählkarten können hier als ›  [PDF | 6 MB] herunter geladen werden. Die SchülerInnen erzählen, was ihnen zu dem jeweiligen Bild einfällt. Durch dieses Vorgehen wird versucht, zu den erlebten Inhalten Sprache zu produzieren: Der Erzählraum wird strukturiert. Im Anschluss wird den Kindern die Idee vorgestellt, ein Theaterstück zu inszenieren. Die SchülerInnen reagieren mit Begeisterung und spielen einige Spielsequenzen mit Hilfe der Erzählkarten nach.
Bauwerk einer Klasse 1

3. Bauecke


In einer ersten Klasse spielen die SchülerInnen das Spiel in Kleingruppen. Sie bauen in größeren Teams ohne Aufgabe der Lehrerin und unangeleitet in der sehr geräumigen Bauecke der Klasse während ihrer freien Spielzeiten eine Stadt aus Bauklötzen. Auf Nachfrage erklären sie, dass sie die Oberwelt und die Unterwelt bauen würden.

4. Fremdsprachenunterricht


Das Spiel Torins Passage lässt sich auch in den Sprachen Französisch und Englisch installieren. Die lautsprachlichen Anteile des Spiels (Filmszenen, Dialogsequenzen, Torins Monologe usw.) sind davon jedoch unberührt - sie bleiben deutsch. Es verändert sich die Benutzeroberfläche und auch die schriftsprachliche Wiedergabe der gesprochenen Texte. Die schriftlichen Hinweise im Spiel erscheinen also dann in der gewählten Sprache.
Flowchart - Beispiel aus der Klasse 5

5. Torins Passage als Gestaltungsanlass


Eine weitere Möglichkeit, das Spiel zu strukturieren, wurde vor allem in den Klassen 5 und 6 angewendet, ist aber auch für die Grundschule gut geeignet: Die SchülerInnen erhalten die Erzählkarten der Oberwelt und setzen sie zu einem Flowchart zusammen.
Aufgabe: Ordne die Erzählkarten so an, dass die Welt so entsteht, wie du sie im Spiel wahrgenommen hast.
Mit dem Flowchart visualisieren die Kinder ihre Wahrnehmung der eigenen Spielerfahrung und machen sie so kommunizierbar.

6. Erzählen


Das Erzählen zu den Vorgängen im Computerspiel ist ohne einen Computer, also zum Beispiel während eines Stuhlkreises im Klassenraum, eine große sprachliche Herausforderung.
In einigen Klassen nutzen die Lehrenden die ausgedruckten Bilder des Flowcharts als Erzählvorlagen.
In einer Klasse 1 werden die Erzählkarten in der Mitte des Stuhlkreises ausgelegt. Wer etwas sagen möchte, meldet sich, sucht sich eine Karte aus und erzählt dazu. Viele Kinder nutzen die Karten, um sich zu erinnern oder zu orientieren.

Am Ende des Projektes steht die Präsentation aller Arbeiten, z. B. auf einem Plakat (alte Medien) oder auch mit dem Präsentationsprogramm PowerPoint (neue Medien).

DIDAKTIK

Kristalltor, durch das Torin in eine andere Welt gelangt
Handlungsaspekte der Spieltätigkeit im Adventure; @O.Lüth, T. Hoffmann/ Schwimmen lernen im Netz
› Abbildung vergrößern
Bühnenbild einer Klasse 4
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Charakteristisch für Adventures ist das vollständige "Eintauchen" in das Spiel, das den Spieler Zeit und Ort und manchmal sogar sich selbst vergessen lässt. Dieses Phänomen spielt auch beim Lesen eine Rolle, in Form der "Leselust", dem völligen Aufgehen in einer durch Schriftlichkeit provozierten Imagination. Literatur kann unter bestimmten Bedingungen einen "Übergangsraum" öffnen, der zwischen der erlebten Wirklichkeit und der erlesenen Fiktion entsteht, und in dem die eigene Lebenswirklichkeit Bedeutung für die Imagination gewinnt und umgekehrt. "Übergänge" sind Gestalt und Thema des Adventures "Torins Passage": Auf der Ebene der Erzählung sind Übergänge schon zu Beginn angelegt. Torin ist gezwungen, die bekannte, vertraute Umgebung zu verlassen. Dafür muss er eine Schwelle überschreiten: den Übergang vom abhängigen und behüteten Jungen zu einem unerschrockenen jungen Mann, der sich auf die Suche nach seinen Eltern macht. Auch die Spieler selbst vollziehen einen Übergang, indem sie in einen Raum hinter dem Bildschirm, in eine virtuelle Realität überwechseln.
Im Adventure ist der spielerische, interaktive Umgang verknüpft mit einer Figur, die gleichzeitig Handlungsträger der Erzählung ist: dem Avatar. Avatar des Spiels "Torins Passage" ist zum einen Torin selbst, zu manchen Gelegenheiten auch sein Freund und Begleiter Boogle. Im Avatar liegt die Schnittstelle von Spieler, Spiel und Geschichte: Die Geschichte des Spiels bewegt sich weiter, wenn Torin sich bewegt und handelt; und Torin bewegt sich und handelt nur, wenn der Spieler oder die Spielerin Torin bewegt und zu Handlungen veranlasst.
Die Übergangserfahrungen, die die SchülerInnen beim Spielen des Adventures machen, setzen ein Potential frei, das erst beim Schreiben und Gestalten neue Form gewinnt und dann an den Produkten sichtbar wird: als besonderes Engagement beim Schreiben, als Flexibilität im Denken und Gestalten, als erweitertes Verständnis sowohl der virtuellen als auch der "realen" Welt, als Zeichen von Freiheit in der Wahl der Inhalte und Formen.

PARTNER UND ORT DER UNTERRICHTSEINHEIT

Schule Arnkielstraße, Hamburg (Grund-, Haupt- und Realschule)
Schule Rellinger Straße, Hamburg (Grundschule)
Anne-Frank-Schule, Hamburg (Förderschule)

Literatur

HOFFMANN, Thomas; LÜTH, Oliver:
Adventure: Zwischen Erzählung und Spiel - Transformationsprozesse in Schülertexten zu "Torins Passage",
Tönning: Der Andere Verlag, 2007
ISBN: 978-3-89959-657-1

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