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24.10.2005

Magie der Dinge: The Robe

KUNSTUNTERRICHT FÜR DIE KLASSEN 3 - 7 VON GRUND- UND FÖRDERSCHULEN

"The Robe" - Netzkunstprojekt und Installation von Leslie Huppert

Intention und Umfang der Unterrichtseinheit


Produktive Verknüpfung materiell-ästhetischer und digitaler Erfahrungen ist das Thema dieser Unterrichtseinheit. Mit Hilfe des Netzkunstprojektes von Leslie Huppert "The Robe" (seit 1995) sollen die SchülerInnen sich experimentell und phantasiebildend mit Alltagsdingen in materialbezogenen Arbeiten und in digitalen Bild- bzw. Text-Gestaltungen auseinandersetzen. Sie erfahren gleichzeitig, wie man das Internet für künstlerische Produktionen nutzen kann.
Die Unterrichtseinheit wurde in verschiedenen Schulen durchgeführt und wurde dabei den Klassenstufen, Lerngruppen und Schularten angepasst. Die Unterrichtseinheit beansprucht einen Zeitraum von ca. zwei bis vier Wochen bei vier oder mehr Stunden die Woche.

"The Robe"

Website von "The Robe"
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Ein Netzkunstprojekt von Leslie Huppert


Im Bereich der Netzkunst greift Leslie Huppert mit ihrer Arbeit "The Robe" das künstlerische Prinzip der Spurensuche und des Spurensicherns auf und übersetzt es in das digitale und interaktive Medium.
Leslie Huppert arbeitet mit der "Magie" von Kleidern und Kleidung. Sie sammelt für ihr Projekt "The Robe" bedeutungsvolle Kleidungsstücke und dazugehörende Geschichten (auch Zeichnungen oder Photos mit Unterschrift) von Menschen aus aller Welt mit den verschiedensten sozialen und kulturellen Hintergründen. Huppert präsentiert diese Materialien zum einen in einer großen begehbaren "Skulptur", einem 10 Meter hohen Mantel (Robe), der aus den verschiedenen Kleidungstücken zusammengenäht worden ist, und zum anderen in digital aufbereiteter Form im Internet als virtuelle Präsentation.

Arbeitsprozesse

Der Unterricht unterteilt sich in vier Einheiten, die hier nur kurz dargestellt werden. Eine etwas ausführlichere Beschreibung der einzelnen Arbeitsschritte finden Sie in diesem › [PDF | 69 KB].
Die Geschichte einer Jeans
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1. Recherche und Präsentation:


Die SchülerInnen setzen sich mit der Netzkunstarbeit auseinander, indem sie in Gruppen zu zwei, max. drei SchülerInnen die für sie interessanten "Fundstücke" notieren. Die Internetseiten mit den besonderen "Fundstücken" können über ein Kopieren der jeweiligen URL und deren Ablegen in einer Datei archiviert werden. So sind sie bei Bedarf schnell wieder zu finden und können über das Netzwerk und einen Beamer auch in der ganzen Lerngruppe betrachtet werden. Die Adresse der Netzkunstarbeit lautet »  http://leslie.internett.de/the_robe
Die Kinder sehen an dem Künstlerbeispiel, wie die Besonderheiten von Kleidung durch eine bestimmte Gestaltung und textliche Ergänzung zum Ausdruck kommen. Zudem erfahren sie die Sichtweisen ihrer MitschülerInnen und können ihre eigene Ansicht dazu positionieren und diskutieren.

Leslie Huppert über ihre Arbeit
› Interview mit Leslie Huppert [RealVideo| 1Min]
› Interview mit Leslie Huppert [Windows Media| 1Min]

2. Arbeit mit Text und Video-Interview von Leslie Huppert


Nach der Recherchetätigkeit der SchülerInnen und der Präsentation der Gruppenergebnisse kann gemeinsam der › Text von Leslie Huppert [PDF | 404 KB] gelesen werden. Die Kinder finden Antworten auf die Frage: Was macht Leslie Huppert und was will sie damit erreichen? Dabei erfahren sie, dass Netzkunstwerke oft keine abgeschlossenen, "fertigen" Produkte, sondern offene und zur Mitarbeit anregende Prozesse sind, in denen die Künstlerin und die BetrachterInnen zu gemeinsam agierenden PartnerInnen werden können.
Sie lernen, wie sich eine Sammlung von materialen Dingen und ihre digitale/multimediale Präsentation gegenseitig ergänzen und erweitern können.

Mütze, zweckentfremdet

3. Sinnlich-ästhetische Arbeit


Die SchülerInnen suchen sich ein eigenes besonderes Kleidungsstück, einen ausgewählten Gegenstand, zu dem sie eine Geschichte schreiben. Sie sollen darin erklären, weshalb ihnen das Kleidungsstück, der Gegenstand, wichtig ist. Es könnten auch Dinge sein, die in Vergessenheit geraten sind oder Objekte, die einer bestimmten Person, real oder erfunden, gehören (oder gehörten) und die diese Person in ihren Eigenschaften, Vorlieben, usw. beschreiben. Einzeln oder in kleinen Gruppen werden die Dinge, Fotos, Texte von den SchülerInnen nach ausgesuchten Ordnungsmöglichkeiten arrangiert und in einer Ausstellung, einem Ensemble oder einer Rauminstallationen präsentiert. Alternativ können die Kinder aus allen mitgebrachten Kleidungsstücken und Texten eine Präsentationsform, z.B. ein überdimensionales Gewand (in Anlehnung an das Projekt "The Robe") erstellen. Dabei recherchieren, erforschen, sammeln, gestalten und präsentieren sie individuelle und gesellschaftlich vermittelte Bedeutungen von "Dingen" (Kleidung) in ihren unterschiedlichen Kontexten. Bisher festgelegte Funktionen werden dabei in Frage gestellt ("Magie der Dinge") und ermöglichen neue Blicke auf sich, die anderen und die Umwelt. Um "magische" Dinge zu finden, kann man die Lernenden anregen, an vergessenen Orten im eigenen Haushalt zu suchen oder Eltern, Großeltern, Freunde nach ihren Vorlieben für bestimmte Gegenstände zu befragen. › [1]. Die Ergebnisse der Gestaltungsarbeit sollten einer größeren Schulöffentlichkeit gezeigt werden.
T-Shirt, digital bearbeitet (Ausschnitt)

4. Digitale und multimediale Arbeit


Die SchülerInnen können ihre mitgebrachten Gegenstände direkt einscannen oder digital fotografieren. Danach verarbeiten sie sie multimedial im Computer weiter, d.h collagieren, fragmentieren, verfremden, animiern, u.a. Die digitalen Bilder sollten mit erfundenen Geschichten, Beschreibungen, fiktiven Lebensläufen oder anderem Textmaterial kombiniert werden. Sie können auch durch akustisches Material (Gesprochenes, Musikalisches, Geräusche, usw.) ergänzt werden. Dabei erfahren die SchülerInnen, dass digital bearbeitete Vergrößerungen, Ausschnitte und Neuzusammenstellungen die bisherige Wirkung und Bedeutung ihrer Dinge verändern und verfremden können. Auf diese Weise werden ihnen neue Blicke auf Altbekanntes ermöglicht. Die Kinder entwickeln bildnerische und technische Kompetenzen im Umgang mit Bildgestaltungs- und Autorenprogrammen.

Resultate der UNterrichtseinheit

Kemals Bild-Text-Collage
› Ergebnisse verschiedener Klassen als PowerPoint [PPT |2 MB]
An dieser Stellle wird ein Beispiel aus den Ergebnissen der Unterrichtseinheit dargestellt. Eine ausführliche Beschreibung von vier › Ergebnissen [PDF | 1,2 MB] kann heruntergeladen werden.
Die Inschrift auf Kemals digital bearbeitetem Bild lautet: "Kemals gefährliches Messer tötet. Mit meinem Messer töte ich Menschen. Und es blutet doll und das tut weh und wenn man Glück hat überlebt man. Man kann auch sterben".
Die digitale Bild-Text-Arbeit von Kemal ist wesentlich brisanter als die seiner MitschülerInnen (siehe pdf oder Abbildungen oben) und für alle am Unterrichtsgeschehen Beteiligten unerwartet schockierend. Kemal legt sein Messer, einen für ihn wichtigen Gegenstand, auf den Scanner. Durch rot gemalte "Blutspuren" auf dem Bild des Messers unterstreicht er die Gefährlichkeit seines Gegenstandes. Daneben zeichnet er ein grellgelbes Männchen und eine ebenfalls gelbe abstrakte Figur. Beide Gestalten erwecken durch eingefügte Bewegungslinien und rote Flecken auf schwarzem Untergrund den Eindruck, als würden sie miteinander kämpfen. Mit seiner Bildinschrift nutzt Kemal die Macht der Sprache, um Phantasien von Gewalt, Schmerz und Tod ins Extreme zu steigern. Kemal bringt im Bild und im Text Gesten der Macht und der Selbstinszenierung zum Ausdruck. In einem gemeinsamen Unterrichtsgespräch wird anhand der Gestaltung von Kemal und einiger anderer Schülerarbeiten, in denen sich ähnliche Machtphantasien ausdrücken, intensiv über bildliche und sprachliche Verarbeitung von Gewalt geredet. › (vgl. Auswertung)

DIDAKTIK

In der gestaltenden Arbeit mit vorgefundenen Gegenständen haben die SchülerInnen die Chance, neue Blicke auf Altbekanntes zu werfen, wie z.B. Kleidungsstücke und Lieblingsgegenstände. In den medialen Übergängen zwischen den physischen Dingen und deren digitalen Bearbeitungen wird "Wirklichkeit" von den SchülerInnen neu erfahren. So kann die magische Bedeutung von Gegenständen entdeckt werden. Um mit der eigenen Wahrnehmung der Dinge zu experimentieren und phantasievolles ästhetisch-biografisches Handeln anzuregen, muss eine Empfindung zu den Inhalten, auf die sich die Phantasie bezieht, hergestellt werden. Die emotionale Beziehung ist z. B. durch die Arbeit mit den Lieblingsgegenständen der SchülerInnen gegeben. Äußerst wichtig ist, dass die SchülerInnen die entstehenden Arbeiten gemeinsam betrachten und sich darüber austauschen. Im sinnlich-ästhetischen Erfahren setzen sich die Kinder und Jugendlichen aktiv forschend mit der Welt auseinander. Im absichtsvollen und zufallsgeleiteten Handeln, im Planen, Verändern und Neukombinieren können bisher vertraute Dinge fremd und die eigene Beziehung zu sich und den anderen überraschend neu erlebt werden.
Die Inszenierung eines komplexen Unterrichtsgeschehens, das im Crossover verschiedener Wirklichkeiten eine Achtsamkeit auf die medialen Übergänge provoziert, kann helfen, Imaginationen und Phantasiebildung freizusetzen.
Das digitale Foto einer Sache oder das direkte Einscannen eines Gegenstandes in den Computer ermöglicht fremde Blicke auf Alltägliches und regt zur bildnerischen und assoziativ-schreibenden Weiterarbeit an. Ein an biografischen Gesichtspunkten orientierter Unterricht bewirkt auch, dass die Gegenstände ihre eigentliche Funktion verlieren und dass sich neuartige geheimnisvolle Sinnzusammenhänge auftun.

PARTNER UND ORT DES UNTERRICHTSVERSUCHS

Schule Fährstraße, Hamburg (Langformschule: Grund-, Haupt- und Realschule)
Anne-Frank-Schule, Hamburg (Förderschule)

[1] Vgl. dazu auch Beispiele aus dem Themenheft von Kunst+Unterricht "Bio Grafie", Dezember 2003
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