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23.06.2005

Rasenstücke

Eine UNterrichtseinheit für die jahrgangsstufe 11 eines Gymnasiums

Naturausschnitte - medial erfasst


Die Aufgabe lautet: "Naturdarstellung - Naturerfassung". Neben den inhaltlichen Implikationen geht es unter anderem auch um Auffrischung von Zeichentechniken, zum Beispiel um Strukturzeichnen, was Wirklichkeit imitieren soll. Die Nahsicht auf die Wirklichkeit ist durch Albrecht Dürers "Großes Rasenstück" (1503) motiviert. Zwischen den Polen "Rasenstück" von Albrecht Dürer und "Interactive Plant Growing" von Sommerer/Mignonneau (im ZKM Karlsruhe) entwickelt sich die praktische Unterrichtsidee, konventionelle Strichzeichentechniken und digitale Eingabemöglichkeiten zur Herstellung naturimitierender Strukturen zu verwenden. Die Schüler haben Formen des gestischen Skizzierens bei Giacometti und Arnulf Rainer kennen gelernt und sind in einfache digitale Bilderstellungs- und -Bearbeitungssoftware eingeführt worden.
Die Aufgabe der SchülerInnen war nun die Abbildung, Nachahmung und Erfindung eines "Rasenstückes" (aus der 'Dürer-Perspektive') mit konventionellen und digitalen Bildgenerierungstechniken als:
¬gestisch-freie Graphitzeichnung
¬digital nachgeahmte Graphitzeichnung (Grafiktablett auf Staffelei, Ausdruck auf Zeichenkarton)
¬abbildhaft nachahmende Strichzeichentechnik (Feder- oder Finelinerzeichnung)
¬Strichzeichenbild oder Graphitzeichnung, eingescannt und digital überarbeitet und ausgedruckt auf Transparentpapier für Sandwich-Bilder
¬Digitalfotografie, auf Aquarellpapier ausgedruckt und konventionell überarbeitet
¬Digitalfotografie, digital bearbeitet und auf Aquarellpapier ausgedruckt.

Exemplarische Prozessbeschreibung

Motivsuche mit der Digitalkamera
Die folgende Darstellung des Arbeitsprozesse kann auch bildhaft anhand einer › Powerpoint-Präsentation der Rasenstücke-Genese beziehungsweise von Videos nachvollzogen werden:
› Video der Rasenstücke-Genese [RealMedia | 5 Min.]
› Video der Rasenstücke-Genese [Windows Media | 5 Min.]

Arbeitsschritte:
Konrad, zwangsläufig im Kunstkurs, weil ihm die Alternative Musik in der Oberstufe noch weniger zusagt, macht sich lustlos an die Aufgabe, mit der
Digitalkamera, nach Motiven zu suchen.

Übungen zur nachahmenden Strukturzeichnung
Übungen zur nachahmenden Strukturzeichnung: mit dem Graphitstift und dem Aus-Radierer in lockerer Geste über das Papier. Das Ergebnis gefällt Konrad nicht, bestätigt ihm nur seine fehlende Begabung zum Zeichnen. So meint er. Vertrauter ist ihm der Umgang mit dem PC. Also scannt er seinen Graphit-Versuch ein, um ihn mit einem Bildbearbeitungsprogramm zu glätten. Das Ergebnis druckt er aus. Zufällig ist gerade ein Transparentpapier im Drucker (vom vorhergehenden Architekturkurs hängen geblieben).
Sandwich aus analoger und digitalisierter Zeichnung
Der Ausdruck hat etwas. Auf seine Graphitzeichnung gelegt, ergibt sich ein ästhetisches interessantes Sandwich. Da sieht er bei Marlene, die ihr Digitalfoto gerade im Bildbearbeitungsprogramm betrachtet, einen bizarren Fehler: wie so oft macht sich irgendetwas im PC selbstständig und führt zu einer interessanten Farbverfremdung im Foto.
Artefakt in der Bildübertragung auf den PC
Ja, so macht Farbe Spaß. Also nimmt Konrad sich noch einmal seine eingescannte Zeichnung vor und jagt sie ebenfalls durch dieses Werkzeug von Marlene, "Gradationskurve" nennt sich das wohl im Programm. Seine Graphitzeichnung erblüht nun grün und blau und sieht ein wenig wie eine Farbstift-Zeichnung aus.
Das eingescannte und farblich verfremdete Rasenstück-Sandwich
Das meint der Kunsterzieher und gibt ihm den Tipp, dieses Ergebnis einmal auf einem groben Papier und nicht auf dem einfachen gräulichen Druckerpapier auszugeben. Gesagt, getan: auf Aquarellpapier sieht das gleich ganz anders aus. Aquarell - klingt nach Wasser, meint Konrad und nimmt sich, nun fast schon im schöpferischen Rauschzustand, Pinsel, Schwamm und Wasser zur Hand und rückt damit seinem letzten Ausdruck zu Leibe. So nimmt er dem Bild, wie er sagt, "das glatte Computerische" zu nehmen.
Beim nachträglichen Aquarellieren der Computer-Ausdrucke
Heraus kommt schließlich eine Mischung aus verschiedenen Komponenten, die ihn für diese Art Kunstunterricht gewonnen hat. Das Ergebnis ist mehr als "nur" gezeichnet und sieht nicht aus wie Computergrafik, was die anderen wohl von Konrad am ehesten erwartet haben.
Das definitive "Rasenstück"

Resultate:


Die gleichzeitige Verfügbarkeit aller analogen und digitalen kunstpraktischen Werkzeuge, das Arbeiten in einer Werkstatt-Situation, welche eher einem gewachsenen Künstler-Atelier als einem Unterrichtsraum ähnelt, ist eine wichtige Voraussetzung für den hier beschriebenen Prozess. Diese situative Offenheit ermöglicht kreativitätsfördernde Vernetzungen auf der Ebene des Materialen wie des Kommunikativen und ist durchaus auch im eng gesteckten Rahmen eines 90-minütigen Unterrichtsblockes realisierbar.
Andererseits besteht stets die Gefahr, dass die Reflexion der Arbeit - hier besonders die Bewusstwerdung des eigenen ästhetischen Urteils als Steuerungsmoment im kunstpraktischen Prozess - in einem CrossOver-Aktionismus zu kurz kommt. Deshalb wurden in Besprechungssequenzen immer wieder die Ergebnisse der praktischen Arbeit auf ihren ästhetischen "Mehrwert" hin befragt.

Anschrift der Schule:


Altes Kurfürstliches Gymnasium Bensheim
Wilhelmstr. 62-64
D-64625 Bensheim
Tel.: 06251-84320, Fax: 843250

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