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2007/05/11

EXPLORE INFORMATION / CREATE KNOWLEDGE (only available in gERman)

01 _ Daten / Information / Wissen
02 _ Exkurs: Information und Wissen
03 _ Streunen durch unbekannte Datenräume
04 _ Semantische Karten
05 _ Zeitleisten und Zeitebenen
06 _ Der Körper im Datenraum
07 _ Projektauswahl

03 _ Streunen durch unbekannte Datenräume

Aufgrund der gigantischen im Internet zur Verfügung gestellten Datenmengen kann das Netz auch als globales kulturelles Gedächtnis oder Archiv betrachtet werden › [10], als ein Archiv freilich, dass sich durch eine dichte Vernetzung, nicht aber durch einheitliche Ordnungssysteme auszeichnet. Allgemein verlangt die digitale Kultur nach Instrumenten, mit denen sich schnell wachsende, komplexe Datenzusammenhänge erschließen und auswerten lassen. Ziel des Einsatzes digitaler Medien ist in diesem Kontext häufig eine Übersetzung abstrakter Inhalte und Beziehungen in sinnlich erfahrbare Repräsentationen, eine direkte sinnliche Zugänglichkeit der Information und eine hieran geknüpfte Kontextualisierung der einzelnen Inhalte. Viele Projekte dienen einer anschaulichen Visualisierung von zum Teil hochkomplexen und einer zeitlichen Dynamik unterworfenen Informationszusammenhängen. Bilder, visuelle Notationssysteme und die Form der Erzählung sind natürliche Grundlagen für das Individuum, Information wahrnehmen zu können und als erinnerbare Elemente in einen Kontext zu beziehen. Wird Information in visuelle Bilder oder narrative Erzählstrukturen umgesetzt, so wird es leichter erinnert. Der Teilbereich der Informationsvisualisierung erlangt aus diesen Gründen sowohl in der Informatik als auch im Design schnell wachsende Bedeutung. In graphischen Darstellungen an sich textbasierter Information erhält das Lesen auch eine zusätzliche ästhetische Dimension.
Allgemein betrachtet können zwei Arten des möglichen Zugangs zu elektronisch gespeicherten Daten identifiziert werden: "scharfes", zielgerichtetes Suchen und "unscharfes" Stöbern. Das Suchen setzt dabei voraus, dass der Nutzer weiß, was er sucht und dass er sein Interesse formulieren und gegebenenfalls präzisieren oder ausweiten kann. Beim Stöbern dagegen geht es um den Weg, um Angebote und Fundstücke, darum, dass der Nutzer sich von dem, was ihm unterbreitet wird, führen und inspirieren lässt.
Der 1997 entwickelte Browser » Webstalker (i/o/d: M. Fuller; S. Pope & C. Green) ermöglicht ein Herumstöbern im Netz anhand von abstrakten Karten, die die Struktur der Websites mit ihren internen und externen links darstellen. Information wird hier nur als abstrakte Struktur und als Text zugelassen (und damit der Versuch unternommen, jedes visuelle "Geräusch", z.B. störende Werbung etc. zu verbannen). Auch aufgrund der unaufhörlichen, von der zuerst eingegebenen URL ausgehenden Expedition des Browsers durch das Netz, entlang aller vorgefunden Unterverbindungen, steht hier die Erforschung der strukturellen Verknüpfung der Websites im Vordergrund.
Das Projekt » Anemone von Benjamin Fry visualisiert - ausgehend vom Beispiel der Homepage des MIT Media Labs - Aktivität im Internet. Eine organische Graphik bildet die Wege der Benutzer durch das Netz ab und zeichnet somit ein dynamisches Bild der benutzten Pfade zwischen virtuellen "Orten", bzw. dort abgelegen Inhalten. Die vielschichtigen und weit verzweigten Strukturen einer Website und ihrer Verknüpfungen (Links) zu anderen Internetseiten zeigen sich dort, wo sie benutzt werden. Muss der Versuch einer statischen Abbildung der Netzstruktur aussichtslos erscheinen, so gelingt Benjamin Fry mit seinem Projekt eine dynamische Repräsentation jener Strukturen, die durch Benutzung aktiviert und in diesem Moment auch erst realisiert werden. Zugleich wird hier ein für die digitale Kultur charakteristisches Verhalten abgebildet, die Navigation entlang von Interessenspfaden durch das Gewebe des Internets, das Forschen nach relevanter Information auf zum Teil verschlungenen Wegen.
Ein Beispiel hochkomplexer, dynamischer Datenzusammenhänge sind marktwirtschaftliche Entwicklungen. Während die Kurse von Börsendaten meist als zweidimensionale Graphen dargestellt werden, die einen visuellen Gesamtüberblick vermitteln, jedoch im visuellen System Detailinformation nicht aufnehmen können, verbindet › Map of the Market von Martin Wattenberg eine anschauliche und darüber hinaus ständig aktualisierte Visualisierung marktwirtschaftlicher Entwicklungen mit der Abrufbarkeit von Informationen über einzelne Firmen. Reale Daten des ökonomischen Geschehens werden eingespeist und auf einer dynamischen Karte durch graphische Felder in unterschiedlichen Größen und Farbtönen visualisiert. Wattenberg: "The Map uses an innovative technique of information visualization to create a complex mosaic that provides an overview of market activity at a glance."› [11]
"Map of the Market" zeigt das Börsengeschehen als ein visuelles Feld, in dem die einzelnen Firmen in ihrem Wert über einen einfachen Farbcode als wachsend, sterbend oder statisch dargestellt werden. Dabei wird mittels der Umsetzung der Wachstumsmetapher auf visueller Ebene die wirtschaftliche Stärke oder Schwäche eines Betriebes auf einfache Weise sichtbar gemacht. Sachinformation wird hier durch die Art der Darstellung zunächst ästhetisch erfahrbar. Unterschiedlich gefärbte Farbquader repräsentieren wirtschaftliche Informationen. Ein hinter der Karte liegendes System zunächst unsichtbarer Botschaften wird bei in einer zweiten Ebene sichtbar. Bei Berührung der Farbflächen mit dem Cursor erscheinen sämtliche relevanten Sachinformationen, Name, Grösse, Börsenwert des durch das Feld repräsentierten Marktteilnehmers.
Das originale Grundkonzept der eingesetzten Treemap, TreeViz wurde 1990 von Dr. Ben Shneiderman, Professsor of Computer Science an der University of Maryland entwickelt, um die Benutzung einer Harddisc durch mehrere Benutzer zu visualisieren. Ausgangspunkt war die Frage: Wer braucht wann den meisten Platz, wessen Files liegen nur auf der Festplatte herum? Da strukturierte Verzeichnisse nicht mehr übersehbar waren, entwickelte Shneiderman einen Algorithmus zur flächenhaften Darstellung der Nutzung einer Festplatte. Die graphische Darstellung liefert eine Art Röntgenbild über den Zustand der Festplatte. Direkt aus der Visualisierung konnten Files verschoben, kopiert, gelöscht, umbenannt oder auch gestartet werden. Die Festplatte erscheint so als Informationsraum tatsächlich auf einen Blick erfassbar.› [12]
Map of the Market nun als online Projekt liefert- im übertragenen Sinne - ein "Röntgenbild" des marktwirtschaftlichen Geschehens. Der Algorithmus zur Generierung der Geometrie der dynamischen Karte wurde im Rahmen des Projektes Map of the Market weiterentwickelt.

› They rule von Josh On hingegen, ebenfalls ein online Projekt, zeigt eine tiefe personelle Verflechtung der den US-amerikanischen, zum Teil aber auch globalen, Markt dominierenden, großen wirtschaftlichen Konzerne auf der Basis eingegebener Daten. Das System versorgt sich nicht selbst mit Information, sondern ist auf die Durchführung von Datenaktualisierungen angewiesen. Die Homepages der einzelnen repräsentierten Firmen sind aber über links erreichbar.
Mittels der visuellen Repräsentation vernetzter Machtstrukturen macht They Rule sonst verborgene Informationen leicht einsichtig. Durch einfache graphische Symbole repräsentierte Institutionen und Personen können angeklickt werden und geben daraufhin ihre Verbindungen preis. Je dicker eine Person dargestellt wird, desto mehr Macht verbirgt sie und desto mehr Interesse ruft sie meist beim Betrachter hervor. Entlang dieser Zeichen und eventuell bekannter Namen von Firmen und Personen sucht sich der Benutzer von seinem Interesse geleitet individuelle Pfade durch das Informationsnetz. Eine erweiterte Version von 2004 ergänzt die Interaktionsmöglichkeiten um eine gezielte Suche nach personellen Verbindungen zwischen bestimmten Institutionen. Netzwerkkarten, die aus der Interaktion hervorgehen können gespeichert und anderen Interessenten zur Verfügung gestellt werden.

Das seit 2001 fortgeführte Projekt › thecrystalweb.org des Vereins Polygon widmet sich der Darstellung hiervon deutlich verschiedener Inhalte. Es versteht sich als online Museum rund um das Thema des Kristallinen. Es vereint eine Vielzahl an Objektdarstellungen und thematischen Beiträgen zu diesem Bereich. Zur Präsentation der umfangreichen und in zahlreiche unterschiedliche Sachgebiete und wissenschaftliche Disziplinen hineinreichenden Sammlung bedient sich thecrystalweb.org des "Liquid" Interfaces. Mit ihm wird eine kontextorientierte und assoziative Darstellung der Inhalte ermöglicht. Der Benutzer folgt keinen vorgegebenen Pfaden, sondern bahnt sich mit Hilfe eines zur Verfügung gestellten Sets digitaler Navigationswerkzeuge seinen eigenen, interessegeleiteten Weg durch die Datensammlung. Während er seinen Weg fortsetzt, konstruiert er zugleich eine wachsende graphische Darstellung miteinander verknüpfter Objekt- und Themengruppen. Der Betrachter kann auch als der Kurator einer sich während der Betrachtung dynamisch verändernden Ausstellung verstanden werden. Jeder Besucher des digitalen Museum wird seine Sammlung anders erfahren, andere Zusammenhänge entdecken, eigene Ansichten generieren.
Wenn sie auch auf den ersten Blick von den letztgenannten Projekten deutlich verschieden scheint, so ermöglicht doch auch die interaktive CD-ROM › Kidai Shôran (Art+Com, 2000) die explorative Erforschung einer zunächst unübersichtlichen Informationsmenge. Sie dokumentiert eine 12 m lange, aus dem frühen 19. Jahrhundert stammende, japanische Bildrolle. Dieses hochempfindliche Kulturgut wird mittels der CD-ROM ohne Gefährdung des Originals der Öffentlichkeit zur eingehenden Betrachtung zur Verfügung gestellt.
Die Bildrolle hält eine große Anzahl einzelner bildlicher Elemente bereit. Eine Konfrontation mit dieser Vielzahl gleichzeitig zur Verfügung stehender Bilddetails führt zunächst zu einer Überforderung des Betrachters, ruft aber auch Interesse und den Wunsch hervor, die Bedeutung des Gesehenen zu erkunden, sich in die Darstellung zu vertiefen. Hier stellt die CD-ROM dem Betrachter mehrere Alternativen zur Auswahl. So kann er die Bildrolle, in etwa der traditionellen Betrachtungsweise entsprechend, von einer Seite zur anderen abfahren und sich in einzelne Details vertiefen, indem er sie heranzoomt. Außerdem wird die Visualisierung aber durch Textinformationen ergänzt. Diese sind einzelnen Motiven zugeordnet und stellen inhaltliche Verbindungen zwischen unterschiedlichen Bilddetails her. Ferner stehen mehrere geführte "Spaziergänge" über die Bildrolle zur Wahl. Diese narrative Vermittlungsform erschließt das Werk auch jüngeren Betrachtern. Das Interface verknüpft Bilddetails zu thematisch bestimmten Netzwerken oder narrativen Strukturen. Die CD-ROM Kidai Shôran ermöglicht die Wahl zwischen unterschiedlichen Arten der Erforschung des Bildwerks und stellt mehrere Informationsebenen zur Verfügung. Der Betrachter wählt selbst die Reihenfolge und die thematischen Schwerpunkte seiner Auseinandersetzung mit dem Werk, am Inhalt freilich hat er keinen Anteil.

[10] De Kerckhove, D.: Virtuelle Realität für kollektive kognitive Verarbeitung. In: Hattinger, G., M. Russel, C. Schöpf, P. Weibel (Hrsg.): Ars Electronica. 1990, Bd. II, Virtuelle Welten.
[11] Martin Wattenberg 2004 in einem Fragebogen für netzspannung.org.
[12] Vgl.: » http://www.cs.umd.edu/hcil/pubs/treeviz.shtml; » http://www.cs.umd.edu/hcil/treemap-history/.

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