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DIDAKTIK UND MEDIENKOMPETENZ

UNTERRICHT: SELBSTGESTEUERT - HETEROGEN - REFLEXIV

Konstruktivistischen Ansätzen der Lehr- und Lernforschung folgend, wird in dem Projekt "Kinder machen Kunst mit Medien" davon ausgegangen, dass sich Lernen und Kompetenzerwerb besonders nachhaltig da ereignen, wo die Partizipation der Lernenden an ihren eigenen Lernprozessen möglich ist, wo Lernen selbst gesteuert stattfinden kann. [link 01] [1] Es geht also darum, Unterrichtssituationen zu schaffen, bei denen die SchülerInnen an einem gemeinsamen Projekt arbeiten und dabei Ziele, Inhalte, Sozialformen sowie Methoden wählen bzw. mitgestalten können.
Anknüpfend an die förderpädagogische Diskussion zur Heterogenität im Schulalltag [link 02] [2] versucht "Kinder machen Kunst mit Medien" Umgangsweisen mit digitalen Medien im gemeinsamen Unterricht aufzuzeigen, welche die unterschiedlichen Stärken von Kindern sichtbar machen und diese jeweils für die Projektarbeit produktiv werden lassen. Heterogenität strategisch zu nutzen und zu fördern, wird hier als eine Dimension von Medienkompetenz begriffen: man versucht, das vorhandene, unterschiedliche Wissen und Können zu thematisieren, das, was einzelne beitragen können, aufeinander zu beziehen und so von den vorhandenen Fähigkeiten zu profitieren. Neben den Paradigmen der Selbststeuerung und der Heterogenität als Chance steht bei "Kinder machen Kunst mit Medien" im Sinne einer kritischen Pädagogik die Ausbildung eines reflexiven Zugangs zu den eigenen Lernbedingungen, zu den Unterrichtsalltag bestimmenden symbolischen Ordnungskategorien [link 03] [3] wie Ethnizität und Geschlecht und vor allem zu einem selbstermächtigten Umgang mit der Zuschreibung "Behinderung" im Fokus des Interesses. Es wird davon ausgegangen, dass diese Fähigkeiten zu den zentralen, durch kulturelle Bildung erreichbaren Schlüsselkompetenzen gehören. [link 04] [4] Als besonders förderlich wird in diesem Zusammenhang die Arbeit mit KünstlerInnen als außerschulischen PartnerInnen erachtet. Außerdem belegen zahlreiche Projekte, dass der erfinderische, umnutzende [link 05] [5] Umgang mit digitalen Medien bei Kindern auf verstärktes Interesse stößt. Ebenfalls reizt sie die Reflexion über deren Funktions- und Wirkungsweisen, die aufgrund ihrer im Alltag erworbenen Medienkompetenz angeregt wird.

TEAMFORSCHUNG: INDUKTIV - THEORIEGELEITET - EMPIRISCH

Dass die Selbststeuerung von Lernprozessen Lernen nachhaltig fördert, gilt nicht nur für SchülerInnen, sondern auch für Lehrende. Genauso wichtig wie die Unterrichtseinheiten selbst ist für sie daher die aktive Auseinandersetzung mit der Forschung. Dies geschieht zum einen, weil die Lehrenden ExpertInnen für unterrichtliche Praxis sind und es in einem solchen Projekt darum gehen muss, ihr Wissen nicht nur zu nutzen, sondern als Methodenwissen erkennbar und transferierbar zu machen. Zum anderen geschieht es zur (Weiter-) Entwicklung einer umfassenden Medienkompetenz auf Seiten der Lehrpersonen und zur Ausbildung ihres für die Schulentwicklung der Zukunft unabdingbaren Selbstverständnisses als forschende LehrerInnen. [link 06] [6] Kinder machen Kunst mit Medien ist daher als Teamforschungssetting [link 07] [7] strukturiert, das von dem Anliegen geprägt ist, die Perspektiven aller Beteiligten - der LehrerInnen, BegleitforscherInnen, KünstlerInnen, des Koordinators und nach Möglichkeit auch der SchülerInnen - in die Forschungs- und Entwicklungsprozesse zu integrieren. Die Aufgabe der wissenschaftlichen Begleitung besteht darin, durch Hinweise auf bereits entwickelte Theorien, didaktische Methoden und qualitative Standards gemeinsam mit dem Team Qualitätskriterien sowie methodische und programmatische Grundlagen für die Projekte zu erarbeiten und die Projekte in ihrem Verlauf gemeinsam mit dem Team auf diese Grundlagen hin zu reflektieren.
Dieses Vorgehen weist auf eine induktive Anlage des Gesamtprojektes hin. Am Anfang stand hier kein medienpädagogisches Konzept, das die Inhalte und didaktischen Strukturierungen bei "Kinder machen Kunst mit Medien" festlegte. Zum einen überwog die auf Erfahrung basierende Skepsis gegenüber der Möglichkeit, vorhandene medienpädagogische Konzepte, speziell im förderpädagogischen Bereich, aber auch allgemein in der widersprüchlichen und komplexen Alltagsrealität der Institution Schule eins zu eins umsetzen zu können. Zum anderen wurde in dem Projekt, dem Ansatz der didaktischen Rekonstruktion [link 08] [8] folgend, davon ausgegangen, dass nur auf der Basis der spezifischen Bedürfnisse, subjektiven Konzepte und des impliziten Wissens bezüglich digitaler Medien und ihrer spezifischen Potentiale, welche die Akteure einbringen, eine Weiterqualifizierung erfolgen kann. Dementsprechend bestimmten die Lehrenden im Kontext des Forschungsteams ihre Themen, Arbeitsweisen, die in den einzelnen Schulprojekten eingesetzten Medien und die KünstlerInnen, mit denen sie kooperierten.

MEDIENKOMPETENZ

Das Team einigte sich für die Projektstaffel im Jahr 2004 auf einen gemeinsamen Kriterienkatalog für die Definition des Begriffs der Medienkompetenz, wie er im Rahmen von "Kinder machen Kunst mit Medien" verstanden werden sollte. Die Notwendigkeit dazu ergab sich aus der Sichtung der Literatur und aus Diskussionen zum Begriff, wobei deutlich wurde, dass sehr unterschiedliche Entwürfe zur Medienkompetenz existieren, die jeweils interessensgeleitet und perspektivgebunden entstehen. Das Verständnis von Medienkompetenz bei "Kinder machen Kunst mit Medien" wurde abgeleitet aus der Expertise von Prof. Karl Josef Pazzini, die dem KuBiM Projekt zugrunde liegt . [link 09] [9]
Den Hinweisen der Expertise folgend, legte das Team folgende Kriterien für die Bestimmung von Medienkompetenz fest:
¬1. Die Fähigkeit zum eigenständigen, angstfreien und stattdessen neugierigen Umgang in Bezug auf die Möglichkeiten des Mediengebrauchs.
¬2. Die Fähigkeit, im Umgang mit digitalen Medien Arbeitssituationen und Konzepte herstellen zu können, welche sowohl die Einsatzmöglichkeiten von Medien als auch das Verhältnis von Form und Inhalt reflektieren und außerdem interdisziplinäres und kooperatives Arbeiten befördern.
¬3. Die Fähigkeit zu einem kritischen, selbstbewussten und genüsslichen Umgang mit den Suggestivkräften digitaler Medien - sowohl in der Produktion als auch in der Rezeption. [link 10] [10]
¬4. Die Fähigkeit, das Potential digitaler Medien zur Herstellung sozialer Bindungen oder Bündnisse zu erkennen und zu nutzen.
¬5. Sich der instrumentellen Einsatzmöglichkeiten der digitalen Medien bewusst zu sein und diese durch den eigenen Umgang mit den Medien zu durchkreuzen.
¬6. Die Fähigkeit, sich der Momente von Überforderung bewusst zu werden und diese auszuhalten, bzw. Strategien zur Behauptung von eigenständigem und selbstbewussten Denken und Handeln zu entwickeln.
¬7. Die Fähigkeit, Räume, Sprache und Kooperationsformen bei der Arbeit mit digitalen Medien so zu gestalten, dass sie die individuellen Bedürfnisse der beteiligten Personen berücksichtigen und auf möglichst vielen Ebenen Beteiligungs- und Gestaltungsmöglichkeiten bieten.
¬8. Die Fähigkeit, digitale Medien in der Schule als fächerergänzende Gebrauchsangebote zur Verfügung zu halten und - auch räumlich - als einen Bestandteil des alltäglichen Unterrichtsgeschehens zu etablieren.

[link 11] [1]Vgl. u.a. VOSS, Reinhard (Hrsg.): Die Schule neu erfinden. Systemisch-konstruktivistische Annäherungen an Schule und Pädagogik. Neuwied, 1996.
[link 12] [2]Siehe einführend u.a. HINZ, Andreas: Zeitaufwändig, aber wirksam. Begleitung von Menschen mit Behinderung. In: Heterogenität. Unterschiede nutzen - Gemeinsamkeiten stärken. Jahresheft XXII (2004) Seelze: Friedrichverlag, 2004.
[link 13] [3]Der u.a. bei Jaques Lacan, Michel Foucault und Pierre Bourdieu verwendete Begriff "Symbolische Ordnung" bezeichnet die Werte und Normen, die als unumstößlich und natürlich wahrgenommen werden und an deren permanenter Herstellung unter anderem auch Institutionen wie die Schule mitwirken. Dazu gehören unter anderem die Zweigeschlechtlichkeit, die Lebensform der Familie oder die Markierung von minoritären Existenzen (wie Personen mit körperlichen Abweichungen oder migrantischem Hintergrund) als "benachteiligt"
[link 14] [4]siehe www.kompetenznachweiskultur.de
[link 15] [5]Michel de Certeau spricht in seiner gleichnamigen Studie von der "Kunst des Handelns", die darin besteht, dass KonsumentInnen vorgegebene Nutzungsweisen von Produkten oder Infrastrukturen ignorieren und jene für ihre eigenen Interessen umnutzen. Dies ist ein Potential, das den digitalen Medien auf verschiedenen Ebenen inhärent ist und dass von Kindern wie KünstlerInnen gerne ausgeschöpft wird - z.B. durch die unerwartete Verknüpfung mit analogen Medien, durch Nutzung von Geräten für andere als die im Handbuch vorgesehenen Zwecke, durch Intervention auf der Ebene der Programmierung, durch illegale Nutzungsweisen, durch Fakes etc.. CERTEAU, Michel: Die Kunst des Handelns. Berlin, 1988
[link 16] [6]RAHM, Sibylle; SCHRATZ, Michael (Hrsg.): LehrerInnenforschung. Theorie braucht Praxis. Braucht Praxis Theorie? Innsbruck, 2004.
[link 17] [7]FICHTEN, Wolfgang; GEBKEN, Ulf; JUNGHANS, Carola; MEYER, Hilbert (unter Mitarbeit von Nadine Henze und Verena Lennartz): Einführung in die Oldenburger Teamforschung. Oldenburg:.Oldenburger VorDrucke 451, 2002.
[link 18] [8]Beim Forschungsansatz der didaktischen Rekonstruktion werden die subjektiven Theorien von Lehrenden und Lernenden mit fachwissenschaftlichen Theorien zu didaktischen Konzeptionen zusammengeführt. Siehe KATTMAN,U.; GROEPENGIEßER, H.: Schulnahe fachdidaktische Lehr-Lernforschung: Das Modell der Didaktischen Rekonstruktion. Oldenburg: Oldenburger Vordrucke 364, Universität (ZpB), 1998.
[link 19] [9]Die Expertise findet sich unter www.kubim.de
[link 20] [10]"Gerade hier liegt jedoch die Chance, einzugreifen und der Suggestivkraft der Bilder, Texte und Töne aktiv etwas im selben oder in einem anderen Medium entgegenzusetzen. Es gilt aber auch, mit der Suggestivkraft zu arbeiten und sich ihren Risiken auszusetzen. " (Expertise S.20)

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