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Lernmodell

Das Modell "Mobiles Lernen"

Das Modell des Bildungsprozesses in drei Phasen
Das pädagogische Modell, das dem „Mobilen-Lernen” zugrunde liegt, ist ein kreisförmiger Bildungsprozess (vgl. Abb.).
In einer ersten Phase eignen sich die Lernenden weitgehend selbstständig Informationen an und formulieren Fragen an die „Welt”. Dabei recherchieren die SchülerInnen vorab zu einem Thema in der Schule. Sie erstellen Hypothesen und Frage - bzw. Aufgabenbögen zur Weiterbearbeitung außerhalb des Klassenzimmers.
In der zweiten Phase nehmen sie in einer Exkursion ihre Fragen mit hinaus in den physischen Außenraum. Sie erforschen diesen und überprüfen dabei ihre bereits erstellten Hypothesen. Dabei entdecken sie weitere Informationen und konstruieren durch die Auseinandersetzung mit den Phänomenen ihrer Lebenswelt neues Wissen.
In einer dritten Phase kehren sie zur Nachbereitung zurück in die Schule. Sie führen gemeinsam alle Erlebnisse und gesammelten Informationen, wie z.B. die Ergebnisse ihrer Messungen zusammen, vergleichen und werten ihre Forschungsergebnisse aus und gestalten eine Präsentation. In Diskussionen, auch mit Dritten, die diese Präsentation kommentieren, kommt es zu einer vertieften Reflexion ihrer Lebenswirklichkeit und zu einer Nachhaltigkeit des Bildungsprozesses.

Phase 1: Vorbereitung in der Schule

Phase 1 des Lernmodells
Die erste der drei Phasen eines „Mobilen Lernprojekts” findet in der Schule (meist im Klassenzimmer) statt. SchülerInnen lernen ein Thema zu reflektieren, zu erklären, recherchieren und Hypothesen dazu aufzustellen.
Dabei nimmt der Lehrer die Rolle des Beobachters und Beraters ein. Die Planung und Durchführung des Projektes sollte hauptsächlich in Schülerhand liegen.

Themenrahmen und Exkursionsorte bestimmen


Zunächst diskutieren die SchülerInnen mit der Lehrerin/dem Lehrer zusammen den Themenrahmen und die möglichen Exkursionsorte des Unterrichtsprojektes. Sie beantworten Fragen wie: Mit welchen Themen wollen wir uns beschäftigen? Wo soll der Unterricht außerhalb des Klassenzimmers stattfinden?

Das Konzept festlegen


Sie formulieren und schreiben unter Anleitung das Projektkonzept, verteilen Aufgaben, definieren Meilensteine (Zwischenziele) und erarbeiten unterstützt durch die Lehrkraft einen Zeitplan.

Die Recherche


Sie recherchieren und sammeln Informationen, z. B. im Internet, in der Schul- oder Stadtbibliothek.

Exkursionsmappen erstellen


Für die Exkursion benötigt die Klasse eine Aufgabensammlung, die sie außerhalb des Schulgeländes abarbeiten kann. Nach der Recherche sind die SchülerInnen nun in der Lage eigene Aufgaben und Fragestellungen das Thema betreffend zu formulieren. Weitere recherchierte Zusatzinformationen können nun zusammengestellt werden, wie bestimmte Begriffsdefinitionen und Wegskizzen. Am Ende dieser Phase entwickeln die SchülerInnen mit Hilfe des recherchierten Materials so genannte Exkursionsmappen, die während der Exkursion benötigt werden. Darin befinden sich Fragen, Aufgaben, Zusatzmaterialien (meist in digitaler Form) sowie mobile Geräte, wie z. B. PDAs, Messinstrumente, Kameras.

Arbeitsschritte Phase 1


¬Themenrahmen und Exkursionsorte bestimmen
¬Konzept festlegen
¬Recherche
¬Planung und Erstellung einer Exkursionsmappe:
Frage- und Aufgabesammlung
Zusatzmaterial - Definitionen, Erklärungen, Wegskizzen
digitale und analoge Geräte

Phase 2: Exkursion

Phase 2 des Lernmodells
Die SchülerInnen lernen ihr Wissen anzuwenden und zu überprüfen. Sie entdecken, beobachten die Welt außerhalb des Klassenzimmers und sammeln Erfahrungen zu dem gestellten Thema und lernen sie mit ihren mobilen Geräten direkt zu dokumentieren. Sie speichern beispielsweise Texte in die PDAs oder halten mit Digitalkameras ihre Entdeckungsreise in Bildern fest.

Die physische Welt erforschen


Die zweite Phase eines „Mobilen Lernprojekts” findet außerhalb des Klassenzimmers statt. Während der Exkursion sollen die SchülerInnen sich mit der physischen Welt auseinandersetzen. Das kann ein Projekttag zu einem entfernten Ausflugsziel, z. B. zu einem See, oder auch ein Kurztrip auf den Schulhof innerhalb einer Unterrichtsstunde sein.
Die digitalen Materialien der „Exkursionsmappe”, wie z. B. Aufgaben werden auf das mobile Endgerät übertragen und während der Exkursion verwendet. Die Schülerinnen und Schüler entdecken ihre Umgebung mit Hilfe der Aufgaben im Fragebogen und testen ihr Wissen, das sie sich im Klassenraum angeeignet haben. Sie nutzen dabei eine Vielzahl von digitalen Medien und Messinstrumenten, um Informationen zu sammeln. Es werden Daten gesammelt und Beobachtungen dokumentiert. Je nach Aufgabenstellung nutzen sie verschiedene digitale Medien, um zu messen, zu zeichnen, zu fotografieren, Geräusche aufzunehmen oder um sich zu orientieren.

Arbeitsschritte in Phase 2


¬Die Umgebung entdecken
¬ Wissen anwenden und prüfen
¬Erfahrungen sammeln
¬Digitale Medien aktiv und kreativ einsetzen:
Daten sammeln
Beobachtungen dokumentieren
Messen, zeichnen
Navigieren und sich orientieren
Fotos machen
Geräusche/Stimmen aufnehmen

Phase 3: Nachbereitung in der Schule

Phase 3 des Lernmodells
Die dritte Phase eines „Mobilen Lernprojekts” findet nachbereitend in der Schule (meist im Klassenzimmer) statt.

Das Wissen zusammenführen


Nach der Exkursion übertragen die Schülerinnen und Schüler die gelösten Aufgaben/Fragen und ggf. zusätzlich gesammeltes Material in ein zentrales Dokument (z. B. Poster, Webseite). Die Lehrkraft kann dann die Antworten ggf. auf Korrektheit und Vollständigkeit überprüfen. Zum anderen sollen die Schülerinnen und Schüler ihre und andere Ergebnisse beurteilen und vergleichen. Das Ergebnisdokument wird genutzt, um über das Erlebte und Entdeckte und vor allem über den gesamten Lernprozess des Projektes zu berichten, zu reflektieren und zu diskutieren.

Darüber hinaus ist die Präsentation der Ergebnisse für andere interessant, z.B. für Eltern, andere Schülerinnen und Schüler. Denkbar ist hier eventuell eine Präsentation der Ergebnisse auf der Schul-Website oder die Erstellung von Blogs. Die öffentliche Präsentation der Ergebnisse ermöglicht die Diskussion des Gelernten und Erlebten auch außerhalb der Klasse. Darüber hinaus spornt sie die Schülerinnen und Schüler an, ihre Dokumentationen korrekt und in guter Form darzustellen.

Arbeitsschritte in Phase 3


¬Ergebnisse zusammenstellen
¬Präsentation erstellen
¬Lernprozess diskutieren
¬Ergebnisse diskutieren
¬Ergebnisse präsentieren bzw. veröffentlichen

Pädagogischer Ansatz

Autor: Dr. Thomas Winkler, IMIS Universität Lübeck
Die [link 01] KIMM-Initiative hat außer dem hier vorgestellten Ansatz des „Mobilen Lernens” weitere Ansätze für Mixed-Reality-Szenarien und Web-Kooperationsprojekte im Unterricht entwickelt. Dabei entsteht der eigentliche pädagogische Mehrwert der Lernumgebungen aus der KiMM-Initiative nicht durch die bloße Verwendung digitaler Technologien im Unterricht.
Die am IMIS entwickelte oder vom [link 02] IMIS ausgesuchte Software ist zwar in besonderer Weise für das kollaborative Lernen (Arbeiten, Spielen, Erforschen, Konstruieren, etc.) geeignet, kann aber auch in der Weise verwendet werden, dass der Lernende isoliert vor einem Computer sitzt.
Auch wenn digitale Medien für Schülerinnen und Schüler sicherlich einen besonderen Reiz ausüben und so ein vermehrtes Interesse am Unterricht schaffen, sind es vor allem die lerntheoretischen Konzepte und deren Umsetzung in das konkrete Unterrichtsgeschehen, das zu einem vertieften und nachhaltigeren Lernen führt. Die am IMIS gemeinsam mit Lehrerinnen und Lehrern entworfenen transdisziplinären Lernszenarien, die in einer Vielzahl von konkreten Unterrichtsprojekten(link auf Beispiele) realisiert wurden, spiegeln anschaulich die Umsetzung der lerntheoretischen Konzepte. Die lerntheoretischen Konzepte der KiMM-Initiative zur Entwicklung von spezifischer Software und mobiler Lernumgebungen beruhen auf Gedanken der Reformpädagogik, des kritischen Konstruktivismus, dem ganzheitlichen Erziehungsgedanken und dem eigenverantwortlichen Arbeiten und Lernen.

Reformpädagogischer Ansatz


Neben Friedrich Fröbel stand vor allem Maria Montessori Pate. Beide Pädagogen entwickelten spezifische Lernmaterialien, die die kognitive Entwicklung, gekoppelt an haptisch/sinnliche Elemente, fördern sollen.Im Zentrum beider Ansätze steht die gemeinsame Idee, das gelernt wird, wie Probleme (ob mehr physikalisch oder mental-abstrakt) selbstständig und durch Experimentieren gelöst werden. Diese Pädagogik soll dazu führen, dass Kinder und Jugendliche ihre eigenen digitalen Instrumente und Experimente entwerfen und so vor allem dynamisches Verhalten durch den interaktiven Prozess einer physischen (hands-on) Modellierung, Simulation und Analogisierung nachhaltig begreifen.

Anlehnung an den kritischen Konstruktivismus


Für den Psychologen und Mathematikers Seymour Papert [link 03] [1] und seinen Nachfolgern ist es wichtig, dass das Kind oder der Jugendliche den Computer dominiert und nicht umgekehrt. Kinder dürfen nicht zu Antwortmaschinen trainiert werden, vielmehr müssen sie in die Lage versetzt werden, mit dem Computer zu experimentieren und Neues zu erfinden. Nur so kommt es zu einem Verstehen und es entsteht Handlungskompetenz in der zunehmend mit digitalen Medien durchsetzten Lebenswirklichkeit.
Die Idee Paperts, wissenschaftliches Denken und Handeln durch eigenständiges Forschen, mit der Fülle synästhetischer Wahrnehmung und einem Handeln im physischen Raum zu fördern, wurde am MIT Ende der 90er Jahre vor allem von Mitchel Resnick, Robbie Berg und Michael Eisenberg weitergeführt. [link 04] [2]

im Projekt "Kinder, Kinder!" spielten die Schüler das Schlossleben nach

Ganzheitliche Erziehung


Der von Papert ausgehende Ansatz des kreativ-experimentellen Umgangs mit Computern wird in der [link 05] KiMM-Initiative mit neueren pädagogischen Ansätzen eines ganzheitlichen, fächerübergreifenden Lernens unterfüttert: So etwa mit dem ganzheitlichen Erziehungsgedanken, bei dem die Aspekte des fächerübergreifenden Lernens und die gelungene Balance aus leiblich-sinnlicher Erfahrung und kritisch-rationaler Reflexionsfähigkeit von entscheidender Bedeutung ist. Die an ethischer Verantwortung orientierte Handlungskompetenz ist dabei Meta-Ziel des schulischen Unterrichts. Folgende didaktische Eckpunkte [link 06] [3] sind in der KiMM-Initiative gerade auch beim Lernen unter Einbeziehung digitaler Technologie wichtig:
¬In Zusammenhängen lernen: vom exemplarischen Erkunden über die Erhellung des Teilhaften, über die sinnliche und reflektierende Wahrnehmung des Speziellen zu ökologischem und vernetztem Denken. Integration von komplexem und teilhaftem Denken, fachlichem und überfachlichem Lernen
¬Ethische Verantwortlichkeit: SchülerInnen für Schlüsselprobleme und deren ethisch geleiteter Bearbeitung sensibilisieren und handlungsleitende Ethik der Vernunft und Verantwortlichkeit etablieren
¬Herausbildung einer selbständigen Handlungskompetenz
¬gegen die Entkörperlichung und Entsinnlichung schulischer Strukturen und Prozesse, die den Schüler von sich, in seiner Subjektivität entfremden, hin zu Unterrichtswegen, die Bewegung, Sinnlichkeit und Körpererfahrung mit fachlichem und überfachlichem Lernen verbinden
¬phänomenologische Berücksichtigung der Leibthematik, die gerade zu einer kritischen Reflexionsfähigkeit führt
¬Lernen angebunden an die Lebenswelt der Schüler: die Lebenswelt zu einem sinnlich erfahrbaren Erlebnis machen, ohne darüber die kritische Reflexionstätigkeit zu vernachlässigen
¬Exemplarisches Lernen, Praktisches Lernen, Imaginatives und Szenisches Lernen, Lernen über empirisches Forschen, projektorientiertes Lernen

Eigenverantwortliches Arbeiten und Lernen


Bei frontalem, stark lehrerzentrierten Unterrichts wird der Einsatz digitaler Medien den Lehrenden schnell zu einer Zusatzbelastung. Erfolgt die Verwendung jedoch im Kontext eines selbstgesteuerten, problemlösenden und kooperativen Lernens, bei dem der Lehrer eher als Moderator, Organisator, Lernberater und Impulsgeber gefordert ist, entfaltet sich erst der eigentliche Mehrwert der digitalen und interaktiven Medien. (EVA) [link 07] [4]
Die digitalen, interaktiven Lernmedien der KiMM-Initiative sind zum Beispiel so konzipiert, dass sie das Arbeiten der Kinder oder der Jugendlichen mit strukturieren und ihnen ermöglichen, interaktives Verhalten im physischen Raum zu programmieren bzw. zu steuern und/oder anschaulich abstrakte Modelle komplexer Ideen zu entwickeln. Die SchülerInnen lernen, Fragen an die Welt zu formulieren und selbst oder kooperativ zu forschen, sich auszudrücken und ihre Arbeit zu präsentieren. Dies geschieht mitten in der medial durchsetzten Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen mit ihren eigenen, ihnen vertrauten Medien, etwa dem Handy, dem MP3-Spieler, dem 3D-Spiel, etc.
Durch das eigenverantwortliche Arbeiten und Lernen, dem ganzheitlichen Zugang, dem forschenden, erfinderischen Lernen entsteht nicht nur eine sehr hohe Motivation bei den Schülerinnen und Schülern. Auch werden nicht nur das abstraktes Denken und ethisches Handeln gefördert, vielmehr kommt es auch zu einer Entlastung und auch zu mehr Berufszufriedenheit bei den Lehrerinnen und Lehrern.

Literatur


[1] Papert, S. (1980), Mindstorms-Children, Computers, and Powerful Ideas, New York, NY, USA: Basic Books, Inc.
[2] Resnick, M., Berg, R., Eisenberg, M. (2000), Beyond Black Boxes: Bringing Transparency and Aesthetics Back to Scientific Investigation. Journal of the Learning Sciences, Vol. 9, No. 1, 2000.
[3] Moegling, K. (1998), Fächerübergreifender Unterricht - Wege ganzheitlichen Lernens in der Schule. Bad Heilbrunn/Obb.: Klinkhardt
[4] Heinz Klippert, H. (2000), Pädagogische Schulentwicklung, Planungs- und Arbeitshilfen zur Förderung einer neuen Lernkultur, Weinheim: Beltz

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