Inhaltliche Beschreibung
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• Das Verhalten des Systems:
Vierundzwanzig Lautsprecher sind an der Decke eines Raumes in gleichmässigen Abständen in einem Raster angeordnet. Gleichzeitig hängen acht Mikrophone ebenfalls gleichmässig verteilt von der Decke. Jedes Mikrophon nimmt nun eine zwei Sekunden lange Klangdatei auf, wenn der am Mikrophon gemessene Schall eine bestimmte Amplitude (Lautstärke) übersteigt und wenn die gemessene Amplitude um etwas grösser ist, als der Durchschnitt der an den anderen Mikrophonen gemessenen Werte. Aufgenommen werden können sämtliche auditive Ereignisse im Raum, wie auch Ereignisse, die wir Menschen nicht wahrnehmen, dafür aber die Mikrophone. So fangen manche Mikrophone mitunter auch Radiowellen ein, je nachdem, wo sie im Raum platziert sind.
Wird eine Klangdatei aufgenommen, entsteht im Lautsprecherraster an der Stelle, wo das Mikrophon hängt, ein "Klangagent". Die Klangdatei bekommt also bestimmte Attribute zugewiesen, die bestimmen, wie und wo die Klangdatei im Folgenden innerhalb des Lautsprecherrasters abgespielt wird. Man könnte auch vom Verhalten des Klangagenten sprechen, der sich nun autonom und festgelegten Regeln folgend innerhalb des Rasters bewegt und verändert. Das Lautsprecherraster könnte metaphorisch als ein Ökosystem betrachtet werden, innerhalb dessen Klangagenten für eine gewisse Zeit leben und interagieren.
Jeder Klangagent bekommt bereits zu seiner Entstehung eine festgelegte Lebenszeit, die zwischen sechzehn und siebzig Sekunden liegen kann. Während dieser Lebenszeit wird der Klang geloopt aus verschiedenen Lautsprechern wiedergegeben. Gestartet wird die Wiedergabe beim Lautsprecher, der in der Nähe des aufnehmenden Mikrophons hängt. Hernach sucht sich der Klangagent eine Richtung innerhalb des Lautsprecherrasters aus (Nord, Nord-Ost, Süd-Ost, Süd, Süd-West oder Nord-West) und wandert zum nächstgelegenen Lautsprecher in dieser Richtung, das heisst die Wiedergabe erfolgt nun in einem benachbarten Lautsprecher. Der Klangagent behält diese Richtung bei, bis er zum Rand des Rasters bekommt und also sich nicht mehr weiter in die gleiche Richtung bewegen kann. Nun entscheidet er sich zufällig für eine neue Richtung und behält diese bei, bis er wieder an den Rand kommt und so weiter.
Während der gesamten Lebensdauer der Klangagenten wird die Abspielgeschwindigkeit sukzessive verringert: Je kürzer die zuvor festgelegte Lebenszeit, desto schneller. Man kann also bereits am Anfang hören, wie lange in etwa der Klang noch im System vorhanden sein wird, je nachdem wie schnell der Klang im Laufe der Zeit wiedergegeben wird. Ist der Agent bereits sehr langsam (und klingt somit tiefer), wird er bald gelöscht werden. Ausserdem werden mit der Zeit zufällig kleine Teile der Klangdatei gelöscht, der Klang erhält also kurze stille Abschnitte und klingt damit mehr und mehr abgehackt und gebrochen. Die Abspielgeschwindigkeit und das Löschen einzelner Stellen lassen uns also den Alterungsprozess des Klangagenten erfahren. Kurz bevor der Agent "stirbt", erhöht sich übrigens seine Wiedergabelautstärke und der Klang verabschiedet sich mit grossem Getöse aus dem System.
Jeder Klang bekommt bei der Entstehung zufällig einen anderen Bandfilter zugewiesen, der bestimmte Frequenzen des Klangspektrums verstärkt und andere stark abschwächt. Dies verhindert mitunter unangenehme Feedback-Geräusche und verleiht jedem Klang sein eigenes Klangcharakteristikum.
Innerhalb des Systems können sich höchstens acht Klangagenten gleichzeitig befinden. Ist diese Zahl erreicht, geschehen keine weiteren Aufnahmen und keine neuen Agenten werden ins Leben gerufen. Dieser Zustand wird in der Regel aber nur für sehr kurze Zeit erreicht, wie ich gleich erkläre.
Treffen sich zwei Klangagenten in demselben Lautsprecher, werden beide Klänge gelöscht und ein neuer Klang, gemischt aus den sich treffenden, entsteht. Man könnte also sagen, zwei Klangagenten bekommen ein "Kind", verausgaben sich dabei aber so sehr, dass sie danach "sterben". Der daraus entstehende neue Klangagent hat wieder die volle Lebensdauer (sechzehn bis siebzig Sekunden) und kann auch wiederum mit anderen Klangagenten "Kinder" erzeugen, wenn er diese trifft. Hiermit entsteht ein sich selbst regulierendes System, dass verhindert, dass sich zu viele Klänge im Raster bewegen. Denn: Haben wir zum Beispiel acht Klangagenten im System, ist die Wahrscheinlichkeit bei den nur vierundzwanzig Lautsprechern recht gross, dass sich zufällig zwei Klänge treffen, daraus ein neuer hervorgeht, die "Eltern" aber beide "sterben" und somit plötzlich ein Klangagent weniger im System ist. Befinden sich jedoch nur wenige Klänge im System, ist die Wahrscheinlichkeit ungleich niedriger, dass diese sich treffen und aus zwei Klängen einer wird.
Das Mischen der zwei sich treffenden Klänge geschieht in der Weise, dass zufällig bestimmte Teile der Klänge zu einem neuen Klang zusammengefügt werden. Der neue Klang könnte zum Beispiel am Anfang aus dem ersten Zehntel des ersten Klanges bestehen, dann folgen vielleicht das zweite und dritte Zehntel des zweiten Klanges und wieder das vierte des ersten Klanges und so weiter.
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• Deutungsansätze:
Die entstehenden Klangräume sind meist von recht eigenwilliger Natur und man hört deutlich die computergestützte Bearbeitung der aufgenommenen Klänge. Die Klänge werden abgehackt oder neu zusammen gemischt, schneller oder langsamer abgespielt, ändern ihre Ausgabelautsprecher, es gibt starke Brüche und so weiter. Zumeist erkennt man am Anfang noch den Klang wieder, wie er ursprünglich in das System aufgenommen wurde (man erkennt also zum Beispiel die eigene Stimme wieder); doch ist der Klang erst einmal im System, hat der Betrachter/Interakteur keine Kontrolle mehr über die zuvor veräusserten Laute und Geräusche. Es ist ganz klar, dass das Veräusserte nun medial vermittelt wieder in den Raum zurückgegeben wird. Und diese mediale Vermittlung geschieht mit sehr deutlichen Verfremdungen und Bedeutungsverschiebungen, wenn wir den Klängen eine
Bedeutung überhaupt zugestehen wollten. Der Klang steht auch nicht für sich alleine, sondern tritt in
Beziehungen zu anderen Klängen, die sich ebenfalls im System aufhalten. Zumeist haben wir als Betrachter nun auch Probleme, der Entwicklung eines bestimmten Klanges zu folgen; vielmehr entsteht ein (mitunter kakophonisches) Ganzes.
Wird ein neuer Klang aufgenommen, so erfassen die Mikrophone natürlich nicht nur auditive Live-Ereignisse, sondern auch die Klänge, die bereits vom System über die Lautsprecher ausgegeben werden. Das System arbeitet also auch mit Rekursion und aktuelle und zukünftige Zustände hängen immer auch von der Geschichte, also von den vorherigen Zuständen ab. Diese Beziehung des aktuellen Zustandes zu vorherigen Zuständen lässt also den Installationsraum auch zu einer Art Gedächtnisraum (Memory Room) werden. In verschiedenen Räumen (mit unterschiedlicher Geschichte) tönte die Installation jeweils anders.
Gleichzeitig nimmt das System mitunter auch elektromagnetische Wellen auf, die wir Menschen gar nicht wahrnehmen. Hierzu gehören, je nach Standort der Installation, Radiowellen oder auch Signale von Mobilfunktelefonen. Doch auch diese Wellen gehören natürlich zu dem Raum und gehören zu seiner Geschichte.
Das System verhält sich durchaus widerborstig, könnte man sagen, wenn man es mit einem menschlichen Attribut charakterisieren wollte. Das System ist in keinster Weise über seine mögliche Wirkung auf uns informiert. Es weiss nichts über die Tonhöhen der Klänge, über Harmonie, über einen etwaigen Rhytmus und so weiter. Es ist weitesgehend „blind“ uns gegenüber. Das System versteht also seine Umgebung nur bedingt und die Menschen in der Installation können die gehörten Klänge auch nicht immer zu einem für sie ästhetischen Klangraum zusammenfügen und also das System auch nicht immer verstehen. Wir haben Probleme, es zu kontrollieren und wir können es nicht in der Art bespielen, wie wir ein Musikinstrument bespielen können.
Trotzdem gibt es Momente, in denen uns die entstehenden Klangästhetiken verwundern, ob ihrer schroffen und schönen Art. In solchen Momenten hat die Verständigung zwischen uns und dem System funktioniert, obwohl niemand viel über den anderen weiss.
Die Wahl des Titels schliesst sich den vorangegangenen Bemerkungen an. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mit dieser Wahl in zum Beispiel einem halben Jahr noch zufrieden bin, aber momentan arbeite ich mit diesem: My Marvellous Impression Management Impotence. Ein wenig holprig kann man dies vielleicht mit „Meine wundersame Inkompetenz meinen Eindruck zu steuern“ übersetzen. Den Eindruck also, den ich auf andere Menschen machen möchte, aber nicht kontrollieren kann oder meine Unfähigkeit, das Bild, in dem ich gesehen werden möchte, zu bestimmen. Und tatsächlich glaube ich, dass man diesen Eindruck oder dieses Bild nur in einem sehr begrenzten Rahmen kontrollieren kann, egal ob dieses Bild medial vermittelt oder live dargestellt und von anderen aufgenommen wird. Das Bild, welches man von seiner Selbstdarstellung hat, kann von anderen nur anders gesehen werden, da diese anderen Menschen sich eine von der eigenen verschiedene Wirklichkeit konstruieren und Dinge aufgrund ihrer Geschichte und physischen und psychischen Konstitution anders wahrnehmen und erfinden.
Und genau dies tut die Installation: Das von den Mikrophonen aufgenommene Klangmaterial zu bearbeiten, zu mischen, etwas Neues zu konstruieren; und stets spielen bei dieser Konstruktion frühere Zustände des Systems mit hinein. Das System kreiert sich aus dem Wenigen, was es aus der Umgebung bekommt, seine eigene Realität. Und diese können wir manchmal verstehen (es gibt ästhetische Klangräume) oder auch nicht (es gibt ein kakophonisches Ganzes).
Das Wort „marvellous“ im Titel deutet jedoch an, dass diese radikal konstruktivistische Sichtweise nicht notwendigerweise schlecht sein muss, sondern dass man sich vielleicht um sein „Impression Management“ gar nicht so viel scheren muss und etwas mehr Gelassenheit und Freiheit gewinnt, indem man die eigene Hilflosigkeit ein Stück weit anerkennt.