Frank Schöne, Elke Dietz, Kilian Hirt


timedeco

Narration im digitalen Zeitalter


timedeco [link 01]

timedeco

Kurzdarstellung

Kurzbeschreibung

Der Zuschauer nimmt auf einem Sessel Platz. Sein Blick ist auf eine Leinwand gerichtet. Zwischen ihm und der Leinwand, jedoch außerhalb seines Blickfeldes, befindet sich die eigentliche Maschine, ein Computer, der über eine Infrarotkamera die Blickrichtung des Zuschauers registriert. Nach einem kurzen Vorspann beginnt der Film Timecode (Mike Figgis, USA, 1999).
Der Kinofilm Timecode erzählt eine Geschichte in vier aufeinander bezogenen und sich räumlich begegnenden Strängen, die durch die Vierteilung der Leinwand (split-screen) gleichzeitig zu sehen sind. Die vier parallel ablaufenden Filme sind nicht geschnitten und laufen in Realzeit ab (15.00-16.30 Uhr), der Ton stammt immer nur von einem Bildquadrat, so dass über den Ton die Blickregie stattfindet.
Während der Film abläuft, erkennt unsere Maschine verzögerungsfrei, auf welchen der vier Handlungsstränge der Zuschauer seinen Blick richtet und liefert ihm den Originalton des jeweiligen Quadranten.
Bei timedeco betätigt der Zuschauer, während der Film projiziert wird, berührungslos mit seinen Augen das Schnittpult; Sehen und Produzieren fallen zusammen, unbewusste und bewusste Augenbewegungen lassen den individuellen Film entstehen.
Wie bei einer Überwachungsanlage kann der Zuschauer von timedeco selbständig zwischen getrennten und doch zusammenhängenden Räumen hin und her springen und erlebt gleichzeitig die Überwachung seines Blicks durch die eigenen Ohren.

KünstlerInnen / AutorInnen

  • Frank Schöne, Student, Humboldt Universität zu Berlin
  • Elke Dietz, Studentin, Humboldt Universität zu Berlin
  • Kilian Hirt, Student, Humboldt Universität zu Berlin

Entstehung

Deutschland, 2002

Partner / Sponsoren

Philipp v. Hilgers, Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik an der Humboldt-Universität zu Berlin

Eingabe des Beitrags

Frank Schöne, 29.06.2003

Kategorie

  • künstlerische Arbeit

Schlagworte

  • Themen:
    • Interface |
    • Konzeptuelle Arbeit |
    • Kommunikation |
    • Mensch-Maschine-Interaktion HCI |
    • Wahrnehmung |
    • Raum |
    • nonlineare Narration |
    • Körper |
    • Audio |
    • Autor |
    • Medienkunst |
    • Tracking |
    • Medientheorie |
    • Interaktivität |
    • Überwachung
  • Formate:
    • Montage |
    • Software |
    • Streaming |
    • Installation |
    • Projektion |
    • interaktiv |
    • Film |
    • Audio |
    • Video
  • Technik:
    • Macromedia Director |
    • Eye Tracking |
    • Shockwave |
    • Quicktime |
    • Digitales Video |
    • MP3 |
    • MPEG 4

Inhalt

Inhaltliche Beschreibung

Der Vorspann von timedeco suggeriert in seiner Knappheit mit bunter Grafik und heiterer Computermusik das Eintauchen in eine Computerspielwelt. Der Zuschauer spielt jedoch nur mit bzw. gegen sich selbst und seine(r) Wahrnehmung des Films. timedeco versteht sich nicht als interaktive Installation, sondern als Plattform und Spiegel, als ein Interface zur Echtzeit-Choreographie von Figgis.
Die technische Funktionsweise der Installation liefert eine Metapher für das gegenseitig aufeinander bezogene Verhältnis der Kontrolle zwischen Mensch und Maschine: Die Maschine muss ein Bild vom Blick des Zuschauers zur Verfügung haben, damit sich dieser durch seinen Blick ein Bild vom Gezeigten machen kann.
Die Begegnung mit timedeco löst beim Zuschauer Faszination aus. Er hat das Gefühl, den Ereignissen live beizuwohnen und kann mit seinem magischen Blick den Ablauf des Films (genauer: des Tons) steuern. Mit den Augen durchmisst er das Koordinatensystem des split-screens und erfährt im Moment des bewegten Schauens die eigene Montage der bewegten Bilder. Der schneidende Blick wird hörbar. timedeco errechnet aus der Augenspur die Tonspur. Der Tonschnitt, mit dem die Kinofassung von Timecode den Blick des Zuschauers über die Leinwand lenkt, wird aufgehoben. Auf Tonebene existiert im Kino nur ein einziger Timecode-Film. timedeco ermöglicht unendlich viele Filmversionen, durch unbewusste und bewusste Augenbewegungen entsteht auf visueller und auditiver Ebene der individuelle Film des Betrachters. Der eigene Blick erzeugt (durchaus nicht immer nachvollziehbare) Abfolgen von Gesprächsfetzen.
Die Position des Users oszilliert zwischen der eines Regisseurs, der die Kontrolle über die Dramaturgie innehat, und der eines Zuschauers, der eine (in diesem Fall selbst-) gegebene Handlung zu verstehen versucht. Es entsteht ein Spannungsverhältnis, in dem der User gleichzeitig konstruiert und rekonstruiert.
Der Zuschauer begibt seinen Kopf in eine Halterung. Die körperliche Steifheit, die für das Erleben von timedeco notwendig ist, gerät durch die Flüssigkeit des Blicks und den immerzu neu entstehenden Film in Vergessenheit.
Der Zuschauer betätigt, während der Film projiziert wird, berührungslos mit seinen Augen das Schnittpult; Sehen und Produzieren fallen zusammen. Die Geschichte zersetzt sich vor den und durch die Augen des Betrachters. Die einzelnen Handlungsstränge bekommen ihre Eigenständigkeit zurück, die sie im Dispositiv des Kinos verloren hatten. timedeco hinterfragt die Funktionsweise von Narration im digitalen Zeitalter.
Wie bei einer Überwachungsanlage kann der Zuschauer von timedeco selbständig zwischen getrennten und doch zusammenhängenden Räumen hin und her springen und erlebt gleichzeitig die Überwachung seines Blicks durch die eigenen Ohren. Auch beistehende Besucher überwachen den Blick des Users, indem sie hören.
Eye-tracker werden sowohl zur Untersuchung von Benutzer- und Verbraucherverhalten über Blickanalysen (z.B. bei Usabilitytests von Internetseiten) verwendet als auch als Interface für körperlich behinderte Menschen eingesetzt. timedeco ist Interface und Blickanalyse in einem.

Technik

Technische Beschreibung

Ein eye-tracker-System misst die Blickrichtung des Zuschauers, indem es mit einer Infrarotkamera ein Auge des Zuschauers filmt und die jeweilige Pupillenstellung als x- und y-Koordinate bestimmt. Um die Koordinaten feststellen zu können, muss der Zuschauer seinen Kopf ruhig halten, sich also in das Koordinatensystem einfügen. Die körperliche Haltung erfordert keine Konzentration, die Stirn kann bequem an eine gepolsterte Halterung gelehnt werden. Vor dem Start wird die Maschine kalibriert, passt sich dem Blick an.
Die vom eye-tracker-System gemessenen Koordinaten werden laufend an einen Computer übergeben, auf dem das Programm Director läuft. Das Programm Director steuert mit diesen Koordinaten werteabhängig eine von vier Tonspuren innerhalb eines Quicktime-Containers an, aus dem heraus eine Videospur mit dem Film Timecode auf einen Videobeamer ausgegeben wird. Über eine an den Computer angeschlossen Stereoanlage hört man die ausgewählte Tonspur.

Hardware / Software

Computer (1.5 GHz, Radeon Grafikkarte mit Video Ein- und Ausgang, 1 Gigabyte RAM)
Software (Quicktime Pro, FinalCut Pro und Macromedia Director)
eye-tracker-System
Leinwand
Stereoanlage
Videobeamer

  • › digital sparks 2003 [link 02]

» http://www.culture.h…erlin.de/fs/timedeco/ [link 03]

  • › timedeco [JPEG | 74 KB ] [link 04]
  • › timedeco in der Entstehungsphase [JPEG | 85 KB ] [link 05]