Anja Kempe


Loser Raum

Interaktive Rauminstallation


Loser Raum I [link 01]

Loser Raum I

Kurzdarstellung

Kurzbeschreibung

Der Besucher betritt einen Raum, in dessen Mitte eine 4m x 4m große Bodenplatte liegt. Die Wände sind von Video-Beamern erleuchtet, die an der Decke hängen. Man erkennt kein projiziertes Bild, denn die Projektion bildet das Bild der Wand deckungsgleich auf der Wand ab.
Tritt der Besucher auf die Bodenplatte, wird von Waagen, die an jeder Ecke des Bodens befestigt sind, sein Gewicht gemessen und sein Standort bestimmt. Die Waagen registrieren jede kleinste Bewegung und jede Gewichtsveränderung. Diese Daten werden an eine eigens dafür entwickelte Software weitergegeben. Sie rechnet aus, in welche Richtung sich die Bodenplatte neigen würde, wäre sie eine frei schwebende Ebene.
Die Bilder, die von den Beamern an die Wand projiziert werden, sind gekoppelt an das Modell der frei schwebenden Ebene. Kommt sie ins Schwanken, weil sich jemand auf der Bodenplatte bewegt, bewegen sich die Projektionen entsprechend.
Die Bewegung der Projektion folgt physikalischen Gesetzen, deren Parameter in der Software festgelegt wurden. Wenn sich große Gewichtsmassen auf der Bodenplatte bewegen, bewegt sich auch die Projektion heftiger.

KünstlerInnen / AutorInnen

  • Anja Kempe

MitarbeiterInnen

  • Jochen Viehoff, Software, KHM › Biografie [link 02]

Entstehung

Deutschland, 2002

Eingabe des Beitrags

akempe@khm.de, 19.05.2003

Schlagworte

  • Themen:
    • Interface |
    • Kommunikation |
    • Wahrnehmung |
    • Raum |
    • Körper |
    • Medienkunst |
    • Tracking |
    • Interaktivität |
    • Echtzeit-Rendering |
    • Architektur
  • Formate:
    • Installation |
    • Projektion |
    • interaktiv |
    • multi-user
  • Technik:
    • Motion Tracking |
    • Java |
    • Balance Platform

Inhalt

Inhaltliche Beschreibung

'Loser Raum' ist eine Rauminstallation, in deren Zentrum eine große Bodenplatte liegt. An den Ecken des Bodens sind Waagen angebracht, die die Gewichtsverteilung auf dem Boden messen und den Schwerpunkt feststellen können, wenn mehrere Personen den Boden betreten. Auf den Wänden rings um die Plattform sind Bilder der Wände projiziert. Betritt man den Boden, geraten die Bilder der Projektion ins Wanken, abhängig von der Masse und dem Schwerpunkt auf dem Boden.
Der Computer wird in dieser Installation medial genutzt, aber nicht in gewohntem Sinne. Er erzeugt nicht einen virtuellen Raum, der unabhängig vom realen Raum ist, sondern einen Raum, der abhängig ist. Die Projektion kopiert die realen Wände, und der neue Sinneseindruck entsteht durch die Simulation des realen Gewichtes in der Kopie des Raumes. Die Welt, die erzeugt wird, ist also fest verankert im realen Raum.
Betritt man den (doppelten) Boden, kippt das Bild der Projektion in die Richtung, in die man sich bewegt. Es ist die Simulation eines frei schwebenden Raumes, der der Schwerkraft unterliegt. Das ist mit nichts Realem zu vergleichen, denn in der Realität sind die meisten Dinge, die sich in der Luft befinden, immer in Bewegung, weil sie sonst herunterfallen würden.
Der Bezug zur Realität ist am ehesten im Vergleich mit einem Floß zu finden, denn auch da kommt es darauf an, dass man das Gleichgewicht hält und alle, die sich auf dem Floß befinden, sind sich dessen bewusst. Der Vergleich hinkt allerdings insofern, als das Wasser das Floß trägt. In 'Loser Raum' gibt es keinen 'natürlichen' Träger. Der Widerstand gegen die Schwerkraft wird künstlich erzeugt. Es wird demnach keine reale Situation simuliert, sondern eine Fiktion bzw. die Virtualität.
Wenn man Elena Espositos Spiegelmetapher heranzieht, bei der die Virtualität beschrieben wird als ein Spiegel, der die reale Welt aus einer anderer Perspektive zeigt, so ist 'Loser Raum' eine virtuelle Situation: Man sieht den realen Raum aus unterschiedlichen anderen Perspektiven.
Die Ausgangsidee bei 'Loser Raum' war die Fiktion einer frei schwebenden Ebene. Diese Fiktion wurde mit Hilfe des Computers realisiert. Die Situation in der Installation ändert sich aber je nach Verhalten der Besucher. Der Aspekt, dass zwar eine Situation vorgegeben ist, die aber subjektiv modifiziert werden kann, ist ebenfalls ein Indiz für den virtuellen Charakter der Installation.
Wäre keine Interaktivität möglich, würde man eher von einer Fiktion sprechen, denn der Blickwinkel des 'Erfinders' wäre der einzig einzunehmende.
Die Anzahl der Blickwinkel in 'Loser Raum' hat natürliche Grenzen: Sie ist abhängig vom realen Raum, der kopiert wurde, von den technischen Möglichkeiten, einen solchen Raum zu kopieren und von den physikalischen Bedingungen, denen eine (simulierte) frei schwebende Ebene unterworfen ist. Welche Bedingungen das sind, konnte frei erfunden werden. Diese Fiktion ist das, was ein Besucher annehmen muss und was er nicht beeinflussen kann. Hier ist die Grenze der Interaktivität.
Die Situation wird durch den Einsatz der Körper interaktiv und virtuell. Ohne Körper kann in 'Loser Raum' nicht kommuniziert werden. Die Körper allein bringen die Bilder in Bewegung. Die Grenze des Körpers, die Grenze des Gewichts, ist auch die Grenze der Einflussnahme.
Die reale Realität mischt sich in die virtuelle Situation durch das Gewicht der Körper und durch die Kommunikationsform zwischen verschiedenen Besuchern. Denn diese Kommunikation geschieht direkt. Die Personen reagieren auf ihr reales Gegenüber und nicht auf eine Fiktion, wie das bei der Kommunikation via Internet der Fall ist. Es ist eine reale Kommunikation in einer virtuellen Situation.
Die Besucher kommunizieren über Körpersprache, die 'Argumente' sind die Gewichte der Körper.

Technik

Technische Beschreibung

Eine 4m x 4m große Bodenplatte bzw. eine an den Raum angepasste Bodenplatte liegt mittig im Raum. An den vier Ecken sind Waagen befestigt, die je nach Gewichtsverteilung, den jeweiligen Druck auf der Bodenplatte durch das Gewicht des Besuchers messen. Ein Waagen-Verstärker gibt diese Daten durch einen analog-digital-Wandler an einen Laptop weiter.
Eine frei schwebende Plattform wird simuliert: Der echte physikalische Druck auf der realen Bodenplatte wirkt sich auf die virtuelle Plattform aus.
Die resultierende Bewegung wird durch das Gesamt-Drehmoment ausgelöst und entspricht einer realen, physikalischen Wippe in zwei Dimensionen. Das Trägheitsmoment der Wippe, die Viskosität des umgebenden Mediums und die linearen Rückstellkräfte legen die vollständige Dynamik der Bewegung fest.
Der Bewegung der virtuellen Plattform folgt die Bewegung der projizierten Bilder.
Die Bilder der im Vorfeld abfotografierten Wände werden auf drei Laptops durch die zweidimensionale Wippe gesteuert.
Von drei Daten-Beamern mit Weitwinkel-Objektiven werden die Bilder zunächst deckungsgleich auf die Wände projiziert.
Bewegt sich jemand auf der Bodenplatte, bewegen sich die Projektionen entsprechend.
Vorbereitend:
- Weitwinkelobjektiv und Fotoapparat
- Digitale Bearbeitung der Fotos vor Ort

Hardware / Software

Interface:
- WeightPad
- 4-Punkt Waage
- max. Belastung: 4000kg
- 3 Laptops / 3 Datenbeamer
- Internet-Zugang
Software:
- BalanceRoomDisplay.java (Java3D)
- BalanceRoomServer.java
- TuningServer.java

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