Svenja Schelberg


leben.gebrauchsanweisung

Eine multimediale Interpretation der Romane von Georges Perec


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Kurzdarstellung

Kurzbeschreibung

"leben.gebrauchsanweisung" ist ein literarisches Spiel zum Schaffen Georges Perecs, das die Möglichkeiten durch rein intuitive Benutzerführung erforscht. Ein Spiel mit den Gewohnheiten und gegen die üblichen Erwartungshaltungen der Benutzer. Ein Puzzle in, um und mit Räumen.

KünstlerInnen / AutorInnen

  • Svenja Schelberg

MitarbeiterInnen

  • Holger Gathmann
  • Christian Coers

Entstehung

Deutschland, 2000

Eingabe des Beitrags

Svenja Schelberg, 30.06.2001

Kategorie

  • künstlerische Arbeit

Schlagworte

  • Themen:
    • nonlineare Narration
  • Formate:
    • CD-ROM
  • Technik:
    • Macromedia Director

Inhalt

Inhaltliche Beschreibung

Der zentrale Handlungsort und Thema unserer literarischen Vorlage "Das Leben Gebrauchsanweisung" von Georges Perec ist die 100-jaehrige Geschichte eines Mietshauses in Paris. Perec erzählt, jeweils mit der Beschreibung eines der 99 Räume beginnend, die Geschichten all der Personen, die in diesen Räumen gelebt haben, noch leben, oder mit ihnen in Berührung gekommen sind. Daraus hebt sich die des Millionärs Percival Bartlebooth hervor, der im Alter von 25 Jahren ein Projekt beschliesst, das ihn für den Rest seines Lebens beschäftigen soll. Die 99 Kapitel des Buches sind sowohl in sich selbst geschlossen als auch Puzzleteile einer grossen Geschichte. Das Konzept des modularen Aufbaus nehmen wir auf, und übertragen es in die nonlineare, interaktive Architektur unserer Arbeit. Der Raum ist das zentrale Element, visualisiert in der Navigation. Der Spieler sucht sich seine Wege in "leben.gebrauchsanweisung" selbst. Durch das Verschieben einzelner Wände können verschiedene "Räume" gebaut und die darinliegenden "Welten" entdeckt werden. Sie zeigen einen kleinen Ausschnitt aus dem literaterarischen Schaffen Georges Perecs - abstrahiert und interpretiert für ein interaktives Spiel. Allerdings verbraucht unsere Navigation Energie, die ihr in Form von Literatur wieder zugeführt werden muss... Die CD-ROM "leben.gebrauchsanweisung" hat in diesem Jahr beim b+m-Interactive-Designpreis Schleswig-Holstein 2001.2002 eine Auszeichnung erhalten. Desweiteren haben wir beim "red dot award: communication design 2001" die auszeichnung "red dot " best of the best" erhalten sowie die Aufnahme in das internationale Jahrbuch ":output". Eine Nominierung für eine Anerkennung beim Computerkunst-Wettbewerb "CYNETart 2001" steht noch aus. Professor Dr. Wilharm schreibt über unser Projekt: "Il ne se passe rien, en somme!" (Georgers Perec) Der Milliardär Bartlebooth gerät mit der Lösung der selbstgestellten Lebensaufgabe in Verzug. Eigentlich soll keine Spur seines Lebenswerkes bleiben. 500 Puzzles - erdacht, gebaut, gelöst - sollen zu Nichts werden. Aber die Puzzles, die Bartlebooth sich machen lässt, werden ihm am Ende zu kompliziert. Er stirbt beim Zusammensetzen des 439. Bildes (La Vie Mode D'Emploi, dt. Das Leben. Gebrauchsanweisung, Kap. XCIX). Er hat kapituliert. - In 99 Kapiteln durchmessen wir 99 Räume und in jedem spielt ein eigener Roman, ein eigenes Puzzle. Die Puzzles folgen strengen Regeln. Auf den ersten Blick sind sie nicht durchschaubar. Im 50. Kapitel wird ein Bild beschrieben, die Szene einer Kriminalgeschichte, deren Erzähler ein Maler ist. Das ist ein Spiel. Hinter dem Spiel steht das Regelwerk. Mit Raimond Queneau und Italo Calvino gehörte Georges Perec zu Oulipo, der Gruppe Ouvroir de littèrature potentielle. Hier gab es mathematische und informatische Interessen, die die Form zukünftiger Literatur beeinflussen wollten. Die Räume des Hauses, dessen Geschichte Perec in La Vie D'Eploi erzählt, liegen auf den Wegen des Pferdes im Schachspiel. Trotz der vielen Sprünge, die es macht, kommt es kein zweites Mal an denselben Platz. Die Auswahl der Gegenstände, alle Geschichten des Lebens folgen einem komplizierten Algorithmus der modernen Mathematik, der jedem Kapitel seine Elemente zuordnet. Eine riesige Programmierleistung steht hinter dem Text. - Bartlebooth hat kapituliert. Die einzige freie Stelle im letzten der von ihm bearbeiteten Puzzles - alle haben sie 750 Stücke - hat die Form eines X. Der Tote hat aber nur noch ein Teil in W-Form vor sich liegen. Das Puzzle geht nicht auf. Doch war und ist das Spiel die einzige Chance. Für Barthlebooth und für den Leser, der nichts anderes tut als Bartlebooth. Der Text selbst ist das Puzzle (vgl. die theoretischen überlegungen Perecs in der Einleitung und Kap. XLIV). Offenbar sind die Geschichten nicht leicht durchschaubar. Aber offenbar am Ende auch nicht berechenbar. Neues Spiel, neues Glück! Das Buch ins Gespräch zu bringen mit dem Computer. Das stand hinter der Idee, im Rahmen des Designstudiums multimediale Interpretationen geschriebener Texte zu versuchen. Vor der Hand scheint alles dagegen zu sprechen, dass Buch und Rechner ins Gemenge geraten. Hier ein uraltes Medium - analog, linear, breit, weitschweifig, symbolisch codiert, auf Zeit hin und auf Phantasie angelegt. Dort der Prototyp neuer Medien - digital, virtuell, instantan, in Echtzeit agierend, bildpräsent. So das Vorurteil und die Erfahrungen der meisten. Die Auswahl literarischer Vorlagen brachte die Dinge näher zusammen. Oulipo war ein informatisches Unternehmen. Perecs Leben. Gebrauchsanweisung schien, seines Algorithmus wegen, besonders gut geeignet, von einer Maschine adaptiert zu werden. Aber es ging nicht um ein einseitiges Verhältnis, darum, textbasierte Literatur in maschinengenerierte Literatur zu verwandeln. Der Roman sollte auch dem Computer etwas bringen. So rückte das Gemeinsame des Spiels in den Vordergrund. Ein literarisches Spiel. Ein Spiel mit der Sprache. Ein Sprachspiel. Ein Puzzle in und mit Räumen. Das ist, was die Spieler am Terminal und die Leser des Romans gemeinsam haben. Im besten Fall. Denn für den notorischen Konsolenjockey bringt schon der Startschirm einige überraschungen mit sich. Die formale Strenge der Vorlage bestimmt die minimalistische Ästhetik der Multimedia-Produktion. Wer gewohnt ist an übliche Positionen und übliche Navigation, findet kaum einen Halt. Man muss es versuchen, scheitert, muss es erneut versuchen. Umso erfreulicher der Erfolg; die Lösung, wenn man einen Raum betreten, das Interieur, die Geschichte erkundet hat. Das alles braucht Zeit und Energie. Und die kommen aus dem Text Perecs. Daraus lädt sich die Maschine auf beim Spiel; wenn sie der Spieler zur Erschöpfung getrieben hat. Nichts für den Dauerclicker. Für ihn ist es schlimm, am Ende, wenn es heißt, Il ne se passe rien, en somme. Prof. Heiner Wilharm 01/01

Technik

Technische Beschreibung

erstellt mit Macromedia Director 8.0

Hardware / Software

Systemanforderungen: Windows: Intel Pentium II mit 200 MHz, Windows 95/98/NT 4.0/2000, 32 MB RAM, Grafikkarte mit 256 Farben, Soundblaster kompatible Soundkarte, 12fach CD-ROM-Laufwerk MacOS: Power PC 120 mit System 8.1 oder höher, 64 MB RAM, Sound, Grafikkarte mit 256 Fraben, 12fach CD-ROM-Laufwerk

  • › digital sparks 2001 [link 02]

» http://www.perec.de [link 03]

  • › 'räume' Die Navigation. Durch das Verschieben der Flächen können Raumformen gebaut werden, die in die zu erkundenen "Räume" führen. Theoretisch sind so tausende von Links möglich. Es gibt insgesamt sechs Module (Räume), die durch einen jeweils spezifischen Sound gekennzeichnet sind. Sie sind der Spielbarkeit zuliebe jeweils mit mehreren Raumformen belegt. Wird eines der Module betreten, verkleinert sich die Navigation und wandert außen an der Bühne entlang. Dafür verbraucht sie Energie (in der Erhöhung ihrer Transparenz visualisiert). Diese wird ihr in Form von Literatur (zentrale Auszüge aus "Das Leben Gebrauchsanweisung") im Modul 'texttank' ab und an wieder zugeführt. Darauf hat der Spieler keinen Einfluß. [JPEG | 17 KB ] [link 04]
  • › mausgeschichten'. Die Wege der Maus werden von Beginn an (und von hier aus immer wieder) aufgezeichnet. Rechts laufen die Koordinaten durch, die Striche zeichnen die Bewegungen nach. Betritt der Spieler diese Modul ein weiteres mal, zeichnet sich ihm ein immer neues Bild. Den Hintergrund dazu bildet das Buch "Warum gibt es keine Zigaretten beim Gemüsehändler" von Georges Perec - ein Projekt, bei dem er ein Jahr lang alle Getränke und Lebensmittel aufzeichnete, die er zu sich nahm. [33 KB ] [link 05]
  • › 'kleinkunst'. Akustische Puzzles. Die Flächen sind jeweils mit Sprachfetzen belegt, die - auf der Tonkurve richtig zusammengesetzt - jeweils ein Zitat aus "Das Leben Gebrauchsanweisung" bilden. Ist ein Puzzle gelöst, wird dem Spieler das Zitat vorgelesen. Wir verdeutlichen hier Georges Perecs theoretische überlegungen zur "Kunst des Puzzlens": "Nur die zusammengesetzten Teile erlangen die Eigenschaft der Lesbarkeit, bekommen einen Sinn: einzeln betrachtet hat der Baustein eines Puzzles keine Bedeutung; doch kaum ist es einem gelungen, ihn mit einem seiner Nachbarn zu verbinden, verschwindet der Baustein, hört auf, als Ganzes zu existieren: er hat nicht nur keine Daseinsberechtigung mehr, sondern scheint nie eine gehabt zu haben" (Auszug). [65 KB ] [link 06]
  • › 's plus sieben'. Eine Methode der in den 60er Jahren aktiven Gruppe "Oulipo" (Ouvroir De LittÈrature Potentielle). Man nehme einen beliebigen Text und ersetze die Substantiva durch das jeweils an siebter Stelle nach ihm notierte Substantiv in einem Wörterbuch. Wir haben dieses Prinzip auf das Medium Internet übertragen: man lasse eine beliebige Suchmaschine nach diesem Wort suchen und ersetze es durch das siebte Substantiv im siebten gefundenen Link. [13 KB ] [link 07]
  • › 'sekte der drei freien männer'. Eine recht absurde Geschichte aus "Das Leben Gebrauchsanweisung" wird vorgelesen. Die Kugeln symbolisieren die Personen der Geschichte: ein Sektenmitglied und dessen drei Novizen während ihrer Initiation. Diese pendeln ab einem gewissen Zeitpunkt meditativ hin und her. Jetzt kann der Spieler auf die Kugeln klicken, aus denen neue Dreierformationen springen, die jeweils wieder drei neue in sich bergen, usw. So kann die Geschichte quasi "vollzogen" werden: bleibt dem Spieler genügend Zeit, kann er die Bühne völlig mit Kugeln überfüllen. Denn der Witz an der Geschichte ist (abgesehen von dem absolut sinnfreien Ritus und der Zielsetzung der Sekte), daß die Sekte, die nach dem Schneeballprinzip funktioniert, ihre Mitgliederzahl im Jahre 2020 auf weit über die gesamte Menschheit unseres Planeten ausgedehnt haben wird. [17 KB ] [link 08]
  • › 'texttank'. Hier wird der Navigation wieder Energie zugeführt, wenn sie sie verbraucht hat. Das und den Zeitpunkt kann der Spieler nicht beeinflussen. Wo er sich auch gerade befindet, die Anwendung "stoppt" und er wird zwangsweise in dieses Modul geführt. Zentrale Auszüge aus "Das Leben Gebrauchsanweisung" werden gezeigt und vorgelesen. Gelesene Worte verschwinden wieder, dafür gewinnt die Navigation mehr und mehr an Opazität, also an Energie. Wurde der Text vollständig gelesen, ist die Navigation wieder funktionsfähig. Die Texte drehen sich um die zentrale Geschichte des Buches, die des exzentrischen Millionärs Percival Bartlebooth, der sein Leben völlig auf ein von ihm ausgedachtes Konzept ausgerichtet hat - und daran scheitert. [16 KB ] [link 09]
  • › 'rue simon crubellier no II'. Hier kann der Spieler mit der Maus umherfahren und Ausschnitten aus den Leben der Personen des Hauses lauschen. Auch hier drehen sich die meisten Geschichten um Percival Bartlebooth. [34 KB ] [link 10]
  • › 'metro'. Ein unsichtbares Labyrinth. Der Spieler muß den Weg zum großen Quadrat finden. Im Hintergrund liegt, nicht sichtbar, ein Ausschnitt aus dem Pariser Metro-Fahrplan vom Gare d'Austerlitz zur Champs ElysÈes. [35 KB ] [link 11]
  • › Einleitung. [2 MB ] [link 12]
  • › Intro-Sound. Ein Mix aus den jeweiligen Modul-Sounds, der den Spieler auf die Atmosphäre der CD-ROM einstimmt. Er kann ihn aber unterbrechen und direkt in die Einleitung gelangen. [7 MB ] [link 13]