Dominik Schumacher


«a tree full of wishes», «wünsch Dir was...»

Jahresringe mit akustischem Speicher


"Wünsch Dir was..." eine Installation für die Internationale Kunstausstellung "Der Frei Wille – 20 Jahre Glasnost" [link 01]

"Wünsch Dir was..." eine Installation für die Internationale Kunstausstellung "Der Frei Wille – 20 Jahre Glasnost"

Kurzdarstellung

Kurzbeschreibung

«a tree full of wishes», «wünsch Dir was...» entstand für eine internationale Kunstausstellung mit dem Thema "The Free Will – 20 Years Glasnost". Ich sammelte Wünsche, nicht oder noch nicht realisierte Visionen, Hoffnungen und Träume von Bewohnern in und um Berlin. Ich sehe die Lebenswünsche eng Verbunden mit dem freien Willen, denn Lebenswünsche sind der Ausdruck eines Willens.

In einem der Ausstellungsräume steht ein Baumstamm. Die Jahresringe des Baumes sind mit kapazitiven Sensoren ausgestattet. Dies ermöglicht dem Benutzer durch Berühren der Jahresringe den Zugriff auf akustische Informationen, abgespielt von einem in den Stamm integrierten Computer. Dabei entspricht der erste Jahresring dem Wunsch eines Einjährigen, der Zwanzigste dem Wunsch eines Zwanzigjährigen usw. Im Baumstamm bietet sich so dem Ausstellungsbesucher eine akustische Topografie der Lebenswünsche, die ich von Menschen aus unterschiedlichen Altersstufen gesammelt habe. Das Leben - symbolisiert durch den Baum – wird aufgefasst als eine Verdichtung aufeinander folgender Träume, Utopien, Wünsche und Enttäuschungen. Entwickelt im Rahmen der Digitalen Klasse der UdK Berlin.

KünstlerInnen / AutorInnen

  • Dominik Schumacher, Student, Universität der Künste Berlin

Entstehung

Deutschland, 2005

Partner / Sponsoren

Internationale Kunstausstellung Arena Berlin

Eingabe des Beitrags

Dominik Schumacher, 30.12.2005

Kategorie

  • künstlerische Arbeit

Schlagworte

  • Themen:
    • Interface |
    • Identität |
    • Geschichte
  • Formate:
    • Installation |
    • interaktiv |
    • Audio

Inhalt

  • › Projekt Paper "wünsch Dir was...", ausführliche Dolumentation mit Bildmaterial [PDF | 200 KB ] [link 02]
  • › Dokumentationsvideo aus der Austellung "Der Frei Wille – 20 Jahre Glasnost" [22 MB ] [link 03]

Inhaltliche Beschreibung

ERSTE HINTERGRUND-STUDIEN
Ausgangspunkt meiner Arbeit war Zeit und deren Spuren in der Natur. So ist mir aufgefallen, dass in den meisten in der Natur vorkommenden Materialien, Spuren der Zeit zu sehen sind. Es sind Spuren der Veränderung, die im Verlauf von unterschiedlichen Zeiteinheiten stattfinden. Dabei sind die Ausprägungen solcher Spuren recht unterschiedlich und nicht immer einfach zu entschlüsseln. So ist es Steinformationen nicht unbedingt anzusehen, wann oder wie sie entstanden sind. Mittels aufwändiger Analysemethoden ist es heute aber möglich, die Entstehungszeit und auch die Umweltbedingungen der Entstehung zu ermitteln.
Dies bedeutet, dass die Zeitspuren Ergebnisse von Prozessen sind, welche in der Vergangenheit stattgefunden haben. Somit sind die Zeitspuren, in Prozessen entstandene Datenspeicher, welche die Vergangenheit direkt abbilden.

ERSTE DESIGN-STUDIEN
Wie erwähnt sind die meisten Zeitspuren, wie sie leicht in Gesteinsschichten, Kristallen und Stalaktiten gesehen werden können, nicht leicht zu decodieren und können recht unterschiedliche, vor allem sehr große, Zeiteinheiten umfassen. Dies macht die Nutzung als ein universelles Interface, welches Information nach Zeit ordnet, nicht einfach. Denn der Benutzer hat keinen direkten Zugang zu den Zeitspannen, auf die das Medium sichtbar verweist. Aus diesem Grund begann ich mich mit Holz zu beschäftigen. Holz hat den Vorteil regelmäßige Zeitspuren auszuprägen, die zudem allen bekannt sind, die Jahresringe. Jahresringe sind das Resultat der Wachstumsbedingungen eines Baumes und spiegeln aus dem Grund dessen Geschichte wieder. Umwelteinflüsse, wie zum Beispiel das Steigen und Fallen der Sonnenaktivität, lassen den Baum schneller oder langsamer wachsen und führen zu dickeren oder dünneren Jahresringen. Daher verweisen die Jahresringe direkt auf die Geschichte des Baumes, sind das Resultat der Geschichte des Baumes. Die Umstände, dass die Jahresringe direkt auf einen Zeitpunkt in der Vergangenheit verweisen, wie auch Zeit sichtbar nach Jahren ordnen, erlauben es ein Interface zu gestallten, welches zeitliche Ereignisse als einen geschichtlichen, aufeinander aufbauenden Prozess erfahrbar werden lässt. Dabei fügt das Interface der visuellen Ebene eine haptische und akustische Ebene hinzu. Der Betrachter erhält die Möglichkeit durch Berühren der Jahresringe den Jahresringen zugeordnete Ereignisse akustisch abzurufen.

«ZEITZEUGEN»
Im Laufe der Projektentwicklung konnte auch diese Bespielung realisiert werden. Es handelt sich hierbei um die Bespielung des kleineren Prototypen mit 16 interaktiv abfragbaren Jahresringen. Die Arbeit entstand im Rahmen einer Ausschreibung für ein neues Denkmal in Gedenken an die im Dritten Reich verfolgten Homosexuellen. Der Bau dieses Denkmales wurde 2003 von dem Bundestag beschlossen.
Das Projekt "Zeitzeugen" stellt den Baum als Zeugen der Geschichte, in den zeitlichen Kontext des Dritten Reiches. Als ein Zeitzeuge berichtet er über den Beginn der Schwulenbewegung bis zur Verfolgung der Homosexuellen im Dritten Reich. Original Tonbandaufnahmen sind dem Entstehungsjahr entsprechend zugeordnet und können durch Berühren angehört werden. Bei dieser realisierten Bespielung steht das Fällen des Baumes, der Tod des "Zeitzeugen", metaphorisch für den Holocaust. Diese Bespielung greift direkt die Metaphorik der Jahresringe direkt auf und fügt dem schon vorhandenen geschichtlichen Abbild der Vergangenheit, eine haptische und thematisch sortierte, akustische Ebene hinzu.

«A TREE FULL OF WISHES», «WÜNSCH DIR WAS...»
So wie ich in dem Projekt "Zeitzeugen" versuche, Geschichte erfahrbar zu machen, so versuche ich mit dem Projekt „wünsch Dir was...“ Gesellschaft und Alter erfahrbar zu machen. Entstanden für eine internationale Kunstausstellung mit dem Thema "The Free Will – 20 Years Glasnost" sammelte ich Wünsche, nicht oder noch nicht realisierte Visionen, Hoffnungen und Träume von Bewohnern in und um Berlin. Die Wünsche sind so geordnet, dass das Baumalter dem Alter des Interviewten entspricht. Es ergibt sich daher eine dem Ort (Berlin) zugeordnete Topographie von Lebenswünschen. Ich sehe die Lebenswünsche eng verbunden mit dem freien Willen, denn Lebenswünsche sind der Ausdruck eines Willens. In diesem Sinn versucht die Installation Einblick in die Gesellschaft und deren Struktur zu geben. Da die Installation Wünsche von einem Einjährigen bis zu einem 94-Jährigen beinhaltet, erhält der Betrachter nicht nur Einblick in unterschiedliche Leben an sich, sondern auch in die Entwicklung des Menschen vom Kind bis zum Greis.
In dieser Bespielung nehme ich Abstand von dem geschichtlichen Kontext des Baumes und versuche die Entwicklung eines Wachsens und Entwickelns, wie auch die Entwicklung der Hoffungen und Träume innerhalb einer Gesellschaft und deren Alterstruktur sichtbar zu machen. Dabei zeigt der Baum nicht mehr die geschichtliche Entwicklung einer Gesellschaft, vom Jetzt bis in die Vergangenheit, sondern eine Momentaufnahme in Berlin lebender Individuen, geordnet nach deren Lebensalter.

Technik

Technische Beschreibung

Das Interface besteht aus einem ca. 1,3 m hohen aufrecht stehenden Baumstamm. Das Stirnholz ist leicht angeschrägt und an der Oberfläche behandelt. 64 der 94 Jahresringe werden von kapazitiven Sensoren kontrolliert. Daher ist es möglich festzustellen, welcher der Ringe berührt wird. Durch einen Computer mit Lautsprechern können Sounddaten geordnet nach dem Alter des Baumes abgespielt werden.
Alle Komponenten wie Sensoreinheit, Transformatoren, Mikrocontroller, Computer und akustische Wiedergabegeräte sind im Baumstamm integriert. Durch die Verwendung der originalen Borke, welche die integrierten Komponenten abdeckt, sieht der Besucher den Stamm als eine einheitliche sprechende Einheit.

Hardware / Software

In die Oberfläche des Baumes sind 64 Drähte eingearbeitet. Jeder wird von einem eigenen kapazitiven Sensor kontrolliert, daher arbeiten im gesamten System 64 Sensoren. Um gegenseitige Beeinflussung der Sensoren zu verhindern, müssen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Ein Mikrocontroller analysiert die von den Sensoren bereitgestellten Daten mithilfe von parallelem Multiplexing und sendet sie via USB to Serial Konverter zu einem Laptop.
Ein in Lingo geschriebenes Programm empfängt die ankommenden Daten und spielt die entsprechenden akustischen Dokumente ab. Dabei ist das Programm so geschrieben, dass mehrere akustische Dateien pro Jahresring verwaltet werden können.

  • › digital sparks 2006 [link 04]
  • › Projekt Paper "wünsch Dir was...", ausführliche Dolumentation mit Bildmaterial [PDF | 200 KB ] [link 05]
  • › Detailansicht des Interface [JPEG | 113 KB ] [link 06]
  • › Dokumentationsvideo aus der Austellung "Der Frei Wille – 20 Jahre Glasnost" [22 MB ] [link 07]
  • › Innenleben des Baumes [JPEG | 110 KB ] [link 08]