Frank Schöne, Elke Dietz, Kilian Hirt

timedeco

Narration im digitalen Zeitalter

Nominiert für den
Digital Sparks Award 2003

timedeco

timedeco

Inhaltliche Beschreibung

Der Vorspann von timedeco suggeriert in seiner Knappheit mit bunter Grafik und heiterer Computermusik das Eintauchen in eine Computerspielwelt. Der Zuschauer spielt jedoch nur mit bzw. gegen sich selbst und seine(r) Wahrnehmung des Films. timedeco versteht sich nicht als interaktive Installation, sondern als Plattform und Spiegel, als ein Interface zur Echtzeit-Choreographie von Figgis.
Die technische Funktionsweise der Installation liefert eine Metapher für das gegenseitig aufeinander bezogene Verhältnis der Kontrolle zwischen Mensch und Maschine: Die Maschine muss ein Bild vom Blick des Zuschauers zur Verfügung haben, damit sich dieser durch seinen Blick ein Bild vom Gezeigten machen kann.
Die Begegnung mit timedeco löst beim Zuschauer Faszination aus. Er hat das Gefühl, den Ereignissen live beizuwohnen und kann mit seinem magischen Blick den Ablauf des Films (genauer: des Tons) steuern. Mit den Augen durchmisst er das Koordinatensystem des split-screens und erfährt im Moment des bewegten Schauens die eigene Montage der bewegten Bilder. Der schneidende Blick wird hörbar. timedeco errechnet aus der Augenspur die Tonspur. Der Tonschnitt, mit dem die Kinofassung von Timecode den Blick des Zuschauers über die Leinwand lenkt, wird aufgehoben. Auf Tonebene existiert im Kino nur ein einziger Timecode-Film. timedeco ermöglicht unendlich viele Filmversionen, durch unbewusste und bewusste Augenbewegungen entsteht auf visueller und auditiver Ebene der individuelle Film des Betrachters. Der eigene Blick erzeugt (durchaus nicht immer nachvollziehbare) Abfolgen von Gesprächsfetzen.
Die Position des Users oszilliert zwischen der eines Regisseurs, der die Kontrolle über die Dramaturgie innehat, und der eines Zuschauers, der eine (in diesem Fall selbst-) gegebene Handlung zu verstehen versucht. Es entsteht ein Spannungsverhältnis, in dem der User gleichzeitig konstruiert und rekonstruiert.
Der Zuschauer begibt seinen Kopf in eine Halterung. Die körperliche Steifheit, die für das Erleben von timedeco notwendig ist, gerät durch die Flüssigkeit des Blicks und den immerzu neu entstehenden Film in Vergessenheit.
Der Zuschauer betätigt, während der Film projiziert wird, berührungslos mit seinen Augen das Schnittpult; Sehen und Produzieren fallen zusammen. Die Geschichte zersetzt sich vor den und durch die Augen des Betrachters. Die einzelnen Handlungsstränge bekommen ihre Eigenständigkeit zurück, die sie im Dispositiv des Kinos verloren hatten. timedeco hinterfragt die Funktionsweise von Narration im digitalen Zeitalter.
Wie bei einer Überwachungsanlage kann der Zuschauer von timedeco selbständig zwischen getrennten und doch zusammenhängenden Räumen hin und her springen und erlebt gleichzeitig die Überwachung seines Blicks durch die eigenen Ohren. Auch beistehende Besucher überwachen den Blick des Users, indem sie hören.
Eye-tracker werden sowohl zur Untersuchung von Benutzer- und Verbraucherverhalten über Blickanalysen (z.B. bei Usabilitytests von Internetseiten) verwendet als auch als Interface für körperlich behinderte Menschen eingesetzt. timedeco ist Interface und Blickanalyse in einem.