Jan-Kristof Imberi

Alibi*

Innen und Außen / Beobachter und Beobachteter / Realität und Fiktion

Installation / Tresorraum Sparkasse Offenbach

Installation / Tresorraum Sparkasse Offenbach

Inhaltliche Beschreibung

Einleitung
Unser Alltag wird von Bildern bestimmt, die wir aufgrund von gesellschaftlich vermittelten Normen werten und kategorisieren und die somit zu unserem Verständnis für das Ganze / die Welt, beitragen. Wertfreies Betrachten (objektives Betrachten) soll Grundlage sein, um zu differenzieren, um nach gesellschaftlich ethisch / moralischen Gesichtspunkten zu entscheiden. Wenn man in den Anfängen der Fotografie die abgebildeten Personen als realistisches Abbild der Wirklichkeit sah, so bezeichnet man die zur damaligen Zeit nicht gekannte Authentizität dieser Abbildungen als Aura.*
Durch die technische Weiterentwicklung der Fotografie und der Erfindung des Films sind wir in der Lage, Ereignisse in zeitlicher Abfolge zu erfassen, wodurch sich die Darstellung des Einzigartigen in seiner Reproduktion verliert. Der Wunsch, Illusionen und Träume zu verwirklichen, ist so alt wie die Menschheit selbst. Wir kennen die Tricks und Effekte mit denen uns Kino und Fernsehen ermöglicht, für hundert Minuten in die synthetische Traumwelt aus Zelluloid zu versinken. Wir sind begeistert, fiebern mit den Akteuren, halten die Hände vors Gesicht, doch wir sind in Sicherheit. Der Traum ist endlich.
Wir kennen aber auch die Bilder aus Reportagen und Dokumentationen, die uns die Ereignisse in der Welt in unser Wohnzimmer bringen und gleichsam versprechen Realität zu sein. Das Bild ruckelt, das Objekt verschwindet aus dem Sucher, der Kameramann tastet sich über den von Wunden übersäten Körper eines Attentatopfers.
Wir sind ergriffen, überwältigt, live dabei.
Überwachungsbilder sind spätestens seit dem 11.09. fester Bestandteil unserer Wahrnehmung. Wir kennen sie aus dem Supermarkt, der Bank, der U-Bahnstation. Kameras sind allgegenwärtig. Sie verfolgen uns auf Schritt und Tritt. Es gibt kaum noch einen Ort an dem man unbeobachtet ist. Die gelieferten Bilder werden von uns als im höchsten Maße authentisch angesehen, deren Inhalt man, ähnlich dem Röntgenbild, scheinbar nichts entgegen setzen kann. Dabei ist die Qualität dieser Bilder meist weitaus schlechter als wir dies von Film und Fotografie gewohnt sind. Birgt diese Detaillosigkeit nicht geradezu unendliche Manipulationsmöglichkeiten? Wie kommt es, dass wir diesen Bildern solche Aussagekraft zusprechen. Millionen von Kameras überwachen Millionen von Situationen und Orte unseres alltäglichen Lebens. Sie werden aufgezeichnet auf Millionen von Videokassetten, Harddrives und von Millionen von Sicherheitsdiensten auf Millionen von Monitoren überwacht. Intelligente Kameras folgen suspekten Objekten, vergrößern und analysieren sie. Trotz modernster Technik bildet der Mensch das letzte Glied in der Kette der Überwachung. Ihm obliegt die Auswahl und die Bewertung. Er muss sich hierbei auf sein Auge verlassen. Einem Sinnesorgan, welches bereits beim Versuch einer auf zwei Bildschirmen gleichzeitig ablaufenden Handlungen zu folgen, überfordert scheint. Versuchen wir vier oder acht Bilder gleichzeitig zu erfassen, überschreiten wir die Möglichkeit unseres Wahrnehmungsvermögens. Wir beschränken uns automatisch auf ein Bild und versuchen den Informationsverlust durch Blicksprünge zu minimieren. Alibi* experimentiert mit der formalen Trennung von Bild und Ton. Die Verwendung von Überwachungsbildern ermöglicht es Dialog und Handlung räumlich voneinander zu trennen und somit real erfahrbar zu machen. Ein Versuch, szenische Handlung aus ihrem gewohnten Kontext zu lösen und in neuer Form zu etablieren. Ein Spagat zwischen Film und Installation. Der Betrachter befindet sich in einem Raum, einer Monitorwand gegenüber. Zu sehen sind acht Überwachungsbilder eines Bürogebäudes, auf denen Angestellte gerade das Gebäude verlassen. Sie treffen sich im Aufzug oder steigen in ihre in der Tiefgarage geparkten Autos. Die Kameraeinstellungen sind so gewählt, dass die handelnden Personen im ganzen Gebäude beobachtet werden können. Die Bilder sind stumm. Zu hören sind lediglich die Geräusche einer unbekannten Person. Der Betrachter befindet sich im Dienstraum des Sicherheitsmannes. Er erfährt dessen Alltag akustisch. Er nimmt seine Rolle / Position ein. Es scheint jedoch, als ob Bild und Raum keine direkte Verbindung haben. Zu sehen sind die banalen Geschehnisse eines Feierabends. Doch dann nimmt der Sicherheitsmann Kontakt zur bisher autarken Bildwelt auf. Er telefoniert. Ein Mann, der gerade im Begriff ist in sein Auto zu steigen, antwortet. Guten, Abend Herr Direktor...
Innenwelt und Außenwelt verbinden sich. Eine fremde Person betritt die Garage. Im weiteren Verlauf der Handlung verlässt der Sicherheitsmann sein Büro, um eine ausgefallene Kamera zu reparieren (Manipulation?). Er erscheint selbst im Bild. Währendessen betritt eine noch unbekannte Person den Raum. Die Zusammenhänge verschwimmen. Ein Puzzle entsteht. Der Betrachter muss sich orientieren. Er versucht Bild und Ton zusammenzufügen. Er beobachtet den Beobachter beim Beobachten.* Das Büro, in dem er sich befindet, wird realer Bestandteil der fiktiven Außenwelt. *(Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit) *(Niklas Luhman: Weltkunst).