Jan-Kristof Imberi


Alibi*

Innen und Außen / Beobachter und Beobachteter / Realität und Fiktion


Installation / Tresorraum Sparkasse Offenbach [link 01]

Installation / Tresorraum Sparkasse Offenbach

Kurzdarstellung

Kurzbeschreibung

Feierabend. Angestellte verlassen das Büro. Ein Nachtwächter tritt seinen Dienst an. Ein Direktor im Stress. Eine geheimnisvolle Unbekannte. Ein Bildausfall. -
In Alibi* werden wir zu Beobachtern aus der Sicht eines Nachtwächters.
Zu sehen sind die stummen Überwachungsmonitore, zu hören lediglich die für uns unsichtbaren Geschehnisse im Aufenthaltsraum des Sicherheitsmannes.
Ein Puzzle entsteht, dessen wichtigste Teile zu fehlen scheinen.
Gedreht in der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main; Hessen; Deutschland 2002.

KünstlerInnen / AutorInnen

  • Jan-Kristof Imberi, Regie / Kamera / Schnitt

MitarbeiterInnen

  • Tai Elshorst, Scipt / Ausstattung
  • Mario Gaetano, Sound / Effekte
  • Michael Kadelbach, Ton / Mischung
  • Nina Hecklau, Darstellerin
  • Peter Dischkow, Darsteller
  • Ernst Neisel, Darsteller
  • Olaf Finkbeiner, Darsteller

Entstehung

Deutschland, 2002

Eingabe des Beitrags

Jan-Kristof Imberi, 28.06.2003

Kategorie

  • künstlerische Arbeit

Schlagworte

  • Themen:
    • Kommunikation |
    • Konzeptuelle Arbeit |
    • Wahrnehmung |
    • Raum |
    • Medienkunst |
    • öffentlicher Raum |
    • Sicherheit |
    • Architektur
  • Formate:
    • Installation |
    • Video
  • Technik:
    • Quicktime |
    • Digitales Video

Ergänzungen zur Schlagwortliste

  • Spiegelung / Wiederholung / |
  • Multi Vision / Sehen / Übersehen / |
  • Gliederung / |
  • Begegnung / Verfehlung / |
  • Überschneidung / Rhythmus / |
  • Echtheit / Kontrolle / |
  • Austauschbarkeit / |
  • Macht / Manipulation / Destruktion / |
  • Orientierung / Verwirrung / |
  • Verbindung / Verknüpfung / |
  • Öffentlicher Raum / Architektur / |
  • Fiktion / Vision / Inszenierung / |
  • Vorstellung / Alltag / Klischee / |
  • Übersicht / Beschränktheit / |
  • Urbane Lebensbereiche / Dopplung /

Inhalt

Inhaltliche Beschreibung

Einleitung
Unser Alltag wird von Bildern bestimmt, die wir aufgrund von gesellschaftlich vermittelten Normen werten und kategorisieren und die somit zu unserem Verständnis für das Ganze / die Welt, beitragen. Wertfreies Betrachten (objektives Betrachten) soll Grundlage sein, um zu differenzieren, um nach gesellschaftlich ethisch / moralischen Gesichtspunkten zu entscheiden. Wenn man in den Anfängen der Fotografie die abgebildeten Personen als realistisches Abbild der Wirklichkeit sah, so bezeichnet man die zur damaligen Zeit nicht gekannte Authentizität dieser Abbildungen als Aura.*
Durch die technische Weiterentwicklung der Fotografie und der Erfindung des Films sind wir in der Lage, Ereignisse in zeitlicher Abfolge zu erfassen, wodurch sich die Darstellung des Einzigartigen in seiner Reproduktion verliert. Der Wunsch, Illusionen und Träume zu verwirklichen, ist so alt wie die Menschheit selbst. Wir kennen die Tricks und Effekte mit denen uns Kino und Fernsehen ermöglicht, für hundert Minuten in die synthetische Traumwelt aus Zelluloid zu versinken. Wir sind begeistert, fiebern mit den Akteuren, halten die Hände vors Gesicht, doch wir sind in Sicherheit. Der Traum ist endlich.
Wir kennen aber auch die Bilder aus Reportagen und Dokumentationen, die uns die Ereignisse in der Welt in unser Wohnzimmer bringen und gleichsam versprechen Realität zu sein. Das Bild ruckelt, das Objekt verschwindet aus dem Sucher, der Kameramann tastet sich über den von Wunden übersäten Körper eines Attentatopfers.
Wir sind ergriffen, überwältigt, live dabei.
Überwachungsbilder sind spätestens seit dem 11.09. fester Bestandteil unserer Wahrnehmung. Wir kennen sie aus dem Supermarkt, der Bank, der U-Bahnstation. Kameras sind allgegenwärtig. Sie verfolgen uns auf Schritt und Tritt. Es gibt kaum noch einen Ort an dem man unbeobachtet ist. Die gelieferten Bilder werden von uns als im höchsten Maße authentisch angesehen, deren Inhalt man, ähnlich dem Röntgenbild, scheinbar nichts entgegen setzen kann. Dabei ist die Qualität dieser Bilder meist weitaus schlechter als wir dies von Film und Fotografie gewohnt sind. Birgt diese Detaillosigkeit nicht geradezu unendliche Manipulationsmöglichkeiten? Wie kommt es, dass wir diesen Bildern solche Aussagekraft zusprechen. Millionen von Kameras überwachen Millionen von Situationen und Orte unseres alltäglichen Lebens. Sie werden aufgezeichnet auf Millionen von Videokassetten, Harddrives und von Millionen von Sicherheitsdiensten auf Millionen von Monitoren überwacht. Intelligente Kameras folgen suspekten Objekten, vergrößern und analysieren sie. Trotz modernster Technik bildet der Mensch das letzte Glied in der Kette der Überwachung. Ihm obliegt die Auswahl und die Bewertung. Er muss sich hierbei auf sein Auge verlassen. Einem Sinnesorgan, welches bereits beim Versuch einer auf zwei Bildschirmen gleichzeitig ablaufenden Handlungen zu folgen, überfordert scheint. Versuchen wir vier oder acht Bilder gleichzeitig zu erfassen, überschreiten wir die Möglichkeit unseres Wahrnehmungsvermögens. Wir beschränken uns automatisch auf ein Bild und versuchen den Informationsverlust durch Blicksprünge zu minimieren. Alibi* experimentiert mit der formalen Trennung von Bild und Ton. Die Verwendung von Überwachungsbildern ermöglicht es Dialog und Handlung räumlich voneinander zu trennen und somit real erfahrbar zu machen. Ein Versuch, szenische Handlung aus ihrem gewohnten Kontext zu lösen und in neuer Form zu etablieren. Ein Spagat zwischen Film und Installation. Der Betrachter befindet sich in einem Raum, einer Monitorwand gegenüber. Zu sehen sind acht Überwachungsbilder eines Bürogebäudes, auf denen Angestellte gerade das Gebäude verlassen. Sie treffen sich im Aufzug oder steigen in ihre in der Tiefgarage geparkten Autos. Die Kameraeinstellungen sind so gewählt, dass die handelnden Personen im ganzen Gebäude beobachtet werden können. Die Bilder sind stumm. Zu hören sind lediglich die Geräusche einer unbekannten Person. Der Betrachter befindet sich im Dienstraum des Sicherheitsmannes. Er erfährt dessen Alltag akustisch. Er nimmt seine Rolle / Position ein. Es scheint jedoch, als ob Bild und Raum keine direkte Verbindung haben. Zu sehen sind die banalen Geschehnisse eines Feierabends. Doch dann nimmt der Sicherheitsmann Kontakt zur bisher autarken Bildwelt auf. Er telefoniert. Ein Mann, der gerade im Begriff ist in sein Auto zu steigen, antwortet. Guten, Abend Herr Direktor...
Innenwelt und Außenwelt verbinden sich. Eine fremde Person betritt die Garage. Im weiteren Verlauf der Handlung verlässt der Sicherheitsmann sein Büro, um eine ausgefallene Kamera zu reparieren (Manipulation?). Er erscheint selbst im Bild. Währendessen betritt eine noch unbekannte Person den Raum. Die Zusammenhänge verschwimmen. Ein Puzzle entsteht. Der Betrachter muss sich orientieren. Er versucht Bild und Ton zusammenzufügen. Er beobachtet den Beobachter beim Beobachten.* Das Büro, in dem er sich befindet, wird realer Bestandteil der fiktiven Außenwelt. *(Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit) *(Niklas Luhman: Weltkunst).

Technik

Technische Beschreibung

Ein dunkler Raum. An der Stirnseite des Raumes befinden sich acht Monitore, die in zwei Viererreihen aufeinander gestapelt sind. Jeder Monitor besitzt einen Zuspieler, der mit den anderen synchronisiert ist. Auf jeden Zuspieler kommen zwei Lautsprecher, die über einen Verstärker angeschlossen werden. Insgesamt 16 Lautsprecher. Jeder Lautsprecher ist einer Geräuschquelle zugeordnet und im Raum positioniert. (Telefon; Zeitung; Tür; Videorecorder; etc.). Zwei Lautsprecher geben die Raumatmosphäre wieder, zwei weitere die Bewegungen der Personen im Raum. Die Laufzeit der Installation beträgt 16 Minuten und spielt in Echtzeit. Alibi* besitzt eine in sich abgeschlossene Handlung. Das Ende lässt Raum für detektivische Interpretationsmöglichkeiten.

Hardware / Software

8 Monitore mindestens 21Zoll
8 Pioneer LVR 7300 DVD-Player
Mediensteuerung
Verstärker
16 Lautsprecher

Kontext

Hochschule / Fachbereich

Hoschule für Gestaltung Offenbach am Main
Visuelle Kommunikation

URL der Hochschule

» http://hfg-offenbach.de [link 02]

Betreuer des Projekts

Prof. Heiner Blum

Kommentar des Betreuers

Jan Imberi gehört zu den profiliertesten Studenten unserer Hochschule. Er bereitet sich gerade auf sein Diplom vor. Ich kenne ihn seit seinem ersten Studientag. Seine Arbeiten waren von Anfang an stets grenzüberschreitend und respektlos gegenüber herrschenden Konventionen und Genre-Einteilungen. Bei seinem Projekt ALIBI geht es um die Schilderung szenischer Vorgänge jenseits der eindimensionalen klassischen filmerischen Erzählstruktur. Die Installation gibt dem Besucher die Möglichkeit, in der Rolle einer Überwachungsperson verschiedenste Einstellungen von Überwachungskameras innerhalb eines Gebäudes zu einem Gesamtszenario zu assoziieren.
In der Radikalität der Ordnung und der Qualität der Bilder und der bewussten Missachtung der dramaturgischen Zwänge des kommerziellen Kinos halte ich diese Arbeit für herausragend und wegweisend.

Seminar / Kurzbeschreibung

Zuordnung Forschungsbereich

  • › digital sparks 2003 [link 03]
  • › Pressephoto Frakfurter Rundschau [PDF | 69 KB ] [link 04]
  • › Fahrt durch die Installation / Tresorraum [1 MB ] [link 05]
  • › Tonausschnitt aus Alibi [183 KB ] [link 06]
  • › Alibi* Filmversion / HfG Rundgang [JPEG | 182 KB ] [link 07]