Hendrik Mallmann

being human

Ein Leitfaden für den Avatar

Nominee of the digital sparks award 2003

"being human"

"being human"

Content Description

Der Begriff "Avatar" stammt ursprünglich aus der hinduistischen Mythologie. Dort bedeutet er eine Inkarnation von Göttern in irdischer Gestalt. Bekanntestes Beispiel ist Krishna, eine der zehn Avatare Vishnus. Heute bezeichnet man mit diesem Begriff jedoch virtuelle, digitale Personen. Diese Avatare spielen mittlerweile eine wichtige Rolle als Werbeträger, Schauspieler (auch Vactor genannt, Verballhornung von "virtual actor") und Sexsymbol.
In William Gibsons 1996 erschienen Buch "Idoru" beschreibt er einen weiblichen, virtuellen Popstar. Der Idoru (jap.: virtuelles Idol) analysiert die Daten, die eine Person erzeugt und verwandelt sich in das Bild, das sich die Person ersehnt. Im gleichen Jahr stürmte Kyoko Date als Visualisierung einer unbekannten Sängerin mit ihrer CD mit dem Titel "Love Communication" die japanischen Pop-Charts. Als Firmeneigentum bekam der Avatar Kyoko Date eine Postadresse, Geburtsdatum, Hobbys und einen eigenen Fanclub. Kurzfristig erfolgreich, wurde sie später an eine koreanische Firma verkauft und verschwand schließlich in der Versenkung.
Zur gleichen Zeit erschien der erste Teil des Computerspiels "Tomb Raider" mit Lara Croft als weiblichem Hauptdarsteller. Zwar hatte es auch davor schon virtuelle Figuren in Filmen und Computerspielen gegeben, aber nun wurde erstmalig der Versuch unternommen, diese Figuren als reale Personen darzustellen und eine Identität unabhängig von einem Spiel oder einem Film zu schaffen.
Heute gibt es unzählige Avatare. Die wenigsten schaffen es, einen Augenblick im Rampenlicht des öffentlichen Interesses zu stehen. Und nur die, die es schaffen, in den Medien präsent zu sein, werden erkannt und bleiben vielleicht in Erinnerung. In Deutschland sind eigentlich nur zwei Avatare bekannt: Lara Croft und Robert T. Online.
In meiner Diplomarbeit leben die Avatare in einer Scheinwelt und sind ständig mit dem Zwiespalt konfrontiert, der sich aus Ihrer digitalen Gestalt und dem Wunsch, möglichst menschlich zu wirken, ergibt. Die Bilder sollen Avataren als Ratgeber dienen, um Menschen und deren Verhalten besser simulieren zu können. Sie zeigen sowohl Situationen, in denen sich Avatare vorbildlich verhalten, als auch Situationen, in denen Sie sehr unmenschlich wirken.
Die Bildhintergründe, die die Scheinwelt zeigen, und die Bühne, auf der Modelle agieren, sind real. Sie sind mit einer selbstgebauten Kamera fotografiert, wodurch die geringe Schärfe und die Verzerrungen entstanden. Die Scheinwelt selber sollte hell, nüchtern und unwohnlich sein. Sie sollte nur zu einem temporären Aufenthalt geeignet erscheinen und sich weder räumlich noch zeitlich zuordnen lassen. Die Motive sind sowohl im Studio als auch in öffentlichen Gebäuden (Flughäfen und Museen) entstanden. Die Bilder der Avatare wurden separat berechnet und nachträglich einmontiert. Dazu habe ich ein kurze Animation erstellt, die einen Übergang zwischen zwei verschiedenen Posen darstellt. Die Anfangs- und Endbilder sind stärker sichtbar, während die Zwischenbilder einen Wischeffekt ergeben. Dadurch wollte ich den Bereich des Films, in dem digitale Personen ebenfalls häufig vorkommen, in meine Bilder integrieren.
Für meine Bilder habe ich den Avatar Victoria 2, auch kurz Vicky genannt, verwendet. Obwohl Vicky schier unendliche Möglichkeiten bietet, durch geänderte Gesichtszüge und Proportionen ihr Aussehen zu verändern, habe ich davon nur Gebrauch gemacht, um eine den Situationen angepasste Mimik zu erzeugen. Genau wie Barbiepuppen, die sich nur durch Kleider unterscheiden, sollten sich auch die Figuren in den Bildern gleichen. Daher ist auch das Thema Individualität ein Schwerpunkt in meiner Arbeit. Weiterhin wird durch die Ähnlichkeit der serielle Charakter eines technischen Massenproduktes sowie die Möglichkeit der Kopie und Vervielfältigung ausgedrückt.
Der Titel der Diplomarbeit being human bezieht sich auf das Buch Being digital von Nicholas Negroponte. In diesem 1996 geschriebenen Buch beschreibt der Autor wie neue Technologien unser Leben und die Gesellschaft beeinflussen werden. Meine Arbeit zeigt ein anderes, mögliches Szenario: wie virtuelles Leben sich an den Menschen anpasst.