Anja Kempe


Loser Raum

Interaktive Rauminstallation


Loser Raum I [link 01]

Loser Raum I

Inhalt

Inhaltliche Beschreibung

'Loser Raum' ist eine Rauminstallation, in deren Zentrum eine große Bodenplatte liegt. An den Ecken des Bodens sind Waagen angebracht, die die Gewichtsverteilung auf dem Boden messen und den Schwerpunkt feststellen können, wenn mehrere Personen den Boden betreten. Auf den Wänden rings um die Plattform sind Bilder der Wände projiziert. Betritt man den Boden, geraten die Bilder der Projektion ins Wanken, abhängig von der Masse und dem Schwerpunkt auf dem Boden.
Der Computer wird in dieser Installation medial genutzt, aber nicht in gewohntem Sinne. Er erzeugt nicht einen virtuellen Raum, der unabhängig vom realen Raum ist, sondern einen Raum, der abhängig ist. Die Projektion kopiert die realen Wände, und der neue Sinneseindruck entsteht durch die Simulation des realen Gewichtes in der Kopie des Raumes. Die Welt, die erzeugt wird, ist also fest verankert im realen Raum.
Betritt man den (doppelten) Boden, kippt das Bild der Projektion in die Richtung, in die man sich bewegt. Es ist die Simulation eines frei schwebenden Raumes, der der Schwerkraft unterliegt. Das ist mit nichts Realem zu vergleichen, denn in der Realität sind die meisten Dinge, die sich in der Luft befinden, immer in Bewegung, weil sie sonst herunterfallen würden.
Der Bezug zur Realität ist am ehesten im Vergleich mit einem Floß zu finden, denn auch da kommt es darauf an, dass man das Gleichgewicht hält und alle, die sich auf dem Floß befinden, sind sich dessen bewusst. Der Vergleich hinkt allerdings insofern, als das Wasser das Floß trägt. In 'Loser Raum' gibt es keinen 'natürlichen' Träger. Der Widerstand gegen die Schwerkraft wird künstlich erzeugt. Es wird demnach keine reale Situation simuliert, sondern eine Fiktion bzw. die Virtualität.
Wenn man Elena Espositos Spiegelmetapher heranzieht, bei der die Virtualität beschrieben wird als ein Spiegel, der die reale Welt aus einer anderer Perspektive zeigt, so ist 'Loser Raum' eine virtuelle Situation: Man sieht den realen Raum aus unterschiedlichen anderen Perspektiven.
Die Ausgangsidee bei 'Loser Raum' war die Fiktion einer frei schwebenden Ebene. Diese Fiktion wurde mit Hilfe des Computers realisiert. Die Situation in der Installation ändert sich aber je nach Verhalten der Besucher. Der Aspekt, dass zwar eine Situation vorgegeben ist, die aber subjektiv modifiziert werden kann, ist ebenfalls ein Indiz für den virtuellen Charakter der Installation.
Wäre keine Interaktivität möglich, würde man eher von einer Fiktion sprechen, denn der Blickwinkel des 'Erfinders' wäre der einzig einzunehmende.
Die Anzahl der Blickwinkel in 'Loser Raum' hat natürliche Grenzen: Sie ist abhängig vom realen Raum, der kopiert wurde, von den technischen Möglichkeiten, einen solchen Raum zu kopieren und von den physikalischen Bedingungen, denen eine (simulierte) frei schwebende Ebene unterworfen ist. Welche Bedingungen das sind, konnte frei erfunden werden. Diese Fiktion ist das, was ein Besucher annehmen muss und was er nicht beeinflussen kann. Hier ist die Grenze der Interaktivität.
Die Situation wird durch den Einsatz der Körper interaktiv und virtuell. Ohne Körper kann in 'Loser Raum' nicht kommuniziert werden. Die Körper allein bringen die Bilder in Bewegung. Die Grenze des Körpers, die Grenze des Gewichts, ist auch die Grenze der Einflussnahme.
Die reale Realität mischt sich in die virtuelle Situation durch das Gewicht der Körper und durch die Kommunikationsform zwischen verschiedenen Besuchern. Denn diese Kommunikation geschieht direkt. Die Personen reagieren auf ihr reales Gegenüber und nicht auf eine Fiktion, wie das bei der Kommunikation via Internet der Fall ist. Es ist eine reale Kommunikation in einer virtuellen Situation.
Die Besucher kommunizieren über Körpersprache, die 'Argumente' sind die Gewichte der Körper.

Kontext

Hochschule / Fachbereich

Kunsthochschule für Medien, Köln
Medienkunst

URL der Hochschule

» http://www.khm.de [link 02]

Betreuer des Projekts

Prof. Valie Export

Kommentar des Betreuers

Anja Kempes Arbeit "Loser Raum" ist eine künstlerische Auseinandersetzung mit Raumwahrnehmung. Anja behandelt das Thema Orientierung/Gleichgewicht in einer Installation, die als "Augmented Reality" zu bezeichnen ist und in eleganter und natürlicher Weise Alltagsrealität mit Virtualität im wahrsten Sinne des Wortes zur Deckung bringt. "Loser Raum" ist eine "tageslicht"-Cave, die in ihrer spröden Ästhetik an die Minimal Art anknüpft, die sie um die Errungenschaften des Technologie-Zeitalters erweitert. Die Arbeit ist eine grundsätzliche und präzise Auseinandersetzung mit den Themen Interaktion und Virtualität. Anja Kempe hat ein flexibles System entwickelt, das sich physischen und räumlichen Gegebenheiten anpasst und sie gleichzeitig um sich selbst erweitert.
Trotz hochkomplexer Technik bleibt "Loser Raum" konkret und reduziert. Wie auch in anderen Arbeiten von Anja Kempe werden die Elemente der künstlerischen Umsetzung minimiert auf eine einfache und deutliche Aussage, die ihre Differenzierung in ihrer präzisen Umsetzung aufweist (Dämpfungsalgorithmen, Trägheitssimulation). Ihre vordergründige Einfachheit bringt die Arbeit fast zum Verschwinden.
Doch durch die selbstverständliche Interaktion entfaltet das visuelle und physische Erleben von "Loser Raum" seine ganze Poesie.

Seminar / Kurzbeschreibung

Hochschulkontext: "Loser Raum" entstand in Zusammenarbeit mit dem Lab III der Kunsthochschule für Medien. Das Interface-Labor ist der Ort an der Kunsthochschule, wo es um die Entwicklung von Mensch-Maschine-Schnittstellen und Interface-Design geht. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Entwicklung von Interfaces, die sich auf den Körper beziehen oder physisch erfahrbar sind.

Zuordnung Forschungsbereich

Medienkunst, Interface-Entwicklung

  • › digital sparks 2003 [link 03]
  • › Balance im losen Raum [JPEG | 12 KB ] [link 04]
  • › Skizze [JPEG | 19 KB ] [link 05]
  • › loser_Raum_tonlos [4 MB ] [link 06]
  • › Interaktion im losen Raum [JPEG | 50 KB ] [link 07]
  • › Skizze [JPEG | 24 KB ] [link 08]