Tina Auer


Inspire through Transpire >ITT<

Ein öffentliches Experiment entlang der Untersuchung von schwer kontrollierbaren Körperfunktionen als Auslöser für die Steuerung, Generierung und Beeinflussung audiovisueller Umgebungen und deren unverzügliche Rückführung in die individuelle Wahrnehmungsmaschinerie der Testperson.


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Inhalt

Inhaltliche Beschreibung

Es handelt sich um eine Versuchsanordnung unter Mitwirkung einer Testperson und deren willentlich nur schwer steuerbaren Körperprozessen zur Gestaltung einer audiovisuellen Umgebung. Hierbei wird die emotionale Verfassung der Testperson besonders berücksichtigt, eruiert durch die Abnahme von Hautleitwert und Pulsrate. Die Messwerte werden in Echtzeit in eine dem Computer verständliche Sprache übersetzt und in unverzüglich sichtbaren Veränderungen in der audiovisuellen Umgebung niedergeschrieben. In weiterer Folge verändern sich die Werte von Puls und Schweiß der Testperson, wodurch wiederum die Darstellung von Ton, Video und Licht beeinträchtigt wird.
Bei >inspire through transpire< handelt es sich um eine zirkular interaktive, digitale Installation, in welcher Videomaterialien bearbeitet und zusätzlich generiert werden, akustische Signale erzeugt und manipuliert werden, als auch die Wirkungsstärke einer Lichtquelle kontrolliert wird.
Die Manipulationen der jeweiligen Ressourcen werden durch die Abnahme bestimmter Teilbereiche des Biofeedbacks der jeweiligen RezipientenInnen, die sogleich auch zu ProtagonistInnen werden, hervorgerufen. Hautleitwert und Pulsrate werden die aktiven Modulationswerkzeuge der BetrachterIn sein.
Zentral ist die Sachlage, dass sich die BetrachterIn inmitten der von ihr veränderten Umwelt befinden wird. Sie ist umgeben von drei Videoprojektionen, umkreist von einem Lautsprechersystem und umarmt von einem pulsierenden Lichtmeer. Die Tatsache, dass sich die von uns wahrgenommene Umgebung, umgewandelt als Reize, meist geradewegs auf unsere emotionale Gemütslage niederschlägt, ist der Mittelpunkt dieser Arbeit; ebenso wie die Annahme von verschiedenen ForscherInnen, dass diese Emotionalität durch eine Zahl bestimmter Körpersignale messbar sei. Hautleitwert und Pulsrate in Kombination sollen mehr oder weniger verlässlich den Grad der Aufregung eines Menschen widerspiegeln, so die Behauptung, welche inzwischen in weiten Kreisen der Medizin Glauben findet.
Dieser Grad der Aufgeregtheit, bei ausgeglichener Verfassung auch Entspanntheit, hervorgerufen durch das audiovisuelle Umfeld, wird nun abgenommen, übersetzt in eine Dateninformation, welche dem vorhandenen Computersystem verständlich ist. Das Computersystem, befasst mit der Administration der Video- und Audiomaterialien bzw. deren Echtzeitmanipulation, liest diese Informationen ein und integriert sie geradewegs in die aktuellen Arbeitsprozesse. Da es sich nun um eine Echtzeitbearbeitung handelt, sind diese Umänderungen sofort in den Videoprojektionen, der akustischen Landschaft als auch in der Lichtkonstellation zu erkennen. Sprich, jene Person, welche die Abänderungsfaktoren durch den eigenen Herzschlag und den Hautwiderstand liefert, sieht unverzüglich das daraus resultierende Ergebnis.
Gesetzt dem Fall, die Behauptungen der ForscherInnen erweisen sich als richtig und die Versuchsanordnung ist korrekt vernetzt, sollten diese modifizierten Darstellungen im audiovisuellen Environment erneut zu messbaren Änderungen entlang der Körpersignale der ProtagonistIn führen.
Die sich aus diesem Rückkoppelungsmechanismus ergebende Schleife trifft die von mir angestrebte zirkulare Interaktivität. Ich als Subjekt kontrolliere das Objekt (das in sich abgeschlossene Computersystem), verändere und modifiziere es, wobei genau diese Umgestaltungen sich wiederum auswirken auf die "Beschaffenheit" meines Werkzeuges, nämlich meinen Hautleitwert und meine Pulsrate, mit welchen ich, auch mit veränderten Eigenschaften, erneut das Objekt beeinflusse.
Abgesehen von dem Anliegen eine wechselseitige Interaktionsmöglichkeit zu erreichen, ist für mich auch die Wahl des Werkzeuges, welches es mir als BenutzerIn ermöglicht in die Abläufe einzugreifen, von Bedeutung.
Das Biofeedback wird grob definiert durch jene Körperfunktionen, welche wir willentlich sehr schwer und - wenn überhaupt - nur unter größter Aufmerksamkeit gegenüber diesen Funktionen kontrollieren können. Nichtsdestotrotz ist es eine Funktion, die ohne unser Zutun permanent aktiv ist und unentwegt auf die Unzahl von Reizen reagiert, denen wir im Alltag ausgesetzt sind.
Bei >inspire through transpire< wird der Alltag nun komprimiert, ausgestattet mit drei Leinwänden, den Lautsprechern und der Lichtquelle, in einen Raum gelegt. Ähnlich wie auch in unserem regulären Leben reagieren wir auf die uns umgebenden Reize, allerdings nicht durch Taten im herkömmlichen Sinne, nicht durch Sprache, nicht durch Aktivität, sondern durch im gewohnten Dasein vernachlässigte Fähigkeiten wie dem Hautleitwert oder der Pulsrate.
Innerhalb der präsentierten Installation ist die BenutzerIn mehr oder weniger genötigt, sich mit diesen vielfach unbewussten Reaktionen auseinanderzusetzen. Bei hoher Konzentration auf den eigenen Körper, bei bewusster Steuerung und Einflussnahme auf den Grad der Entspanntheit oder der Erregtheit, ist sie in der Lage, das Geschehen, auch ohne gewohnte Mittel der Aktivität, nachvollziehbar zu kontrollieren bzw. bildhaft umschrieben, sich das eigene Umfeld dadurch zu konstruieren.
Praktische Darstellung der verwendeten Materialien und deren Erweiterungsmöglichkeiten:
Natürlich wird die RezipientIn nicht in der Lage sein frei zu konstruieren, sprich sich zu malen, was sie beispielsweise gerade denkt oder zu vertonen, was sie gerade sieht. Sie wird innerhalb der vorgegebenen Parameter, die ihr das Computersystem zur Verfügung stellt, unweigerlich eingeschränkt sein.
Sie ist einerseits begrenzt durch die im Computer vorhandenen visuellen und akustischen Ausgangsmaterialien, als auch andererseits durch die Eigenschaften und Funktionalitäten der Generierungswerkzeuge. Diese werden wie im folgenden beschrieben beschaffen sein. Als ursprüngliche Videoquelle wird das eigene Abbild der Testperson dienen. Als Lifefeed wird dieses Bild durch einen Computer auf die mittlere Leinwand geworfen, also frontal im Blickfeld der ProtagonistIn. Irritiert werden kann das Selbstportrait auf dieser Leinwand durch die der Testperson abgenommene Pulsrate. Links und rechts davon werden sich zwei weitere Projektionsflächen befinden, welche durch den Hautleitwert manipuliertes Bildmaterial, ebenfalls ausgehend vom Ebenbild der BenutzerIn, darstellen.
Die Tonquelle, welche durch ein Lautsprechsystem den Raum erfüllt, ist unmanipuliert als nicht schwankende einzelne Note zu vernehmen. Ähnlich wie auch beim Licht, wird sich die akustische Veränderung erst einstellen, alsbald die Testperson via Pulsrate eingreift.
Das Licht wird nur geringfügig modifizierbar sein, es soll nur durch farbiges Pulsieren das Environment sozusagen vollenden und die Geschwindigkeit des Herzschlages repräsentieren.
Das akustische Signal wird ebenso nur unmittelbar mit der Pulsrate in Verbindung stehen. Je nach Geschwindigkeit werden Schwankungen, Lautstärke und Überlagerungen des Tons kontrollierbar sein.
Ein mögliches, wünschenswertes Szenario: Ich sitze in einem gemütlichen Sessel, direkt vor mir sehe ich mich auf einer großen Leinwand selbst, links und rechts daneben erkenne ich abermals das - allerdings auf eine einfarbige Silhouette reduzierte - Abbild meiner selbst. Jede Bewegung die ich mache ist wiederzuerkennen, zeitverzögert zwar, aber ersichtlich. Das Portrait in der Mitte beginnt sich aufzulösen, zerbricht, vervielfältigt sich, verwischt. Die Steigerung meiner Pulsrate verursacht diese Reaktion. Die beiden anderen Leinwände bilden mich noch immer als Gesamtes ab, ohne die Irritationen der mittleren Projektion. Allerdings kommt es zu einer zusätzlichen Ebene, mein Abbild wird überlagert, geometrische Störungen tanzen scheinbar beliebig über mich hinweg. Mein Hautleitwert konstruiert diese Geometrien. Die Audioumgebung beruhigt sich um mich herum, mein eigenes Ebenbild vor mir ist unkenntlich, fast vollständig zerstört, das Licht rast in einem stressvollen Tempo. Ich will mein reales Abbild wieder zurückerobern, konzentriere mich auf die Reduktion meiner Pulsrate, genieße die entspannende akustische Untermalung im Raum. Es gelingt langsam, das Bild vor mir setzt sich träge wieder in mich selbst zusammen, die Geometrie mit welcher ich bei den anderen Leinwänden überlagert bin wird geschmeidiger und weicher, das frenetische Hämmern des Lichtes wird sanfter und geht über in ein entspannendes Fließen. Gegengleich zur Erholung der visuellen Komponenten im Raum wird die Akustik allerdings wieder nervöser, schrille Töne jagen an meine Ohren, disharmonische Klänge belegen die Lautsprecher, mein Versuch der Entspanntheit leidet darunter enorm. Daraus folgend steigt meine Pulsrate, erkennbar durch die erneute Zerstörung meines Ebenbildes auf der Leinwand vor mir. Das Portrait verwischt aufs neue, die Vektorgrafiken an den Leinwänden daneben werden wieder aufdringlicher, härter und schneller in ihrer Entstehung, die Tongestaltung dagegen wieder friedlicher.

Kontext

Hochschule / Fachbereich

Universität fuer Gestaltung Linz
experimentelle visuelle gestaltung

URL der Hochschule

» http://www.ufg.ac.at [link 02]

Betreuer des Projekts

Mag. Hubert Lobnig

Kommentar des Betreuers

Tina Auer gelingt es seit Jahren und speziell auch mit dieser neuen Arbeit "Inspire through Transpire", einen Bereich, der zwischen Medizin, Körper- und Psychotrainings, New Age Phantasie und Kunst angesiedelt ist, in intelligenter und ironischer Form zu bearbeiten.
Sie nützt dabei neue Technologien, mit denen sie auch sehr virtuos gelernt hat zu arbeiten (oft auch in Kombination mit antiquierter Technik). Sie betreibt ernsthafte Forschung, die in Ihrem Auftreten eine Vielzahl von Reflexion verschiedener Vorgänge ermöglicht und wichtige Fragen aufwirft. Es macht aber auch Spaß (und Streß), wenn Frau/Mann Ihre Installation einfach benutzt.



Seminar / Kurzbeschreibung

Das Intermediäre Labor, in dem die Arbeit entstanden ist, ist eine meiner Lehrveranstaltungen, die künstlerische Konzepte mit wissenschaftlichen
Vorgangsweisen in Verbindung bringen. Ethnographische, medizinische, mathematische u.a. Methoden wurden vorgestellt/untersucht und von einer Gruppe von StudentInnen in ihren künstlerischen Arbeiten in unterschiedlicher Art und Weise angewendet. Die Medien waren unbeschränkt.

Zuordnung Forschungsbereich

Intermediäres Labor zwischen den Medien und Forschungsbereichen experimentelle Gestaltung und Kunst

  • › digital sparks 2002 [link 03]
  • › schriftliche arbeit fuer ITT [PDF | 305 KB ] [link 04]
  • › public experiment june02 [111 KB ] [link 05]
  • › tek behind the curtain [101 KB ] [link 06]
  • › another public experiment [99 KB ] [link 07]
  • › listen to your heartbeat [66 KB ] [link 08]
  • › Schema des Datenflusses [24 KB ] [link 09]