Martina Höfflin

Chaotische Navigationssysteme

Content Description

Aus den Visionen von assoziativer Speicherung und der Idee, ein ausfallsicheres Computernetz zu entwickeln, wurde ein globales Kommunikationssystem, das heute größtenteils von marktwirtschaftlichen Kriterien bestimmt wird: Das World Wide Web. Nur noch selten wird die Ursprungsidee von anarchistischer und nichtkommerzieller Verbreitung von Informationen, Software und Kunst verfolgt. Herkömmliche Medien, das Design grafischer Benutzeroberflächen und kommerzielle Ansprüche beeinflussen stark die Entwicklung der Oberflächen des World Wide Web. Starre hierarchische Strukturen bestimmen die Ablage von und den Zugriff auf Informationen. Die meisten Internetseiten sind nahezu identisch mit sogenannten Links/Oben-Navigationen realisiert und so zur Konfektionsware des Internet geworden. Der Ursprungsgedanke des Hypertext wird dabei nur noch wenig unterstützt, die Kapazitäten der digitalen Informationsspeicherung und des neuen Mediums kaum noch beachtet. Die Nachteile, die durch subjektive Kategorien und standardisierte Oberflächen entstehen, werden wohlweislich übergangen, das Potential des World Wide Web und die Kreativität des Benutzers übersehen. Die Navigation erfordert ständig "entweder-oder" Entscheidungen, ohne dass dem Benutzer Alternativen geboten werden, um seine eigenen Vorlieben und Varianten bei der Suche nach Information zu benutzen, geschweige denn einen Überblick über die Gesamtheit der Informationen zu bieten. Ein intuitives, emotionales "Stöbern" wird unterbunden. Dadurch wird die Suche und das Navigieren durch die komplexen Informationsräume ineffizient und langweilig, um nicht zu sagen unmenschlich. Um eine Alternative zu den starren und subjektiven Hierarchien zu finden, bieten Erkenntnisse aus Naturwissenschaften erstaunliche Theorien, aus denen Ansätze für parallele "sowohl-als-auch"-Navigationen abgeleitet werden können. Aus Quantenphysik, Chaostheorie, Gehirnforschung, KI-Forschung, Psychologie und Informationstheorie werden von uns folgende Eigenschaften extrahiert und auf ihre Anwendbarkeit auf Navigationssysteme im World Wide Web untersucht: Ganzheitlichkeit, Entstehung, Parallelität, Beeinflussbarkeit, Anpassungsfähigkeit, Unbestimmtheit, Kreativität. Dabei soll der Benutzer als kreatives und emotionales Individuum und nicht die Technik im Vordergrund stehen. Durch diesen neuen Ansatz wird versucht, Navigation im Internet effizienter und kreativer zu realisieren und dabei die neuen Technologien adäquat zu nutzen. Ein "Chaotisches Navigationssystem" wird begründet, definiert und prototypisch realisiert. Dieses System hat den Anspruch individuell modifizierbar zu sein und den Benutzer herauszufordern, statt ihn zu langweilen. Linearität und Starrheit wird zugunsten von Überblick und Flexibilität verbannt und die Navigation im World Wide Web dem Ursprungsgedanken des Hypertext wieder näher gebracht.