Gesche Joost

Rhetorik der Audio-Visualistik

Entwicklung eines visuellen Analyse-Instrumentariums multimedialer Rhetorik 2001

Nominiert für den
Digital Sparks Award 2001

Inhaltliche Beschreibung

Rhetorik der Audio-Visualistik Rhetorik der Audio-Visualistik Entwicklung eines visuellen Analyse-Instrumentariums multimedialer Rhetorik. Unsere Arbeit ist in das Feld der Audio-Visualistik einzuordnen, die nach Heike Sperling als "wissenschaftliche Betrachtung und Analyse der vermittelnden Medien" definiert wird. Diese Analyse erfolgt in unserem Kontext jedoch nicht auf klassisch wissenschaftliche Weise durch Begriffsdefinitionen und schriftliche Erörterungen, sondern durch eine analytische Veranschaulichung. Diesbezüglich entwickelten wir ein Zeichensystem, das im Rahmen eines Notationsfeld angewendet wird. Es dient der Visualisierung der Struktur und Stilistik von Filmen als klassisches Multimedium, das über verschiedene Informationskanäle gleichzeitig kommuniziert. Es wird im wesentlichen versucht, die Entwicklung der einzelnen Informationskanäle, auf die der Film zurückgreift, aufzuzeichnen sowie in ihrem Verhältnis zueinander zu bestimmen. Zielsetzung dieses Analyse-Tools ist es, eine Reflexion und Durchdringung multimedialer Produkte zu ermöglichen, die den Designer als reflektiert Handelnden ausweist. Das Bezugsfeld Zur Definition des wissenschaftlichen Feldes und zur Konzeption des Notationsmodell beziehen wir uns zunächst auf folgenden theoretische Konzepte der Semiotik: Theorien zur Text-Bild-Beziehung, Ansätze zur Bildgrammatik, Elemente der Werbesemiotik sowie Grundlagen der Filmsemiotik. Die Rhetorik stellte das zweite theoretische Bezugsmodell dar, das aufgrund seiner Benennung von Stilformen maßgeblich zur Identifikationen von kanalinternen und kanalübergreifenden Stilformen (Mikro- und Makrofiguren) innerhalb des Films herangezogen wurde. Zudem bildet der rhetorische Kode eine wesentliche Kategorie des stilistischen Kodes von Multimedia, den wir zur Durchdringung und medienspezifischen Analyse postulieren. Im stilistischen Kode wird neben der Rhetorik sowohl die technische Verfaßtheit des Mediums als auch dessen Narrationsaufbau und Dramaturgie benannt. Eine weitere Bezugsquelle stellen bereits bestehende Notationsmodellen aus den Bereichen der Musik und der Bewegung (Tanz und Fechten) dar, die wir hinsichtlich der Abbildung von Dynamik und Zeitlichkeit sowie der Zeichenentwicklung analysiert haben. Aus diesen Notationsbeispielen haben wir weitere grundlegende Parameter für unser System abgeleitet. Das Notationssystem Das Notationsfeld gliedert sich grob in drei Spuren: die auditive, die visuelle sowie die Korrelationsspur. Letztere benennt die Korrelation der auditiven und visuellen Spur in drei Kategorien: konvergent (Sound und Bild stimmen in der Aussage überein), divergent (Sound und Bild widersprechen sich in ihrer Aussage) und komplementär (Sound und Bild verstärken sich in ihrer Aussage und determinieren sich maßgeblich). Durch diese Benennung wird die relationale Interpretation der Spuren deutlich. Die Notation orientiert sich am Bild-Schnitt-Kanal, der die Abfolge der filmischen Einstellungen widerspiegelt. Die übrigen Spuren (wie etwa Schärfe, Geräusch, Dialog, Bilddynamik etc.) werden relational dazu abgetragen. Der visuelle Zugang Die Notation wurde anhand von verschiedenen Werbefilmen auf ihre Anwendbarkeit hin empirisch überprüft und in der praktischen Anwendung erweitert. Am Ende dieses Prozesses steht nun eine umfassende Deklination von Zeichen für die unterschiedlichen auditiven und visuellen Spuren, die wir als Ansatz verstehen, um eine visuelle Heuristik für die Interpretation multimedialer Rhetorik zu formulieren. Eine solche Herangehensweise stellt insgesamt einen designspezifischen Zugang zur Erschließung und Reflexion filmischer Gestaltungspraxis dar, da sie explizit einen visuellen Zugang wählt. Das entwickelte System wird im Kontext unserer Arbeit in einem Ausblick in seiner Anwendbarkeit auf digitale Medien skizziert und beschreibt damit einen Anknüpfungspunkt für weitergehende Forschung. Der parasitäre Ansatz Insgesamt verstehen wir unsere Arbeit als ein methodisches Modell, das einen Gegenentwurf zur Auffassung des Designers als rein intuitiv Handelndem formuliert, da alle in das Notationssystem einfließenden Aspekte genuin lokalisierbar und benennbar sind. Unsere Herangehensweise stellt einen "parasitären Ansatz" dar- parasitär in dem Sinne, daß die Anleihen aus externen Theorie und Praxisfeldern auf unsere praktische Aufgabenstellung hin transformiert und selektiert worden sind. Dieser Ansatz kann als Beispiel für eine designspezifische Methodik stehen, die sich durchaus als gleichwertiges Möglichkeit zur Erkenntniserschließung neben die etablierten Strukturen von Wissenschaftlichkeit stellen läßt.