Joanne Moar

Becoming German

Eine interaktive Online-Datenbank zur Untersuchung einer typischen deutschen Kindheit.

Winner of the digital sparks award 2006

Mit dem "Mobilen Info-Modul" in Iserlohn unterwegs, Juni 2005  (Foto: Nadine Minkwitz)

Mit dem "Mobilen Info-Modul" in Iserlohn unterwegs, Juni 2005 (Foto: Nadine Minkwitz)

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Content Description

„Wir Migranten sind die Fenster, durch die die Einheimischen die Welt sehen können.“
(Vilém Flusser, Von der Freiheit des Migranten, S. 8)

Als ich in Neuseeland aufwuchs, habe ich gelernt, Sätze wie „Proud to be a Kiwi“ zu sagen. Mich als „Kiwi“ – das neuseeländische Wappen-Tier – zu bezeichnen, war für mich damals völlig normal. Erst in Deutschland habe ich erfahren, dass ein nationales Selbstbewusstsein keine Selbstverständlichkeit ist. Als dann die Debatte um die deutsche Leitkultur im Herbst 2000 entfachte und ausgehend von meinen eigenen Erfahrungen in Deutschland fing ich an, eine eigene Definition von „deutsch werden“ künstlerisch auszuarbeiten. Das daraus entstandene Projekt ist „Becoming German“ und besteht in der jetzigen Form und Gestaltung seit November 2004.

Die Datenbank fungiert als „Börse“ für „deutsche“ Kindheitserinnerungen im Internet. Hier werden subjektive Erinnerungen von in Deutschland aufgewachsenen Personen gesammelt und in der Online-Datenbank gespeichert. Diese individuellen Erinnerungen können dann anhand von Eckdaten (beispielsweise Geburtsdatum, Lieblingshobby, Familien- und Wohnsituation etc.) in neuer Zusammensetzung wieder abgerufen werden. Diese Funktion ist in erster Linie für diejenigen gedacht, die nicht in Deutschland aufgewachsen sind, damit sie erfahren können, wie eine Kindheit in Deutschland gegebenenfalls gewesen wäre. Möglichkeiten der Integration und des kulturellen Austausches werden hier durch das Medium Internet untersucht.

Die Datenbank ist eine prozesshafte Arbeit – sie wächst mit jedem neuen Eintrag. Die Treffgenauigkeit der Datenbank ist darauf angewiesen, dass möglichst viele Einträge von möglichst vielen Personen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten und Gegenden Deutschlands gesammelt werden. Um das Projekt an die Öffentlichkeit zu bringen, bin ich im Sommer 2005 mit dem eigens dafür angefertigten "Mobilen Info-Modul" (ein Holzwagen mit Klapptisch und Stühlen) „Auf Wanderschaft“ durch unterschiedliche Städte und Regionen Deutschlands gegangen. Im Sinne der mündlichen Überlieferung habe ich Personen, die in Deutschland aufgewachsen sind, aufgefordert, Fragen zu spezifischen Kindheitserinnerungen zu beantworten.

Durch die Nutzung der Datenbank im Internet und durch die Aktionen in den Städten sind Erinnerungsräume sowohl im virtuellen als auch im öffentlichen Raum entstanden.