Nina Roeder

OSMOS

Videoinstallation

Ausschnitt OSMOS

Ausschnitt OSMOS

University / department

Universität Bayreuth
Theater und Medien

University URL

» http://www.theaterwi…dienperformances.html

Project supervisor

Dr. Martina Leeker

Supervisor commentary

Die Videoinstallation "OSMOS" von Nina Röder entstand im WS 05/06 im Seminar “Projekte im Digitalen Studio” (s.u.) und wurde während einer Präsentation zum Semesterende erfolgreich vorgestellt. Es handelt sich um ihre praktische Abschlussarbeit im BA Theater und Medien.

Die Videoinstallation ist ein sehr aufwendiges Projekt, für das Nina Röder zum einen auf ihre Vorarbeiten in den Bereichen Experimentalfilm, digitaler Film- und Tonschnitt sowie Videoinstallation zurückgreifen konnte, mit denen sie zu Beginn der Arbeit an ihrem Projekt seit 2 Semestern arbeitete. Zum anderen musste sie sich völlig neu in Animationstechniken einarbeiten, was ihr sehr schnell und technisch und ästhetisch präzise gelungen ist.

Bemerkenswert ist an Nina Röders Projekt die äußerst feinsinnige und sensible Reflexion von (1) medientechnisch induzierter Wahrnehmung sowie von (2) Identitätsstiftungen in anthropomorphen Technikgeschichten des Menschen.

Die Videoinstallation "OSMOS" thematisiert erstens die medientechnisch bedingte, illusionistische Konstruktion von Raum und Zeit in elektronischen Bildmedien, die vor allem durch Montage und Kameraeinstellungen hergestellt wird. Die im Film auf diese Weise entstehende Illusionierung der Wahrnehmung des Betrachters wird in der Installation, konzeptuell sehr pointiert durchdacht, durch eine von der Autorin behauptete und etablierte technische Materialität von Monitoren ausgestellt und unterlaufen, die vom Vakuum der Bildröhren und deren Gehäuse ausgeht. Während in der “Filmwelt” Räume als Begrenzungen inszeniert werden, unterliegen die “Monitorwelten” den physikalischen Gesetzen der Schwerelosigkeit und der “Nicht-Örtlichkeit”. Indem Nina Röder diese beiden Gesetzlichkeiten zunächst gegenüber stellt und schließlich vermischt und die animierten Holzpuppen diesen ausliefert, werden zwei medial konstituierte und gestützte Welten aneinander in Widerspruch und Konflikt gebracht und letztlich enttarnt.

Es entsteht eine mediale Reflexion mittels der Medien und an diesen selbst. Indem sie auf ihre Technizität und Konstruktivität zurückgeworfen werden, es sollte nicht vergessen werden, dass sowohl der vermeintlich reale filmische Raum als auch der vermeintlich für die Puppe physisch existente Monitorraum Illusionen und Effekte medialer Strategien sind, kann der Betrachter des-illusioniert und auf den realen physikalischen Raum leiblich erfahrbarer Räumlichkeit und Zeitlichkeit zurückbezogen werden. Dieser Rückbezug kann nur gelingen, indem Nina Röder in ihrer Installation sehr geschickt eine Strategie der Identifikation und Identitätsbildung anwendet, die sowohl im Theater als auch im Film eine Heimat hat. Die animierten Puppen sind nach einigen zentralen Regeln der Mime inszeniert und choreografiert, die die technischen Bewegungen zu szenischen Situationen mit Aktion und Reaktion, gar mit Emotion werden lassen. Dadurch erscheinen sie lebendig, im wahrsten Sinne des Wortes “animiert”, und der Betrachter frönt einer kulturell trainierten Tätigkeit, nämlich der Identifikation mit einem technischen Gebilde oder einer Maschine, indem er diese als menschliche Wesen denkt bzw. sich selbst als fremdes, technisches Etwas. Erst mit dieser Identifikation qua Anthropomorphisierung wird der Bezug des Betrachters auf seine leibliche, physikalische Wirklichkeit und damit die Desillusionierung und De-/Konstruktion der künstlichen Welten ermöglicht: Er geht gleichsam, sich identifizierend, mit seinem Körper mit der Puppe mit und begreift zugleich in ihrem paradoxen, zwei unterschiedlichen Gesetzlichkeiten gehorchendem Fall, deren Konstruiertheit sowie die Unmöglichkeit des eigenen, leiblichen Flottierens in elektronischen Apparaten und den in ihnen konstruierten illusionären Welten.

Diese Identifikation hat aber noch eine weitere, wichtige Wirkung. Mit ihr wird zweitens zugleich eine kulturelle Technik der Identitätsfindung sowie der Bestimmung des Anthropologischen entlarvt, in der der Mensch sich aus dem Bezug zu Technik, vor allem zu Maschinen, konstituiert. Nina Röder macht nicht schlicht einen immersiven Animationsfilm. Vielmehr bleibt die Puppe seltsam hölzern und fremd, die Mime wird nur angerissen, gleichsam zitiert, und der Ton wird nicht illustrierend zu den vollführten Gängen, Sprüngen und Stürzen eingesetzt und als so genannter emotionaler Teppich genutzt. Im ständigen Scheitern der Identifikation wird der Betrachter vielmehr in seiner Sehnsucht nach Spiegelung und Mitleiden gekränkt und damit die Illusion der Mensch-Technik-Symbiose ent-täuscht.

Nina Röder gelingt es folglich die zu erforschende Reibung von Performance/ Theater und elektronischen Bildmedien (s.u.) in besonderer Weise zu nutzen. Indem sie mediale bzw. theatrale Techniken und Strategien nur anreißt und in einer sich aneinander entlarvenden Weise montiert, wird eine Ästhetik der Ent-Täuschung möglich.

Course abstract

Die Arbeit an Projekten zu Theater/Performance und Installationen mit Video und Computer wird im Rahmen der Juniorprofessur Theater und Medien im gleichnamigen BA im fakultativen Lehrbereich “Projekte im Digitalen Studio” angeboten. Die Studierenden erhalten hier ein Angebot, zusätzlich zu ihren obligatorischen, an der Grundlagenausbildung zu Fernsehen und Internet orientierten Seminaren, praktische und theoretische Qualifikationen im Studien- und Arbeitsbereich ”Theater und Medien” bzw. ”Medienkunst” oder ”Experimentelle Medienarbeit” zu erwerben. Grundlage ist zum einen der Umgang mit Max/MSP/Jitter, der in Lehrkooperation mit Jeremy Bernstein und Martin Slawig vermittelt wird. Zum anderen basieren die Projekte auf einer Ausbildung im Experimentalfilm in Lehrkooperation mit Dominik Busch.

Die Arbeit entstand in den “Projekten im Digitalen Studio” im Wintersemester 2005/ 2006 zum Thema BODIES: “Der Körper ist in je unterschiedlicher Weise zentraler ‚Angriffspunkt‘ des Theaters sowie elektronischer Medien (der Körper im elektronischen Bild, der Körper als Interface zu digitalen Technologien). Im Mittelpunkt des Seminars steht die Auseinandersetzung mit Techniken und Ästhetiken Körper und Medien zu verbinden. Welche Möglichkeiten ergeben sich (1) aus der Konstruktion des Körpers in elektronischen Bildern? Wie kann (2) der Körper als Datengeber für den Computer dienen, was kann der Rechner mit diesen Daten anfangen und welche Möglichkeiten ergeben sich in der Interaktion mit dem Computer für Theater/ Performance?”

Relation to the research area

Lehre und Forschung zu Performances und Installationen mit Computer und Video finden im Rahmen der Juniorprofessur Theater und Medien im gleichnamigen BA an einer geisteswissenschaftlichen Fakultät statt (Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth). Die Arbeit umfasst performative, filmische und installative Projekte mit Video und Computer. Im genannten Kontext kann die Arbeit weder einer genuin technischen noch einer genuin künstlerischen Ausbildung dienen. Den Studierenden sollen vielmehr durch die eigene Praxis mit Medienkunst theoretische, ästhetische und technische Grundlagen vermittelt werden, die sie dazu befähigen, als “Content Giver” (z.B. Dramaturgen, Redakteure, Journalisten,
Kulturmanager, Produzenten) im genannten Bereich tätig zu werden. Vor diesem institutionellen und curricularen Hintergrund steht in der Arbeit mit Medienkunst und Performance in der Juniorprofessur die Medienreflexion im Vordergrund. Ziel ist, die Studierenden zu einem medienreflexiven Konzipieren und Gestalten anzuleiten und sie derart zu einem kritischen und innovativen, d.h. gängige Formate reflektierenden Gebrauch von Medien zu befähigen.
Diese Ziele zu erreichen, werden drei Methoden angewandt und erforscht:

1. Schwerpunkt in der Juniorprofessur ist die Experimentelle künstlerische Medienarbeit. Der Fokus liegt je bei einer reflexiven Auseinandersetzung mit Medientechnologien und deren kulturellen Auswirkungen. Mit Mitteln experimenteller, d.h. die technischen Materialitäten von Medien fokussierender, künstlerischer Arbeitsweisen wird eine kritische und humorvolle Reflexion von Monitoren, Video, Computer und Internet konzipiert und umgesetzt.

2. Um die medienreflexive Arbeit zu ermöglichen, wird die praktische Arbeit mit theoretischen Grundlagen zu Geschichte, Theorie und Epistemologie von Computer, Theater als Mediengeschichte sowie von elektronischen Bildmedien unterfüttert.

3. Als besonderes Mittel der Medienreflexion wird die Konfrontation von Computer und elektronischen Bildmedien mit theatralen und performativen Techniken erprobt und erforscht. Der forschungsleitende Gedanke ist, dass gerade in dieser Begegnung äußerst unterschiedlicher Techniken und Technologien deren je eigene mediale Spezifik herausgearbeitet werden kann. Auf diese Weise kann ein medienreflexives Arbeiten entstehen, das die Strategien der Medien, Wirklichkeiten und Wahrnehmung zu generieren, in der Art der Gestaltung der Projekte sichtbar und wahrnehmbar werden lässt.