Jan Buchholz, Jonathan Klein


coJIVE - Ein Softwaresystem für computergestützte Jazzimprovisation

coJIVE ermöglicht es, einem breiten Publikum, gemeinsam aktiv an einer Jazzsession teilzunehmen, ungeachtet ihrer musikalischen Vorbildung


coJIVE - collaborative Jazz Improvisation Environment [link 01]

coJIVE - collaborative Jazz Improvisation Environment

Kurzdarstellung

Kurzbeschreibung

Jazzimprovisation, die Kunst Melodien in gemeinschaftlichen Sessions aus dem Stehgreif zu erfinden und zu spielen, ist eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit. Mit "coJIVE" haben wir ein Softwaresystem entwickelt, das dies auch ungeübten Person ermöglicht. Es gleicht durch gezielte Unterstützung die fehlende Vorkenntnis und Erfahrung der Nutzer aus und reichert ihr Spiel an. So können auch musikalische Anfänger harmonische und ansprechende Performances erschaffen.

Zeitgleich strukturiert "coJIVE" die Session und stellt alles dafür Nötige bereit: Das System erzeugt eine einfache Begleitung als Grundlage für die Improvisationen. Zudem weist es den Nutzern dynamisch wechselnde Rollen als Solist oder Begleitung zu, und regelt so den Ablauf. Wir hoffen, mit "coJIVE" auch musikalisch ungeschulte Personen dazu ermutigen zu können, die Jazzimprovisation auszuprobieren.

KünstlerInnen / AutorInnen

  • Jan Buchholz, RWTH Aachen
  • Jonathan Klein, RWTH Aachen

MitarbeiterInnen

  • Eric Lee, RWTH Aachen

Entstehung

Deutschland, 2004-2005

Eingabe des Beitrags

Jan Buchholz, 09.02.2006

Kategorie

  • Forschungsprojekt

Schlagworte

  • Themen:
    • Musik
  • Formate:
    • multi-user
  • Technik:
    • Midi

Ergänzungen zur Schlagwortliste

  • Mensch-Maschine-Interaktion

Kontext

Hochschule / Fachbereich

RWTH Aachen
Informatik

URL der Hochschule

» http://www.rwth-aachen.de [link 02]

Betreuer des Projekts

Prof. Dr. Jan Borchers

Kommentar des Betreuers

"coJIVE" ist ein System für das gemeinsame Jazzmusizieren. Es basiert auf einer Idee, die ich selbst das erste Mal 1997 im "WorldBeat"- System in einer äußerst vereinfachten Version umsetzte. Damals konnte ein Spieler zu einem vorgegebenen Bluesstück selbst mit zwei elektronischen Schlägeln auf einem virtuellen Vibraphon improvisieren; seine musikalischen Eingaben wurden dabei auf die aktuelle Harmonie hingebogen. "coJIVE" stellt eine viel umfassendere Arbeit dar, die diese Idee aufgreift und komplett neu umsetzt. Hier können zwei Spieler zu einer Jazzbegleitung spielen, und das System korrigiert nicht nur die melodischen Eingaben jedes Spielers, sondern stimmt auch die Eingaben der beiden Spieler untereinander ab; so bietet es beispielsweise Unterstützung bei der im Jazz so wichtigen Rollenaufteilung zwischen Solist und Begleitung, die sich im Verlauf einer Performance immer wieder ändert. Im Ergebnis stellt "coJIVE" ein System dar, das Menschen eine bislang unmögliche Erfahrung beschert: Sie improvisieren zu Jazz - und obwohl sie ein "echtes" Instrumenten-Spielgefühl haben, entsteht Musik, die anhörbar ist! Mit anderen Worten: Sie improvisieren ohne Angst vor falschen Noten. (Oder ganz kurz gesagt: Lionel Hampton sein in drei Minuten).

Was ist an diesem Projekt so besonders? Zunächst die oben bereits erwähnte Gelegenheit, Menschen eine ganz neue Erfahrung zu vermitteln. Zweitens die äußerst sorgfältige Linie, mit der dieses Projekt die Balance zwischen Computerkontrolle und menschlicher Initiative hält: Der Mensch lenkt, der Computer unterstützt. Bei allzuvielen anderen modernen Multimediaprojekten übernimmt der Computer selbstherrlich die Kontrolle, generiert, agiert und läßt den Menschen dabei als Startknopfdrücker passiv stehen. Das ist eine Form von Kunst mit dem Computer; mir gefällt die menschenzentriertere Sicht von "coJIVE" besser.

Drittens ist der erstaunliche Tiefgang dieses Systems zu bewundern: Wo "WorldBeat" lediglich ein paar feste Akkord-zu-Noten-Abbildungen enthielt, setzt "coJIVE" eine komplette Jazztheorie in seiner Modellierung um. Hier wurden nicht ein paar oberflächliche musikalische Tricks implementiert, sondern die verbreitetste Jazz- Grundtheorie der Berklee School Of Jazz in ein Improvisation Guidance System umgesetzt. Aber nicht nur die harmonische Dimension, sondern auch die melodische (spezielle Notenfolgen aus der Jazzlehre) sowie rhythmische Besonderheiten und viele weitere Aspekte dieser Musikrichtung wurden im Design berücksichtigt. Dies führte zu einem System, das nicht nur dem amüsierten Laien, sondern sogar einem Musiker mit Jazzerfahrung noch etwas Neues bieten kann. Ich erlebte dies selbst, als ich das System bei einer der Vorführungen ausprobierte: Auf einmal durch behutsame Unterstützung neue und bessere 4-Note-Voicings zur Melodie zu greifen, war auch für mich als angehender Jazzpianist ein tolles Erlebnis.

Schließlich wurde auch bei der technischen Umsetzung der Benutzerschnittstelle sehr gut gearbeitet und das System beispielsweise neben dem Graphical User Interface mit zusätzlichen, physikalischen Anzeigen (wie einer Solo/Comping-LED) für die improvisierenden Jazzer ausgestattet. Ein weiteres Indiz für eine task- und benutzerzentrierte, sinnvolle Multimediaarbeit. Dies wurde auch durch die Auszeichnung von "coJIVE" mit dem "Europrix Top Talent Award 2005 Quality Seal" bestätigt.

Seminar / Kurzbeschreibung

Das System entstand in einem Rahmen, der für mich selbst als Experiment zählte - und erfreulicherweise überaus erfolgreich war: Zwei Informatikstudenten, einer mit Expertise im User Interface Design, einer mit professionellen Kenntnissen in der Jazzlehre, fanden sich für dieses Projekt als Diplomarbeits-Team zusammen.  Ueber insgesamt neun Monate befragten, entwarfen, implementierten, testeten, verwarfen und reimplementierten die beiden das "coJIVE- System" in einem Prozeß, der als vorbildlich gelten darf: In gleich mehreren interaktiven Zyklen von Entwurf, Implementierung und Evaluierung mit Benutzern stellte das Team immer wieder sicher, dass sie sich weiterhin auf dem richtigen Weg befanden, was die Funktionalität und Benutzerschnittstelle von coJIVE anging. Es freute mich, daß die beiden diese Designprinzipien, die in unseren Vorlesungen vermittelt werden, so gut und erfolgreich umsetzten - und das Endprodukt profitierte davon ganz eindeutig, wie man in Herrn Buchholz' Ausarbeitung lesen kann, die die einzelnen Prototypen sehr klar dokumentiert.

Zuordnung Forschungsbereich

"coJIVE" ist ein interaktives System, das in der Zukunft als Exponat oder Übungsstation Einsatz finden könnte. Hauptforschungsbereich ist die Mensch-Maschine-Interaktion, aber mit einem klaren Fokus auf Interaktion mit Musik, weshalb Berührungspunkte zur Computermusik bestehen. Daneben ist die didaktische Komponente des Systems hervorzuheben: Durch das Spiel lernt der Benutzer etwas über Jazzmusik.

  • › digital sparks 2006 [link 03]

» http://media.informa…aachen.de/cojive.html [link 04]

  • › A video describing coJIVE's features and mode of operation. [17 MB ] [link 05]