Fabian Hemmert, Susann Hamann


Die digitale Sanduhr

Die digitale Sanduhr ist ein Wecker, der dem einfachen Interaktionsprinzip einer Sanduhr folgt.


Die digitale Sanduhr [link 01]

Die digitale Sanduhr

Kurzdarstellung

Kurzbeschreibung

Das einfache Interaktionsprinzip einer Sanduhr - stehend, liegend, in der Hand gehalten - erschien uns als eine geeignete Metapher für einen Wecker, der sich nach der gewünschten Menge Schlaf richten sollte: Jede LED im oberen Teil steht für eine Stunde verbleibenden Schlaf. Die Zeit läßt sich also sowohl ablesen als auch grob schätzen. Die Schlummerfunktion wird über ein Umdrehen der Uhr aktviert. Legt man die digitale Sanduhr hin, schaltet sie sich ab.

KünstlerInnen / AutorInnen

  • Fabian Hemmert, Student, FH Potsdam
  • Susann Hamann, Student, FH Potsdam

Entstehung

Deutschland, 2005-2006

Eingabe des Beitrags

Fabian Hemmert, 09.02.2006
mail@fabianhemmert.de [link 02]

Kategorie

  • Forschungsprojekt

Schlagworte

  • Themen:
    • Interface |
    • Konzeptuelle Arbeit |
    • Abstraktion |
    • Raum |
    • Informationsdesign
  • Formate:
    • interaktiv |
    • Objekt

Ergänzungen zur Schlagwortliste

  • Sanduhr |
  • Wiring |
  • Processing

Inhalt

Inhaltliche Beschreibung

Annähernd jeder Wecker, der heute erhältlich ist, bezieht sich in Form und Funktion auf den Zeitpunkt des Aufstehens. Die Dauer des Schlafs rückt dabei mehr und mehr in den Hintergrund.

Wie müßte also ein Wecker aussehen, der die Länge des Schlafs (und damit seine Qualität) aufgreift und so klar kommuniziert, daß man nicht nur schläft, um pünktlich wieder aufzustehen?

Statt Hektik und <Ticken> zu symbolisieren, sollte unser Wecker eine ruhige Form haben, die im Idealfall sogar das nächtliche Ablesen auf einen einzigen Blick reduziert. Die geistige Leistung, im Schlummer zu

- lesen, wie spät es ist
- erinnern, wann der Wecker klingelt
- rechnen, wie lange das noch dauert

erschien uns als nicht angemessen. Hinzu kam das wirre Interaktionsprinzip aktueller Wecker: 2x "SET", dann "MIN" gedrückt halten und anschließend "-","-","-","-" ... - intuitiv ist das nicht. Wir führten in unserem Kurs Untersuchungen und 'thinking-aloud' Protokolle an Unbeteiligten durch, die mit vielen der momentan erhältlichen Wecker überfordert waren.

Die Idee entstand in der Cafeteria - statt Dösen gab es Kaffee und Saft. Wir stellten die Flasche (zugegeben: aus Langeweile) auf den Kopf und die Idee war geboren.

Welche Zustände hat eine Sanduhr? Was drückt sie aus? Wie würde eine digitale Sanduhr aussehen?

Nach einem Videoprotoypen und einigen 3D-Mockups begannen wir mit der Konstruktion unseres Objekts. Wir haben das Wiring-Board verwendet, um die LEDs einfach in unsere Schaltlogik integrieren zu können:

Steht die Uhr, soll sie laufen.
Liegt die Uhr, soll sie sich abschalten.
Hält man sie geneigt in der Hand, sollte man sie stellen können.

Kein einziger Knopf, eine klare und schlichte Digitalisierung durch die LEDs und nicht mehr als unbedingt nötig. Über Neigungssensoren konnten wir die Zustände schnell erfassen, drei kleinere LEDs würden das "Rieseln" der Zeit symbolisieren.

Unsere Untersuchungen im Kurs hatten ergeben, dass die Schlummerfunktion für einen Großteil der Benutzer sehr wichtig ist. In unserem Fall wird sie über ein Umdrehen des Weckers aktiviert, wenn der Alarm ertönt - wie bei einer analogen Sanduhr, wenn man mehr Zeit benötigt.

Ein Problem war es, den Zeitpunkt des Abschaltens zu finden. Die Uhr würde sich in der Waagerechten befinden, aber natürlich sollte sie sich nicht abschalten, wenn sie horizontal in der Hand gehalten würde. Wir haben den Schwerpunkt des Geräts also nach vorn verlagert, so dass sich das Gehäuse auf das Display rollt, wenn es liegt. Diesen Zustand konnten wir ebenfalls über einen Neigungssensor abfragen.

'Just enough prototyping' lautete das Ziel des Kurses bei Prof. Reto Wettach. Wir halten es deshalb für legitim, daß unsere "Sanduhr" derzeitig kein Geräusch macht um zu wecken. Wir haben uns auf die Interaktion konzentriert. In den nächsten Schritten würden wir ein taktiles Feedback hinzufügen, so daß man tatsächlich etwas "fallen" spürt, wenn man die "Sanduhr" stellt.

Interessant finden wir auch diese Ansatzpunkte für unsere Zielgruppe, die sich aus dem Konzept ergibt:

- Wahrung des Luxusguts Schlaf
- Lösen aus der täglichen Hektik
- bewußter Leben

Diese Tendenz ist in unseren Augen ungewöhnlich für ein Objekt, das in eine digitale Form umgewandelt wird.

Die Ästhetik einer klassischen Sanduhr können wir hier bei weitem nicht übertreffen - aber wir können sie zu neuem Leben erwecken, indem wir ihr Prinzip in einen aktuellen Kontext setzen - und so das digitale in den Raum bringen.

Technik

Technische Beschreibung

Nach ersten Gehversuche auf einer Steckplatine haben wir schnell damit begonnen, die LEDs (3x4 je Hälfte) auf eine Platine zu löten und mit dem Wiring-Board zu verkabeln. Wir haben mit Platinenbuchsenleisten gearbeitet, um unsere Platine einfach und unkompliziert vom Wiring-Board lösen zu können.

Wir verwenden 6 Neigungssensoren, je zwei für jeden dieser Zustände:

- stehend
- liegend (Display nach unten zeigend)
- gekippt (>45°, <90°)

Drei kleinere LEDs symbolisieren das Fallen des (digitalen) Sandes.

Wie bereits erwähnt haben wir den Schwerpunkt des Geräts nach vorn verlagert, um feststellen zu können, ob das Gerät waagerecht in der Hand gehalten wird, oder aber auf dem Nachttisch liegt und in den Stand-By-Modus schalten soll.

Hardware / Software

Das Wiring-Board hat 40 Pins, so daß wir problemlos alle 27 LEDs und 6 Sensoren steuern bzw. abfragen konnten. Die Software haben wir zunächst in der Processing-Umgebung geschrieben und mit einer grafischen Ausgabe getestet.

Unser Gehäuse ist ein Acrylglaszylinder mit 6,4/7cm Durchmesser, unsere beiden Platinen passen aufeinandergesteckt genau hinein. Die Stabilität und der Schwerpunkt sind zufriedenstellend und lenken nicht von der eigentlichen Interaktion ab.

Kontext

Hochschule / Fachbereich

Fachhochschule Potsdam
Design

URL der Hochschule

» http://interface.fh-potsdam.de [link 03]

Betreuer des Projekts

Prof. Reto Wettach

Kommentar des Betreuers

Die digitale Sanduhr von Fabian Hemmert und Susann Hamann basiert auf der Beobachtung des Alltags heutiger Freelancer: Für jemanden, der von zu Hause aus arbeitet, ist nicht die absolute Weckzeit wichtig, sondern die richtige Menge Schlaf.

Die beiden Studenten haben daher einen Wecker entwickelt, der eine einfache Einstellung der Schlafzeit ermöglicht. Sie haben eine naheliegende Metapher aus der analogen Welt aufgegriffen und mit Hilfe digitaler Technologie neu umgesetzt: die Sanduhr.
Interessant bei dieser Lösung ist die natürliche und intuitive Handhabung der digitalen Sanduhr – bis hin zur Funktion des Snoozens, das durch ein Umdrehen nach Erreichen der Weckzeit gestartet wird (der digitale Sand fliesst dann schneller). Auch die Visualisierung ist – trotz reduzierter Zahl von LEDs – gut umgesetzt und funktioniert. Wichtig war den beiden Gestaltern dabei die schnelle Erfassung der Funktionstüchtigkeit des Weckers im Halbschlaf, was ihnen gelungen ist: Wenn die Sanduhr fließt, ist der Wecker eingeschaltet.

Die digitale Sanduhr wurde in meinem Seminar konzipiert, zu einem funktionierenden Prototypen umgesetzt und anschliessend getestet.

Seminar / Kurzbeschreibung

Spaces and Objects as Means of Interaction

„The most profound technologies are those that disappear. They weave themselves into the fabric of everyday life until they are indistinguishable from it.”
Mark Weiser, The Computer of the 21st Century, 1991

In diesem Seminar wurden die Grundlagen der Gestaltung innovativer Interaktionsformen in Räumen bzw. mit Objekten erarbeitet. Dabei wurden die gängigen Denkansätze und Prozesse vorgestellt und angewendet. Die praktischen Untersuchungen in diesem Seminar basierten auf dem Thema "Wecken".

Zuordnung Forschungsbereich

Tangible Computing, Ambient Interfaces

  • › digital sparks 2006 [link 04]

» http://incom.org/cod….php?4,125,17,0,0,146 [link 05]

  • › Die digitale Sanduhr (Dokumentation) [PDF | 1 MB ] [link 06]
  • › Erste Versuche auf der Steckplatine [JPEG | 307 KB ] [link 07]
  • › Interaktionsprinzip: Sanduhr [JPEG | 701 KB ] [link 08]
  • › Die digitale Sanduhr [JPEG | 208 KB ] [link 09]
  • › Die Ideenfindung [JPEG | 627 KB ] [link 10]
  • › Die beiden Boards passen genau in den Acrylglaszylinder [JPEG | 756 KB ] [link 11]
  • › Wir haben LEDs mit integriertem Vorwiderstand verwendet, um Platz zu sparen [JPEG | 683 KB ] [link 12]
  • › Wir haben auch mit anderen Gehäuseformen experimentiert. [JPEG | 253 KB ] [link 13]
  • › Die Neigungssensoren werden mit einer leichten Verzögerung abgefragt, um einem "Springen" entgegenzuwirken. [JPEG | 683 KB ] [link 14]