Martina  Wiedleroither


Kurzfilme bewegen

Entwicklung neuer Präsentationsformen für Kurzfilme


Der Projektionsraum als Darsteller [link 01]

Der Projektionsraum als Darsteller

Kurzdarstellung

Kurzbeschreibung

Das Konzept sieht vor, im Treppenhaus, Hof und in Wohnungen eines teilweise leerstehenden Gebäudes in der Ackerstraße, Berlin-Mitte, Kurzspielfilme zu projizieren. Um sich die Filme anzusehen, begibt sich der Besucher auf einen Rundgang durchs Haus.

Das Besondere dabei ist, dass Bezüge zwischen Drehort, Protagonist und Machart des Films mit dem erweiterten Projektionsraum hergestellt werden. Einzelne Aussagen oder Elemente des Films werden stärker betont oder abgeschwächt, dadurch dass sie in Einklang oder Kontrast zur Projektionsfläche stehen. Die nicht-neutrale Projektionsfläche bringt den Zugewinn einer neuen Bedeutungsebene mit sich. Jeder Betrachter wird vom Zustand des Gebäudes und seiner Atmosphäre zur Konstellation eigener Geschichten inspiriert. Diese vermischen sich mit dem Film. Der Projektionsraum wird zum zusätzlichen Darsteller.
Aus der Weiterentwicklung dieses Ansatzes entstand die Idee, Kurzfilme zu produzieren, deren Ausdrucksform sich nicht auf filmeigene Mittel beschränkt, sondern die des Projektionsraumes, für den der Film entwickelt wird, mit einbezieht (z.B. Verzicht auf Teile der Kulisse, da sich diese aus dem Projektionsraum ergeben). Ziel ist die Steigerung des emotionalen Erlebnisses (Filmsehen) durch eine völlige Symbiose von Raum und Film hin zu einer Überwindung der 2-Dimensionalität.

KünstlerInnen / AutorInnen

  • Martina  Wiedleroither, Diplomantin (zum Zeitpunkt der Arbeit), FH Hannover

Entstehung

Deutschland, 2005

Partner / Sponsoren

Kurzfilm AG Dresden, AG Kurzfilm Hamburg, Interfilm Berlin, Hff Potsdam Martina Liebnitz, ZDF Mainz Frau Brinkmann, Matthias Vobis (Hausbesitzer)
Prof. Colin Walker, V.-Prof. Suzanne Koechert

Eingabe des Beitrags

Martina Wiedleroither, 04.02.2006

Kategorie

  • künstlerische Arbeit

Schlagworte

  • Themen:
    • Kulturvermittlung |
    • Kommunikation |
    • Konzeptuelle Arbeit |
    • Architektur
  • Formate:
    • Installation
  • Technik:
    • Digitales Video

Inhalt

  • › Auschnitt der Dokumentation des Rundgangs (abgefilmte Videosequenz) [27 MB ] [link 02]
  • › Bezug_Film-Projektionsflaeche [10 MB ] [link 03]
  • › Inspiration_durch_das_Gebäude [24 MB ] [link 04]
  • › Inspirationsfoto [6 MB ] [link 05]
  • › Salon_bei_Nacht [7 MB ] [link 06]
  • › Aktivität_des_Betrachters [7 MB ] [link 07]

Inhaltliche Beschreibung

Ausgangspunkt der Diplomarbeit "Kurzfilme bewegen" ist die Problematik der geringen Verbreitung und Anerkennung des Genres Kurzfilm. Durch die Entwicklung von Projekten, die die Besonderheiten von Kurzfilmen (gegenüber Langfilmen) herausstellen, soll dessen Eigenständigkeit als Kunstform betont und dessen Image verbessert werden.

Das Konzept für "Kurzfilme bewegen" umfasst drei unterschiedliche Ansätze für Berlin - MOBILE FILME, FILME FÜR ORTE (Salon Ackerstraße) & ORTE FÜR FILME, die im Grundsatz auf andere Städte und Situationen übertragen werden können. Die Einreichung der Arbeit bei <digital sparks 06> beschränkt sich auf die Darstellung des Konzeptes „Salon Ackerstraße – Filme für Orte.

Das Haus kann in einigen Punkten mit einem Ausstellungsraum verglichen werden:
Der Ausstellungsraum ist als Medium von meist verkannter, deshalb von vernachlässigter und unterschätzter Bedeutung. Er bietet den Ort, die unmittelbare Situation und den konkreten Kontext der Präsentation. Nicht allein die Ausstellungsobjekte und deren Kombinationen, sondern ebenso das Gebäude fungiert als Bedeutungsträger. Dieser Komplex aus miteinander in Beziehung stehenden und Beziehung bildenden Elementen erzeugt vielfältige Codierungen, die von Rezipienten wahrgenommen und interpretiert werden.

Die Ästhetik eines Raumes, Arrangements oder Objekts prägt den ersten Eindruck, bestätigt, irritiert oder enttäuscht Erwartungen, überrascht und weckt Neugierde. Ihre Bedeutung liegt vor allem im Erzeugen von Motivationen, in deren Folge Rezipienten Sensibilität, Aufnahmebereitschaft und Aufgeschlossenheit gegenüber dem Präsentierten entwickeln. Dem Raum Funktionen der sinnlichen Annäherung zu übertragen, liegt die Auffassung zu Grunde, dass der Ausstellungsbesuch grundsätzlich das Kennen lernen eines Gebäudes durch Betreten und Bewegen, Erfahren und Erleben von dessen Umfeld und Räumen beinhaltet. Demzufolge ist die Wahrnehmung einer Ausstellung nicht auf das Sensorische beschränkt, sondern muss als Verbindung des Sensorischen mit dem Motorischen verstanden werden. Die Poetik einer Ausstellung wird als Gefüge von Sinnesreizen wahrgenommen. Das Hauptcharakteristikum der Poetik ist eine fundamentale Mehrdeutigkeit, welche für den Rezipienten zur Herausforderung wird.

Aus meiner Untersuchung zur Situation des deutschen Kurzfilms und meiner Recherche zur Entwicklung des Kinos geht hervor, dass dem Kurzfilm im Kino wenig Chancen eingeräumt werden – nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern auch, weil das Kino für das Zeigen von Kurzfilmen nicht prädestiniert ist. Im Gegensatz zur Neutralität des Ortes Kino und der Gestaltlosigkeit seines Publikums schaffe ich mit der Präsentation der Kurzfilme in der Ackerstrasse einen Kult-Ort, mit dem sich der individuelle Betrachter identifizieren kann und der etwas Besonderes darstellt. Als Folge entsteht unter Kennern ein Gruppengefühl, ein Gefühl der Zugehörigkeit.

Die Aktivität des Betrachters beim Durchschreiten des Hauses grenzt sich von der Passivität des Kinopublikums ab. Der Betrachter kann selbst bestimmen wie oft er jeden einzelnen Film ansehen möchte, welche Filme er ansehen möchte und aus welcher Perspektive. Beim Durchgehen des Hauses ergeben sich ungewöhnliche Blickpunkte auf das Filmmaterial, zwischen denen er frei wählen und die er entdecken kann. Das Ausstellungskonzept gibt keine klare Wegeführung durch das Haus vor – vielmehr soll der aktive Besucher Orte und Filme selbst entdecken. Die Betrachter werden zudem zur Kommunikation untereinander angeregt.

Mein Entwurf geht auf das jahrzehnte alte Streben der Erweiterung des Films zum Erlebnisraum, zur räumlichen Erfahrungswelt ein. Durch das Zeigen der Filme in Räumen, die mit Geschichten belegt sind und durch deren Durchschreiten und Wahrnehmen, wird der Film lebendiger und überwindet die 2-Dimensionalität der klaren Ausrichtung auf eine räumliche Richtung. Der Film wird begehbar und umgibt den
Betrachter.

Susan Sontag sieht die emotionale Berührung, d.h. die sinnliche Erfahrung von Kunst als elementar an. „Wirkliche Kunst hat die Eigenschaft, uns nervös zu machen; Kunst ist ein sinnliches Erlebnis, ein direkter, starker Impuls“. Da sich das Image des Hauses auf den Film überträgt, kann diese emotionale Wirkung verstärkt vom Betrachter wahrgenommen werden.

Das Zeigen der Filme in der Ackerstrasse beinhaltet das Thema der Beseelung von Architektur. Die Erneuerung des Gebäudes erfolgt nicht wie auf übliche Weise durch Renovierung sondern durch die Projektion der Filme. Film und Architektur gehen eine Wechselwirkung ein. So wie die Architektur den Film bereichert, beseelt der Film wiederum die Architektur.

Durchgängiges Ziel bei der Gestaltung des Salon Ackerstrasse ist es, die Atmosphäre des Hauses zu unterstützen bzw. zu transportieren. Daher werden Elemente wie Tapetenmuster (Plakat), Lichtreklame (Fassade) und Hausbeschriftung aufgegriffen und in abgewandelter Form eingesetzt. All diese Elemente tragen dazu bei, dass der Besucher vom Gebäude inspiriert wird, und der Kurzfilm in der Folge durch die nicht-neutrale Umgebung eine weitere Bedeutung erlangt. Dabei wird das Haus nicht nur auf seine Vergangenheit reduziert, sondern gerade das Nebeneinander von jetzigen Bewohnern, aktuellen Filmen, verlassenen Wohnungen und historischer Atmosphäre macht den Reiz des Gebäudes aus. Dabei bleibt dem Betrachter offen, welche der Charakteristika des Hauses er als besonders stark wahrnimmt.

Als Thema für meine Diplomarbeit habe ich bewusst ein sehr freies, interdisziplinäres Thema gewählt, das über die Grenzen der klassischen Innenarchitektur hinaus die Bereiche Film, (Produkt- und Kommunkations-) Design und Ausstellungsgestaltung tangiert und verbindet. Das Ergebnis der Arbeit blieb lange offen und entwickelte sich erst im Laufe der ausführlichen wissenschaftlichen Recherche und Bearbeitung des Themas. Wichtig war mir, Lösungen für eine Problematik aufzuzeigen, in dem ich Gewohntes und Bewährtes immer wieder hinterfragte und nach neuen Wegen suchte. Die Beobachtungen, Untersuchungen und Experimente würde ich sehr gerne weiterführen.

Technik

Technische Beschreibung

Die Stärke des Projektes liegt nicht in der Innovation des digitalen Mediums selbst, sondern im innovativen Umgang mit diesem und angrenzenden Medien wie Projektion und Projektionsraum.
Aus finanziellen Gründen konnte die Arbeit nicht verwirklicht werden und wurde als 120-seitiges Heft verfasst. Im universitären Rahmen wurde sie durch eine Installation (Projektion auf Fototapete (nicht-neutrale Projektionsfläche) in begehbarem Kubus) und einen 45-minütige Vortrag präsentiert.
Der Rundgang durch das Haus konnte digital nachempfunden werden. Beiliegende abgefilmte Sequenz (Rubrik Inhalt) zeigt beispielhaft einen kurzen Ausschnitt des interaktiven Rundgangs.

Hardware / Software

Hardware: Projektionsraum/Architektur und Kurzfilme
Software: Macromedia Director, Microsoft Powerpoint

Kontext

Hochschule / Fachbereich

University of Applied Sciences Hannover
Design und Medien

URL der Hochschule

» http://www.dm.fh-hannover.de [link 08]

Betreuer des Projekts

v. Prof. Suzanne Koechert

Kommentar des Betreuers

Martina Wiedleroither hat sich in ihrer Diplomarbeit mit dem Thema Kurzfilm befasst. Das klingt erst einmal ungewöhnlich für eine Abschlussarbeit im Studiengang Innenarchitektur, in der eher Themen wie Shopdesign, Messe- und Ausstellungen, Gastronomie usw. aber auch durch die Nähe zur Medialen Raumgestaltung (z.Zt. noch zweite Studienrichtung in der Innenarchitektur) Themen aus dem Bereich Bühne
und Setdesign gewählt werden.
Ausgangspunkt für die Erarbeitung des Konzeptes „Kurzfilme bewegen“ war die Problematik der geringen Attraktivität und Anerkennung des Genres Kurzfilm in Deutschland. Und obwohl es sehr viele Festivals in Deutschland gibt ist die Verbreitung und Akzeptanz des Mediums eher gering. Nach sehr umfangreicher Recherche, Gespräche mit Filmemachern und Organisatoren von Festivals und Sichtung unzähliger Filme entstanden 3 unterschiedliche Ansätze für Berlin, die aber auch auf andere Städte und Situationen übertragen werden können. Die Projekte
ergänzen sich gegenseitig und machen aufeinander aufmerksam. Für das Projekt „Filme für Orte – Salon Ackerstrasse“ hat sich Martina Wiedleroither ein leer stehendes Gebäude in Berlin gesucht. Der Besucher bewegt sich durch das Gebäude und wird in unterschiedlichen Räumen mit dem Medium Film konfrontiert.
Die Filme werden direkt auf die Wände, Türen und Objekte projiziert, werden zum Bestandteil des Interieurs und erhalten so einen neuen Bedeutungszusammenhang. Der Besucher erlebt die Bildbetrachtung intensiver als im Kinosessel – er wird Betrachter in einem dreidimensionalen, durch die Medien und dem Raum erzeugten Milieu. Filme die extra für den Ort erstellt werden könnten, gehen auf die Situationen vor Ort ein und bringen neue Bedeutungsebenen mit sich.
Ausstellungen werden meist im Team erarbeitet. Die einzelnen Disziplinen (Innenarchitektur, Kommunikationsdesign usw.) können nicht nacheinander bearbeitet werden, sondern müssen sich von Anfang an im Dialog zwischen Inhalt und Form befinden. Martina Wiedleroither hat dieses Team nicht zur Verfügung gehabt und deshalb selbst sehr passende Konzepte für Plakate, Typografie usw. entwickelt.
Das Projekt „Salon Ackerstrasse“ ist ein unkonventionelles Projekt mit nachhaltigem künstlerischem Ansatz. Es überzeugt durch die fundierte Recherche und die experimentelle, progressive Qualität.

Seminar / Kurzbeschreibung

Diplomarbeit

Zuordnung Forschungsbereich

Im Fachbereich Design+Medien der Fachhochschule Hannover wird im neunten Semester die Diplomarbeit erstellt. Die Bearbeitungszeit beträgt dafür 3 Monate. Die zu bearbeitenden Themen können von den Diplomand/Innen frei gewählt werden.
Die Arbeiten werden als Abschluss in einer Ausstellung präsentiert und von den Diplomand/Innen vorgestellt.

  • › digital sparks 2006 [link 09]
  • › Auschnitt der Dokumentation des Rundgangs (abgefilmte Videosequenz) [27 MB ] [link 10]
  • › Bezug_Film-Projektionsflaeche [10 MB ] [link 11]
  • › Inspiration_durch_das_Gebäude [24 MB ] [link 12]
  • › Inspirationsfoto [6 MB ] [link 13]
  • › Salon_bei_Nacht [7 MB ] [link 14]
  • › Aktivität_des_Betrachters [7 MB ] [link 15]