Laszlo Bardos, Stefan Korinek


Bangarama

Musizieren durch Headbanging


Bangarama Interface [link 01]

Bangarama Interface

Technik

Technische Beschreibung

"Bangarama" besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten: Kopfbewegungssensor, Controller für Tonauswahl und Computer für digitale Ein- und Ausgabe.

Kopfsensor
Für die Messung der Kopfbewegungen wurde aus Draht eine mechanische Wippe nachempfunden. Wird der Kopf nach vorne bewegt, so fällt nach Überschreiten eines bestimmten Neigungswinkels ein beweglicher Stift gegen den vorderen Drahtbügel und schließt auf diese Weise den Kontakt. Der Stift fällt nach hinten, sobald der Kopf wieder aufgerichtet wird. Wiederholtes Kopfnicken resultiert in jeweils abwechselndem Öffnen und Schließen des Kontaktes zwischen Bügel und Stift. Um einen festen Kontakt zu gewährleisten, ist der Stift zusätzlich mit einem Gewicht versehen und die Bügel mit Alufolie verkleidet. Der Sensor ist mit Klettband an einer Mütze befestig und lässt sich individuell an jeden Benutzer komfortabel anpassen.

Tonauswahl
Der Controller zur Auswahl von Tönen bzw. Soundsamples lehnt sich an das Design der E-Gitarre an und besitzt 26 Aluminiumplättchen am Hals der Holzgitarre. Diese Plättchen sind so angeordnet, dass sich paarweise jeweils nur eine kleine Lücke zwischen ihnen befindet. Wird ein Finger auf ein solches Paar gelegt, ist der elektrische Kontakt geschlossen. Der Kontakt führt in einer angeschlossenen modifizierten USB Tastatur zur Auslösung eines Tastendrucksignals. Zur Verbesserung der Leitfähigkeit wird der Finger mit Alufolie eingewickelt. Aus den 26 Kontaktflächen ergeben sich 13 Tasten für die Tonauswahl.

Software
Die Auswertung der USB Tastatur-Signale erfolgt im Computer durch die Multimedia Entwicklungsumgebung Max/MSP. Die "Bangarama"-Software erlaubt die freie Belegung der Controllertasten mit unterschiedlichen Soundsamples, sowie das Abspielen von Begleitmusik. Außerdem ist sie für die Verarbeitung der Signale des Kopfsensors zuständig. Zusätzlich hat die Software grundlegende Filterfunktionen, um das Prellen des Kopfsensorsignals auszugleichen. Die Ausgabe der Töne erfolgt über die am Rechner angeschlossenen Aktivboxen.

Hardware / Software

- Mechanische Wippe auf einer Mütze befestigt
- Holzcontroller in Gitarrenform mit 13 Kontakttasten
- Modifizierte USB Tastatur
- Max/MSP Software
- Aktivboxen

Kontext

Hochschule / Fachbereich

RWTH Aachen
Informatik

URL der Hochschule

» http://www.rwth-aachen.de [link 02]

Betreuer des Projekts

Prof. Dr. Jan Borchers

Kommentar des Betreuers

"Bangarama" ist ein "NIME": ein New Interface for Musical Expression. Es basiert auf einer äußerst kreativen und originellen Idee der beiden Schöpfer: Da Headbanging in der Rockmusik ein typisches Verhalten des Publikums ist - warum nicht diese rhythmische Bewegung als Eingabe verwenden, um damit die Wiedergabe der Musik zu steuern?

Das System erfüllt für mich in beispielloser Form die Bedingungen an ein kreatives Multimediaprojekt, weshalb es auch von unserem Lehrstuhl als Jahrgangssieger (s.u.) ausgezeichnet wurde: Eine originelle und gleichzeitig thematisch äußerst passende Interaktionsmetapher wurde hier mit vorbildlichem technischen Aufwand und dem richtigen Pioniergeist in ein funktionierendes System verwandelt, in dessen Endversion der Spieler nicht nur durch Headbanging den Rhythmus vorgeben, sondern sogar auf einer Air Guitar die Melodie seines Rocksolos formen kann.

Das System erzeugte durch die anschließende freiwillige Weiterführung der beiden Studenten, durch ein Paper auf einer internationalen Konferenz und durch eine erstaunliche Abdeckung in den Internetmedien einige Publicity (man google einmal "Bangarama" und findet Einträge auf engadget.com und anderen Seiten). Eine tolle Leistung, insbesondere wenn man die kurze zur Verfügung stehende Zeit bedenkt - was mir wieder einmal verdeutlichte, dass doch noch die Idee und der richtige Hackergeist, nicht der "Production Value" zählen können.

Seminar / Kurzbeschreibung

"Bangarama" wurde in seiner ersten Version im Rahmen der Vorlesung "Designing Interactive Systems 2 (DIS2)" meines Lehrstuhls Informatik 10 (Medieninformatik) an der RWTH Aachen entwickelt. In dieser Vorlesung vermitteln wir die technischen Grundlagen für die Entwicklung von Benutzerschnittstellen, die von herkömmlichen Fenstersystemen bis zu multimodalen Schnittstellen für Audio und Video reichen. Sie baut auf der Vorlesung "DIS1" auf, die die gestalterischen und psychologischen Grundlagen guter Benutzerschnittstellen vermittelt.

Begleitend zu dieser Vorlesung arbeiten unsere Studenten wie bei allen unseren Veranstaltungen an kleinen Gruppenprojekten, um die praktischen Problemlösungsfähigkeiten und das Teamwork zu trainieren. Als letztes, "krönendes" Projekt in der DIS2-Vorlesung stellten wir im Sommer 2004 unseren Studenten die Aufgabe, ein "New Interface for Musical Expression" zu bauen: Die vorhandenen Kenntnisse über gute Interfaces - Visibility, Affordances, Natural Mappings, Constraints, richtiges Prototyping etc. - und deren technische Umsetzung (Multimediaprogrammierung) sollten zusammengebracht werden, um ein neuartiges Musikinstrument zu kreieren. Dabei genügte es jedoch nicht, einfach ein Programm zu schreiben, das auf Knopfdruck Musik abspielt: Wichtig war in der Aufgabenstellung, dass das "Instrument" durch sofortiges Feedback tatsächlich spielbar ist - soweit, dass man bei genug Übung auch wie im klassischen Fall vom Amateur zum Profispieler avancieren könnte. Genügend interaktiver "Tiefgang" war also gefragt.

Bangarama war der Hauptgewinner der elf abschließenden Projektvorstellungen in dieser Veranstaltung, die ich mit meinen Mitarbeitern bewertete. Informationen zur Veranstaltung und den übrigen, ebenfalls interessanten Projekten finden sich unter http:// media.informatik.rwth-aachen.de/dis2_aachen_projects.html.

Herr Bardos und Herr Korinek erklärten sich daraufhin bereit, das System nach Ende der Vorlesung freiwillig noch weiter zu entwickeln, um ein Paper zur internationalen NIME-Konferenz über neue Musikinstrumente einzureichen (das auch angenommen wurde) und um das System an der RWTH Aachen zum "Tag der Informatik" einige Monate später vorzustellen, ebenfalls mit großem Erfolg. In dieser Phase wurde unter anderem die "Air Guitar" fertiggestellt.

Zuordnung Forschungsbereich

"Bangarama" ist ein exzellentes Beispiel für eine neue Benutzerschnittstelle für zeitbasierte Medien wie Audio und Video. Der Forschungsbereich ist die Mensch-Maschine-Interaktion (Human- Computer Interaction, HCI), insbesondere neuartige Schnittstellen jenseits der Desktoptradition, mit Berührungspunkten zur Computermusik.

  • › digital sparks 2006 [link 03]

» http://www.bangarama.net [link 04]

  • › Bangarama Paper (NIME Konferenz) [PDF | 737 KB ] [link 05]
  • › Video in MPEG 1 Format. Weitere Formate auf Projektwebseite. [18 MB ] [link 06]
  • › Systemüberblick [JPEG | 31 KB ] [link 07]
  • › Kopfbewegungssensor [JPEG | 28 KB ] [link 08]
  • › USB-Tastatur mit angelöteten Kontakten [JPEG | 32 KB ] [link 09]
  • › Aluminium-Kontaktflächen [JPEG | 33 KB ] [link 10]