Sascha Pohflepp


Eavesdripping

Wasser als physisches Display


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Kurzdarstellung

Kurzbeschreibung

"Eavesdripping" ist ein System, das es erlaubt, computergenerierte Informationen auf einer Wasseroberfläche darzustellen. Zwischen einer Matrix aus Magnetventilen und einer speziell beleuchteten Wasseroberfläche entsteht eine Art künstlicher Regen, der sowohl als Informationsdisplay, als auch als Ambient Display genutzt werden kann. Die Benutzung eines natürlichen Materials erlaubt, die Vorteile seiner Eigenschaften auszunutzen und unterscheidet "Eavesdripping" sowohl von traditionellen als auch von vielen physischen Displays – es stellt Pixel dar, ohne Pixel darzustellen. Abhängig von der Anzahl der Ventile kann von abstrakten Formen bis zu flüssigem Video nahezu alles in/auf dem Wasser dargestellt werden.

Das Benutzen von Wasser und die Reichhaltigkeit der kulturellen Konnotationen erlauben eine Vielzahl von Anwendungen, besonders im künstlerischen und architektonischen Feld. Dabei leistet die Arbeit einen Beitrag dazu, das Digitale in den Raum zu bringen, indem sie das Dargestellte durch seine körperliche Präsenz sinnlich erfahrbar und atmosphärisch wirksam macht.

Davon ausgehend war die erste Anwendung von "Eavesdripping" (nach der das System auch benannt ist) eine Installation, welche die Konversationen im lokalen drahtlosen Netzwerk so erfahrbar machte, als würden sie aus der Luft gewaschen werden.

KünstlerInnen / AutorInnen

  • Sascha Pohflepp, Student, Universität der Künste Berlin

MitarbeiterInnen

  • Thomas Gardner, Royal College of Art, London
  • Joachim Sauter, Professor, Universität der Künste Berlin
  • Jussi Ängeslevä, Künstlerischer Mitarbeiter, Universität der Künste Berlin
  • Dominik Busch, Künstlerischer Mitarbeiter, Universität der Künste Berlin

Entstehung

Deutschland, 2004-2005

Eingabe des Beitrags

Sascha Pohflepp, 28.01.2006

Kategorie

  • Forschungsprojekt

Schlagworte

  • Themen:
    • Interface |
    • Repräsentation |
    • Raum |
    • Information
  • Formate:
    • Installation

Ergänzungen zur Schlagwortliste

  • Wasser |
  • Physical Computing |
  • Oberfläche

Inhalt

Inhaltliche Beschreibung

In Zusammenhang mit dem, was mittlerweile gewöhnlich Physical Computing gennant wird, haben sich eine Reihe von Ansätzen entwickelt, wie man computergenerierte visuelle Information anders als mit Röhren- oder TFT-Monitoren darstellen könnte. Wie Ullmer und Ishii in ihrem Paper "Emerging Frameworks for Tangible User Interfaces" hervorheben, gibt es "a growing space for interfaces in which physical objects play a central role as both physical representations and controls for digital information."

Diesem Ansatz folgend, zeigen gegenwärtige Beispiele von physischen Displays andere Arten der "Kopplung" von Erfahrbarkeit und Raum mit vormals nicht berührbarer, digitaler Information. Das Resultat ist oft ebenfalls eine flache, pixelartige Repräsentation, aber stets fesselnder als das Fenster ins Virtuelle, wie man es in traditionellen Displays findet, was auch der aktuelle Diskurs über die so genannten Urban Screens zeigt.

Um sich im Feld der körperlich-räumlichen Erfahrung zu verankern, beziehen sich viele der tangiblen Technologien auf Alltagserfahrung. "Eavesdripping" arbeitet mit Wasser, da ein wohlbekanntes Material hilft, die Aufmerksamkeit des Betrachters zu erhöhen und eine größere Zugänglichkeit der Arbeit herstellt. Gleichzeitig eröffnet sich die Möglichkeit, das Dargestellte über die Konnotation des benutzten Mediums zu metaphorisieren, ohne in der Arbeit darauf eingehen zu müssen. Besonders Wasser ist, als eine der Konstanten des Lebens, durch alle Kulturen hindurch mit Bedeutung aufgeladen, von der eine Darstellung, die auf und in Wasser passiert, profitieren kann.

"Eavesdripping" baut auf verschiedene Referenzprojekte auf und versucht deren starke Aspekte zu kombinieren, um ein System zu bauen, das vielseitig funktioniert und – obwohl stets auch zur direkten Vermittlung von Information geeignet – bewusst mit seinen besonderen Eigenschaften spielt. Da die eigentlichen Bilder auf der Wasseroberfläche in schneller Folge reproduziert werden, hat die Darstellung – genau wie das Bild auf einer Leinwand – einen sehr vergänglichen Charakter. Die Tropfen verschwinden fast augenblicklich und vermischen sich mit dem restlichen Wasser. Zwischen der Wasseroberfläche und den Ventilen entsteht im Betrieb eine Säule aus fallenden Tropfen. Während die Wasseroberfläche die Gegenwart des Bildes darstellt, repräsentieren die Tropfen darüber auf eine Art die Zukunft. Wie bei vielen Arbeiten aus dem Bereich des sogenannten Split-Scan-Imaging ist dies besonders im Bereich von Bewegtbild interessant – geschieht aber bei "Eavesdripping" tatsächlich im Raum und nicht auf einem Bildschirm. Die dritte Eigenheit bezieht sich ebenfalls auf den Raum zwischen den Magnetventilen und dem beleuchteten Wasser (siehe Technik). Die Tropfen vermitteln den Eindruck, auf ihrem Weg durch den Raum aufgeladen worden zu sein, was interessante Darstellungsanwendungen im Bezug auf das Volumen des Raumes erlaubt.

Die erste Anwendung, die "Eavesdripping" auch den – aus "Eavesdropping" (Abhören) und "Dripping" (Tropfen) zusammengesetzten – Namen gibt, spielt mit dem Motiv der informationellen Aufladung. Die Installation umfasst eine Software, mit der man die Inhalte von Netzwerkpaketen im lokalen drahtlosen Netzwerk als Klartext anzeigen kann. Die sozusagen aus der Luft abgefangenen Worte werden auf dem Wasser dargestellt, sodass für den Betrachter der Eindruck entsteht, als ob die Worte aus der Luft gewaschen würden.
Andere denkbare Anwendungen entfernen sich von den elektromagnetischen Eigenschaften des Raumes hin zu verschiedenen Interaktionen mit der Bewegung der Betrachter und der Umwelt sowie der Darstellung von anderer textueller oder grafischer Information.

Die Rolle, die Eavesdripping zwischen einem Ambient Display und einem klassischen Informationsdisplay einnimmt, erlaubt die Repräsentation von verschiedensten Inhalten, während der installative Charakter des Systems erhalten bleibt. Dies führt dazu, daß die Arbeit sich an einer bisher unbesetzten Stelle im Feld zwischen visueller Darstellung, Architektur und der Verbindung von natürlichen Mitteln und Technologie befindet, die sie für eine Vielzahl von interessanten Anwendungen geeignet macht.

Technik

Technische Beschreibung

Der ursprüngliche Eavesdripping-Prototyp, der 2005 realisiert wurde, besteht aus drei Hauptelementen:
Eine Matrix aus 16 Magnetventilen, die in einem Raster auf einer variablen Höhe montiert wird. Die Anzahl der Ventile entspricht der Auflösung des Systems. Die verwendeten Ventile finden sich in vielen Alltagsanwendungen und sind keine speziell angefertigten Bauteile.
Als zweites Element befindet sich am Boden ein Basin, das aus transparentem Plexiglas angefertigt ist. Im Betrieb ist es von der Seite mit einer Reihe von superhellen LEDs beleuchtet, die unterhalb der Wasseroberfläche angebracht sind. Durch den physikalischen Effekt der Totalreflektion ist das Licht im Wasser gefangen – solange die Wasseroberfläche ungestört ist, bleibt sie dunkel. Trifft ein Tropfen das Wasser, so leuchtet die Stelle auf und wird wieder dunkler sobald das Wasser sich glättet. So wird sowohl die Sichtbarkeit, als auch der Displaycharakter von Eavesdripping betont und ein Pixeldisplay geschaffen, das nicht mit Pixeln arbeitet und eine sehr analoge Anmutung erhält. Der dritte Teil der Installation besteht aus einer, größtenteils in Max-MSP/Jitter geschriebenen, Software und einem Computer. Diese Software kontrolliert das Auffangen der Paketinhalte und den Informationsfluss. Die Texte werden in grafische Matrizen konvertiert, die, wiederum in serielle Informationen gewandelt, über Relaisboards die Ventile ansprechen.

Um einen ununterbrochenen Betrieb zu gewährleisten, ist das Basin über eine Pumpe mit dem Ventilsystem verbunden und schafft einen Kreislauf, der es auch ermöglicht, unabhängig von der Wasserversorgung zu arbeiten.

Hardware / Software

Magnetventile, Relaisplatinen, Spezielle Software in Max-MSP/Jitter, Computer, Serial-Adapter, Plexiglasbehälter, superhelle LEDs, Pumpe, Schläuche (Anzahl der Ventile/Relais variabel, entsprechend die Dimensionen der Oberfläche am Boden)

Kontext

Hochschule / Fachbereich

Universität der Künste Berlin
Visuelle Kommunikation

URL der Hochschule

» http://www.digital.udk-berlin.de/ [link 02]

Betreuer des Projekts

Professor Joachim Sauter

Kommentar des Betreuers

Sascha Pohflepps Arbeit "Eavesdripping" ist in der Klasse Gestalten mit digitalen Medien zum Semesterthema "Sensitive Skin / Intelligent Surface" entstanden. Die Studierenden hatten die Aufgabe, sich mit der physischen Oberfläche als Medium auseinanderzusetzen und so das Digitale in den Raum zu bringen.Pohflepp hatte sich hierbei zur Aufgabe gesetzt, mit Regen ein natürliches Phänomen, das Teil unserer grundlegendsten Alltagserfahrung ist, als Mittel der Darstellung nutzbar zu machen.

Was als Idee auf den ersten Blick aussieht wie ein normales Pixeldisplay mit anderen Mitteln entfaltet auf den zweiten Blick eine besonderen Reiz, da Wasser als Medium in der Kulturgeschichte immer wieder auftaucht und eine solche Anwendung nicht nur ungewöhnlich ist, sondern auch eine funktionale Einheit mit dem umgebenden Raum eingeht, die sie zu einem Teil der Architektur macht. Im Stadtraum werden mit viel Aufwand immer größere und hellere Displays angebracht, die aber in den seltensten Fällen sinnvoll im räumlichen Kontext agieren. Diese Arbeit schafft es, diesem Trend einen Entwurf Entgegenzuhalten, der sowohl als Mittel der Darstellung als auch als sinnliches Erlebnis funktioniert.

Pohflepp hat den Prototypen mit relativ einfachen Mitteln realisiert (Ventile aus Waschmaschinen) und das System dafür eigens entwickelt. Für das anfängliche Problem der mangelnden Sichtbarkeit der Tropfen am Boden fand er nach der ersten Präsentation in Zusammenarbeit mit einem Studenten des Royal College in London eine elegante Lösung. Während die Arbeit als Prototyp exemplarisch funktioniert, würde sie in einer zu fördernden größeren Version ihr ganzes Potential entfalten.

Bei der Präsentation führte Pohflepp vor, wie er die im Raum präsente aber körperlich nicht erlebbare Kommunikation im drahtlosen Internet als Text auf dem Wasser les- und fühlbar machen kann. Dies zeigt exemplarisch, daß die Arbeit klar auf eine viel engere Verschränkung von digitalem Medium, Raum/Architektur und menschlichem Erleben ausgerichtet ist. Angesichts der Debatte über die sinnliche Erfahrbarkeit des Digitalen ist diese Arbeit ein hervorragender Beitrag. Pohflepp hat zwischenzeitlich für die SIGGRAPH in Boston ein Paper angefertigt, unbedingt lesen!

Seminar / Kurzbeschreibung

Semesterthema: "Sensitive Skin/Intelligent Surface“ Realisierung einer intelligenten Oberfläche mithilfe von Physical Computing (Design with Electronics, Mechanics and Algorhythms)

Zuordnung Forschungsbereich

Klasse Kunst und Gestaltung mit Neuen Medien im Studiengang Experimentelle Mediengestaltung und Studiengang Visuelle Kommunikation, Institut für Zeitbasierte Medien, Fakultät Gestaltung, Hochschule der Künste Berlin

  • › digital sparks 2006 [link 03]

» http://www.pohflepp.…om/eavesdripping.html [link 04]

  • › Paper Eavesdripping SIGGRAPH [PDF | 4 MB ] [link 05]
  • › Videodokumentation Eavesdripping (Quicktime 7) [22 MB ] [link 06]
  • › Schematik der Darstellung [JPEG | 67 KB ] [link 07]
  • › Prototyp Eavesdripping [JPEG | 102 KB ] [link 08]
  • › 16 Magnetventile [JPEG | 139 KB ] [link 09]
  • › Filterung der Dialoge aus dem WLAN [JPEG | 82 KB ] [link 10]
  • › Manuelle Steuerung der Ventile [JPEG | 89 KB ] [link 11]