Evelyn  May


tempo

Zwei Übungsprogramme für und wider das Warten. Videoprojektionen in U-Bahnhaltestellen.


Still: Übungsprogramm 1 [link 01]

Still: Übungsprogramm 1

Inhalt

  • › tempo_Übungsprogramm1 [4 MB ] [link 02]
  • › tempo_Übungsprogramm2 [4 MB ] [link 03]
  • › Katalog [PDF | 245 KB ] [link 04]

Inhaltliche Beschreibung

Das Warten in der U-Bahnstation. Eine oft unangenehme und zeitraubende Situation. Im Zeitalter von Hochgeschwindigkeit und Beschleunigung lassen sich diese Momente des Stillstandes nur schwerlich ertragen. Erlösenden Zeitvertreib bieten hier die kurzen Spots der Firma Infoscreen. Die bewegten Bilder kanalisieren Blicke und befreien vom Starren auf den Boden oder auf die Person am gegenüberliegenden Bahnsteig. Wertvolle Wartezeit kann mit Information gefüllt werden - ganz egal ob Werbung oder Fußballergebnisse - die Zeit vergeht durch sie schneller.
Die beiden Videos "tempo_Übungsprogramm1" und "tempo_Übungsprogramm2" mischen sich in diese alltäglichen Wartesituationen ein und werden Teil des öffentlichen Raums. Die Filme laufen eingebettet in das normale Programm von Infoscreen und sind für den Zeitraum von einer Woche in U-Bahnhaltestellen zu sehen. Als Fitnessprogramme für und wider das Warten widmen sie sich dem heute aktuellen Thema des "Zeitmanagements" in ungewohnter Art und Weise. Auf den ersten Blick versprechen auch sie Ablenkung: zwei Sportprogramme gegen die Trägheit. Die einzelnen Übungen setzen sich jedoch ausschließlich aus Wartebewegungen zusammen. So erweisen sich die Inhalte der Videos schnell als Spiegelung der BetrachterInnensituation vor der Leinwand. Die ZuschauerInnen sehen sich mit ihrer eigenen Warteposition am Bahngleis konfrontiert. Raumfunktionen kehren sich auf diese Weise um und treten in Beziehung zueinander. Automatisierte Alltagsrituale werden wahrnehmbar und kommunizierbar - ein kultureller Austausch über Zeitvorstellungen und gesellschaftliche Tendenzen der Temposteigerung kann sich eröffnen.

Kontext

Hochschule / Fachbereich

Universität Dortmund
Institut für Kunst und materielle Kultur, Fachgebiet: Plastik und interdisziplinäres Arbeiten

URL der Hochschule

» http://www.uni-dortmund.de [link 05]

Betreuer des Projekts

Prof. Ursula Bertram

Kommentar des Betreuers

„Experimentelle Zeitproben im interdisziplinären Raum“

gewidmet. Sie hat die Auseinandersetzung mit dem städtischen Raum in den Mittelpunkt ihrer künstlerischen Recherche gestellt. Dabei zeigt sie sich als aufmerksamer Beobachter der örtlichen Gegebenheiten, der alltäglichen Gegenstände und ritualisierten Handlungsabläufe. Sie nutzt ihre Beobachtungen zu reduzierten und intelligenten Eingriffe vor Ort. Bestimmte Handlungsweisen (warten) verdeutlicht und kontakariert sie mit einem stets auf die Situation bezogenen künstlerischen Repertoire. Ihr minimalistischer Ansatz ist ausgesprochen vielfältig. In diesem Zusammenhang entstand die Installation im Westpark, die interaktive Arbeit "Wartepedale", die Installation "Zeitzonen" mit den Arbeiten "Himmel und Hölle", "Gedankenkreise" und "Zeitstrahlen", die Videoinstallation "Tempo", teils mit Ton/Musik verknüpft.
Ihre Experimente und Entwürfe sind gekennzeichnet von einer intensiven Thematischen und räumlichen Erkundung. Sie fand Parallelen der Begrifflichkeit 'Tempo' im Bereich Musik und übertrug diese wieder auf Alltagssituationen, um so 'Tempobilder' in den öffentlichen Raum zu übertragen. Sie vergleicht den Prozess der Tempi in der Musik auf den gleichlaufenden gesellschaftlichen Beschleunigungsprozess.
Sie trennt sich von dem Gedanken, Interaktionen vorzuprogrammieren und widmet sich den nicht vorhersehbaren offenen Prozessen.
Ihre Raumwahrnehmungen und die Kommunikationsangebote setzt sie in den Kontext des Diskurses 'Kunst im öffentlichen Raum' und erarbeitet dessen Wirkungsmöglichkeiten und Grenzen.
In ihren Ausführungen zeigt sie sich äußerst kompetent, vergleicht ihre künstlerische Position mit den Positionen anderer Künstler( u.a. Cage, Ahner, Holzer, Gerz, Domke, Jaar) und untersucht die Beziehungen zur Sprachwissenschaft, Musikwissenschaft, Naturwissenschaft und der Gesellschaftswissenschaften.

Schlüsselworte ihrer künstlerischen Arbeit sind Bewegung und Stillstand. Die Umsetzung ist gekennzeichnet von einer minimalistischen künstlerischen Ausdrucksweise der dezidierten Gedankenfelder, die das Thema in bemerkungsvoller Weise auf den Punkt bringen.
Evelyn May versteht es, sich im Raum zu verorten.

Ihre Videoarbeit "Tempo" (Übungsprogramm 1 und Übungsprogramm 2) ist genau so präzise, wie die vorangegangene Wahrnehmung des Umfeldes. Sie zeigt unauffällige gymnastische Übungen von einer Frau (Evelyn May) im roten Sportanzug, die sich konzentriert auf das Krafttraining mit der Aktentasche, bzw. der eigenen Arme und Beine. Sowohl das Video selbst, als auch dessen Ausstrahlung auf vorhandener Info-Screen gehören zu den künstlerischen Ausdrucksformen 'auf den zweiten Blick'. Sie eröffnet ein intelligentes, hintergründiges Spiel zwischen dem Ort, dem Betrachter und seiner Situation. Der 'Wartende' schaut zugleich in den Ort hinein, in dem er sich andererseits befindet, und wird aufgefordert, die Wartezeit nicht ungenutzt zu lassen -ein sarkastisches Wechselspiel der Wahrnehmung von Zeit. Auch die Funktion der Anzeigetafel wird umgedreht.

Bei der Arbeit "Zeitstrahl" nutzt sie 179 Fußbodenplatten einer U-Bahn Station, die sie mir einfachen weißen Klebestreifen exakt umrandet. Die einzelnen Kästchen tragen mittig eine Nummer von 1-179, die das Warten förmlich sortieren und im Kontext mit der Arbeit "Wartemarken" stehen. Hier benutzt sie vorhandene Fahrkartenentwerter und irritiert die U-Bahn Benutzer mit 'Bedienungsmarken', also Zahlen von 1-179 auf Abreißrollen, die gleichzeitig in der Bodeninstallation zu finden sind. Ohne jegliche Anweisung erzeugt sie so Bezüge und Reaktionen: wird der U-Bahn Fahrer sich auf 'seinen' Warteplatz stellen? Was passiert, wenn da schon einer steht?

Ihre Recherchen zur Umsetzung ihrer Arbeiten im öffentlichen Raum haben sie zu einer eigenen Methodik des Planungsprozesses angeregt, die zu einer eigenen Felduntersuchung führte, ähnlich den Projekten von Sabine Reuter.

Evelyn May spielt mit Wahrnehmungs- und Bewusstwerdungsprozessen und neuen Perspektiven von ortsbezogenen Handlungsfeldern in einer ganz eigenständigen Positionierung im Kunstraum. Sie versteht sich auf „das Navigieren im offenen System“.
Eine herausragende Position, ohne jede Einschränkung, die ich mit der

Note 1.0 (sehr gut) bewerte.

Seminar / Kurzbeschreibung

Die Arbeit ist entstanden im Kontext zum Seminar: Konzeptionelles Arbeiten im interdisziplinären Raum.
Künstlerische Untersuchungen zwischen Denk- und Handlungsfeldern.

Zuordnung Forschungsbereich

Arbeiten vor Ort und im öffentlichem Raum- geschlossene und offene Systeme

  • › digital sparks 2006 [link 06]
  • › Still: Übungsprogramm 2 [JPEG | 140 KB ] [link 07]
  • › Still: Titel [JPEG | 55 KB ] [link 08]
  • › tempo_Übungsprogramm1 [4 MB ] [link 09]
  • › tempo_Übungsprogramm2 [4 MB ] [link 10]
  • › Katalog [PDF | 245 KB ] [link 11]