Martin Kohler


Komposition für 7 vegetative Stimmen

Eine musikalische Aufführung in einem öffentlichen Park mit einer Eiche als Solostimme


Erdfläche [link 01]

Erdfläche

Kurzdarstellung

Kurzbeschreibung

Die Inszenierung eines Parks in Hildesheim als Konzert vegetativer Stimmen verknüpft in einer einjährigen Aufführung zwei getrennte Bedeutungssysteme.
Musikalische Werke und landschaftsarchitektonische Zeugnisse besitzen eine gewisse Ähnlichkeit in der elementaren Rolle der Zeit (als Aufführung), des Fehlens statischer Zustände als gewünschtem Endzustand und dem relativen Bezug einzelner Elemente zueinander und zu vorigen und kommenden Zeitpunkten beschrieben als Rhythmus und Melodie.
Für den Ehrlicher-Park wurde basierend auf den landschaftsarchitektonischen Kompositionsregeln und –beziehungen eine Partitur geschrieben, die durch Bäume, Hecken, Grasflächen und Baumgruppen aufgeführt wird. Ökologische Prozesse wie Wachstum, Sukzession und Verfall im Laufe von Tages- und Jahreszeiten werden durch Vegetations-Verstärker mit einem PDA als Grundmodul in Klänge übersetzt. Die Überformung und Nachahmung einer reinen pastoralen Natur wie im englischen Landschaftspark üblich, wird als ästhetische Komposition erkennbar gemacht. Doch im Zusammentreffen dieser Bedeutungssysteme entsteht noch etwas: ein akustisch vermitteltes Gefühl und Erleben der Umwelt mit ihren natürlichen Faktoren wie Jahreszeit, Feuchte und Pflanzenwachstum.

KünstlerInnen / AutorInnen

  • Martin Kohler, Promotionsstudent, Technische Universität Hamburg-Harburg

Entstehung

Deutschland, 2006

Eingabe des Beitrags

Martin Kohler, 23.01.2006

Kategorie

  • künstlerische Arbeit

Schlagworte

  • Themen:
    • Musik |
    • Biofeedback |
    • Medienkunst |
    • öffentlicher Raum |
    • Klang
  • Formate:
    • Installation
  • Technik:
    • Midi

Inhalt

Inhaltliche Beschreibung

Die Inszenierung eines Parks in Hildesheim als Konzert vegetativer Stimmen verknüpft in einer einjährigen Aufführung zwei getrennte Bedeutungssysteme.
Musikalische Werke und landschaftsarchitektonische Zeugnisse besitzen eine gewisse Ähnlichkeit in der elementaren Rolle der Zeit (als Aufführung), des Fehlens statischer Zustände als gewünschtem Endzustand und dem relativen Bezug einzelner Elemente zueinander und zu vorigen und kommenden Zeitpunkten beschrieben als Rhythmus und Melodie.
Für den Ehrlicher-Park wurde basierend auf den landschaftsarchitektonischen Kompositionsregeln und –beziehungen eine Partitur geschrieben, die durch Bäume, Hecken, Grasflächen und Baumgruppen aufgeführt wird.
Ökologische Prozesse wie Wachstum, Sukzession und Verfall im Laufe von Tages- und Jahreszeiten werden durch Vegetationsverstärker mit einem PDA als Grundmodul in Klänge übersetzt.
Die Überformung und Nachahmung einer reinen pastoralen Natur wie im englischen Landschaftspark üblich, wird als ästhetische Komposition erkennbar gemacht. Doch im Zusammentreffen dieser Bedeutungssysteme entsteht noch etwas: ein akustisch vermitteltes Gefühl und Erleben der Umwelt mit ihren natürlichen Faktoren wie Jahreszeit, Feuchte und Pflanzenwachstum.

Technik

Technische Beschreibung

Die Basis eines Vegetationsverstärkers besteht aus einem PocketPC mit über die serielle Schnittstelle gekoppelte Messplatinen für spezifische pflanzenphysiologische Werte (Nitratgehalt, pH-Wert, Bodenfeuchte, Beschattung, Wasserspannung, H-Ionenkonzetration, etc.). Eine selbstentwickelte Software verschaltet diese Werte mit gespeichertern, im PC generierten Klängen und Umgebungsgeräuschen nach einem Ablaufschema (der Partitur) entsprechend der'Stimme'.
Die Ausgabe erfolgt über ein Stereoverstärkermodul und zwei Marinelautsprecher, betrieben wird das Modul durch ein Solarakkumodul.

Hardware / Software

iPaq 5550, Messplatinen, Stereoverstärker, Marinelautsprecher, Solarakkumodul
selbstentwickelte Software auf Basis diverser OpenSource-Komponenten

Kontext

Hochschule / Fachbereich

Technische Universität Hamburg-Harburg
Stadtplanung

URL der Hochschule

» http://www.tu-harburg.de/stadtplanung [link 02]

Betreuer des Projekts

Prof. Dr.-Ing. Jürgen Pietsch

Kommentar des Betreuers

01 Kommentar zur Arbeit "Komposition für 7 vegetative Stimmen"

Die Arbeit von Martin Kohler verbindet zwei Bedeutungssysteme sehr unterschiedlicher Abstraktion miteinander:
Ein visuell fassbarer, begehbarer, zudem taktil erfahrbarer Stadt- und Naturraum und nur akustisch erfahrbare Musik, welches sich erst in der kognitiven Verarbeitung erschließt.

In der virtuos gestalteten Verbindung dieser beiden Bedeutungssysteme, die gewisse Ähnlichkeiten und Analogien aufweisen (Temporalität, Prozesshaftigkeit, Notation, Vokabular), wird das Kompositorische, Prozesshafte eines Musikstücks mit der Erscheinung eines als natürlich empfundenen Parks gleichgesetzt. Dies gelingt, da die Landschaftsarchitektur des späten 19.Jhd. auf teilweise geradezu mechanistische Kompositionsregeln für die Gestaltung von Landschaftsgärten englischen Stils zurückgriff. Insofern besteht eine wesentliche Leistung der Arbeit in der Offenlegung dieser reduzierten Komposition und stellt damit ein Natur- bzw. Landschaftsverständnis in Frage, welches nur noch innerhalb seines historischen Rahmens adäquat ist.
Die Arbeit bleibt jedoch nicht bei diesem - noch subtil destrukturierenden - Aspekt stehen, sondern bewegt sich weiter zu einer Antwort auf die Frage, was nach der Erfahrung der Umwelt als einer gemachten, konstruierten Umwelt zu finden sei. Durch den Einfluss ökologischer Faktoren auf dieses Umwelt-System verändern sich die der Komposition unterliegenden Klänge über den scheinbaren Nebenweg pflanzenphysiologischer Messwerte, die den Zustand und die Reaktion von Pflanzen auf Umwelteinflüsse zeigen, denen auch der vor Ort befindliche Mensch (Konzertbesucher) ausgesetzt ist.
Die Installation "Komposition für 7 vegetative Stimmen" destrukturiert also erst historisch gewachsene Vorstellungen von „Umwelt“ als Ausbildung einer romantisch-lieblichen Urkraft, zeigt aber Wege durch die ‚Trümmer’ über die gemeinsam von Mensch und Pflanze erfahrenen Umwelteinflüssen basierenden "Pflanzenstimmen" auf. Die Komposition ermöglicht eine direkte Form der Erfahrung der Umwelt samt ihrer Prozesse und Wirkungsketten, verfängt sich nicht mehr in der Frage "Was ist eine natürliche Umwelt?".
Interessanterweise entsteht außerhalb dieses Fokus aber noch eine andere, mindestens so bedeutsame Frage: Inwiefern lässt sich eine virtuelle, algorhymthmische Realität noch von der Alltagsrealität unterscheiden? Musik, Landschaftsarchitektur und Umwelt werden so eng miteinander verzahnt und mit der gedanklichen Figur einer "Komposition" ineinander übersetzbar, so daß das Reale keiner eindeutigen Ebene mehr zuzuordnen ist und auch ‚reine’ Informationsrealitäten damit amalgieren.
Somit demonstriert die gelungene Arbeit symbolisch aufscheinende zukünftige (Stadt-) Raumrealitäten.

Seminar / Kurzbeschreibung

02 Seminar: "Topographien der Wissensgesellschaft"
Das Seminar "Topographien der Wissensgesellschaft" ist eine transdisziplinäre Veranstaltung an der Technischen Universität Hamburg-Harburg für Studierende und Promotionsstudenten interessierter Fächer.
Das Seminar thematisiert die durch den Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft ausgelösten Umwälzungen. Wissen und Information als treibende Kräfte, neue Kommunikationstechnologien in Verbindung mit einer allgemeinen Digitalisierung verändern Lebens-, Arbeits- und Freizeitstile in Stadtregionen, lösen bisherige Nutzungskategorien auf. Tradierte raumbezogene Verhaltensmuster werden in der Netzwerkgesellschaft zunehmend in Frage gestellt und überformt.
Die Veranstaltung fordert und fördert experimentelle Arbeiten, die die Grenzen des eigenen Fachs bewusst sprengen, um der Transdisziplinarität des Verstehens von Strukturen postindustrieller Stadträume gerecht zu werden. Stadträume, die dem angemessene Wahrnehmungs- und Konstitutionsmuster einfordern.

Zuordnung Forschungsbereich

03 Forschungsbereich: Kulturlandschaften der Wissensgesellschaft
Stadtregionen stellen mehr denn je die Hauptlebensräume der Menschen dar, nicht nur in den postindustriellen Gesellschaften. Mit dem tiefgreifenden Strukturwandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft stehen unsere Stadtregionen, die Gesellschaft insgesamt vor großen Chancen, aber auch Risiken, insbesondere dann, wenn veraltete Wahrnehmungsmuster zur Anwendung kommen.
Im Forschungsbereich eröffnen wir künstlerische, planerische und wissenschaftliche Sichten auf Stadtregionen als Wissens-Kulturlandschaften. Entwickelt werden holistische Strategien und Methoden zur Analyse, Steuerung und prozesshaften Begleitung solcher kultivierenden Stadtstrukturgenesen. Die Arbeiten von Herrn Kohler sind darin eingebettet.

  • › digital sparks 2006 [link 03]
  • › Konzeptbeschreibung [PDF | 877 KB ] [link 04]