Lasse Scherffig

EyeVisionBot

Ein System zur blickbasierten Bildersuche und dessen medientheoretische Reflektion.

Nominiert für den
Digital Sparks Award 2006

EyeVisionBot im Medienmuseum des ZKM

EyeVisionBot im Medienmuseum des ZKM

Inhaltliche Beschreibung

Der Blick ist, so könnte man sagen, das Interface durch das ein Betrachter Zugang zu Bildmedien erhält. Im Gegenzug ließe sich der Blick dann als das Interface sehen, durch das ein Bildmedium Zugang zu seinem Betrachter erhalten kann.
EyeVisionBot nutzt diese Ein-/Ausgabedualität des Sehens als Grundlage für ein Computerinterface, das ein Blickerfassungssystem verwendet. Das Ziel ist dabei zunächst, einem Betrachter von den Augen abzulesen, welche Art von Bildern er sehen möchte.
Ein solches Ziel zu erreichen ist natürlich in der Praxis problematisch, wenn nicht unmöglich. Das Interface EyeVisionBot versteht sich daher als Versuch, die Machbarkeit, aber auch die Grenzen eines solchen Unterfangens auszuloten und gleichzeitig diese durch die Konzeptionierung des Interfaces als Museumsinstallation öffentlich sichtbar und erlebbar zu machen. Im Medienmuseum des ZKM stellt EyeVisionBot darüber hinaus einen experimentellen Zugang zur Bilddatenbank des Medien Kunst Netzes zur Verfügung.
Die theoretische Arbeit "It's in Your Eyes. Gaze Based Image Retrieval in Context." ist parallel zur Entwicklung des EyeVisionBot entstanden. In ihr wird das System in verschiedene Kontexte gerückt, um so zu Erkenntnissen über die Rolle von Interfaces und ihrer Entwicklung zu kommen. Die Verknüpfung der verschiedenen Kontexte folgt dabei einer Methode, die sich eher der Bricolage eines Marcel Duchamp als dem ingenieurwissenschaftlichen Diskurs verpflichtet fühlt, zugleich aber letzteren immer im Blick behält.
Dazu werden zunächst in drei Kapiteln drei Kontexte definiert: "Kunst", "Wissenschaft" und "Interface". Für jeden dieser Kontexte wird dann aufgezeigt, welche Rolle die Blickerfassungstechnologie darin spielt und spielte. Anschließend werden jeweils wichtige Ideen und Entwicklungen, die für den EyeVisionBot relevant sind, erläutert.
Darunter sind die Rolle von Interaktivität in der Medienkunst, das Konzept der Closed-Circuit-Kunst, die Informationsästhetik in der Nachfolge von George David Birkhoff und Max Bense, gegenwärtige Entwicklungen in der Suche und Visualisierung von Informationen und schließlich eine eingehende Betrachtung des Interfacebegriffs. Dieser wird zunächst unter Rückgriff auf verschiedene Theoretiker (wie Donald Norman, Brenda Laurel, Terry Winograd oder Matthew Fuller) rekonstruiert, wobei insbesondere die Unterschiede ihrer jeweiligen Definitionen berücksichtigt werden. Im Verlauf dieser Rekonstruktion erscheint der Interfacebegriff als einer kontinuierlichen Verschiebung unterworfen. Diese Verschiebung beginnt mit der Vorstellung, ein Interface sei ein Punkt, an dem psychophysische Interaktion stattfindet, geht über die Vorstellungen ein Interface sei eine gestaltete (Ober-)Fläche oder ein Raum für Kommunikation und endet mit der Vorstellung, dass alles ein Interface sei.
Anschließend wird der Interfacebegriff mit Hilfe von Michel Foucault's Buch "Überwachen und Strafen" neu definiert. Die (Informatik-)Praktiken des Erstellens von "Scenarios" und "Use Cases" und das "User Modeling", also die Benutzermodellierung, werden dabei als Praktiken und Methoden der Modellierung von Benutzern im Sinne einer Erzeugung dieser Benutzer und einer Einschreibung möglichen und richtigen Verhaltens gelesen. Daraus folgt, dass Interfaces generell als Systeme der Definition und Durchsetzung von Verhalten und damit als Disziplinarsysteme im Sinne Foucaults gelesen werden können. In diesem Zusammenhang wird die Nähe algorithmischer Überwachungssysteme (des algorithmic CCTV) zu EyeVisionBot im speziellen und Mensch-Maschine-Schnittstellen im allgemeinen herausgestellt.
Trotz der Unterteilung der Arbeit in drei klar abgesetzte Themenfelder steht die assoziative Verknüpfung der Themen im Vordergrund. Beispielsweise kommen bei der Betrachtung von Closed-Circuit-Installationen Kunstgeschichte, Überwachungstechnologie und das an Feedback orientierte Denken der Kybernetik zusammen.