Johanna Conrad, Florian Zöllner


Echosphere

Wer überwacht wen?


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Inhalt

  • › Diplomdokumentation [PDF | 1 MB ] [link 02]
  • › Überwachungssituation zwischen zwei Spielern [JPEG | 245 KB ] [link 03]
  • › Screenshots aus Echosphere [JPEG | 234 KB ] [link 04]
  • › Plakat [PDF | 607 KB ] [link 05]

Inhaltliche Beschreibung

Konzept

Die Miniaturisierung und kostengünstige Herstellung elektronischer Komponenten und die Entwicklung und Verbreitung drahtloser Techniken schaffen nicht nur neue Möglichkeiten und Freiheiten. Sie verschieben gleichzeitig auch die Grenze zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre, denn sie beinhalten die Möglichkeit, Menschen in Echtzeit zu kontrollieren und zu manipulieren. Jeder muss permanent abwägen, welche Teile der eigenen Identität als Sicherheitsmerkmale elektronisch gespeichert werden sollen und wie weit die eigene Persönlichkeit durch die hinterlassenen Datenspuren ablesbar wird. Die elektronische Identität dient der Authentisierung beim Zugang zu den Diensten und Bereichen der Informationsgesellschaft und somit der Bildung von Privatsphäre. Gleichzeitig wird diese Privatsphäre aber durch die Möglichkeit einer Profilerstellung und durch Identitätsdiebstahl bedroht.
Mobiltelefone sind inzwischen weit verbreitet. Mit ideellen Werten und persönlichen Informationen aufgeladen sind sie ständige Begleiter und Vertraute. Indem sie jederzeit die schnurlose Identifikation und Ortung ihrer Besitzer ermöglichen, werden sie jedoch zu Verrätern. Durch ein standortbasiertes Spiel möchten wir diese Problematik erfahrbar machen. In diesem geschützten Rahmen sollen verschiedene Positionen eingenommen und erprobt werden können. Das Spiel Echosphere sensibilisiert Menschen für die entstandene Problematik und vermittelt Erfahrungen für die nötigen Abwägungen bezüglich der Herausgabe von Daten über die eigene Person. Für die Umsetzung soll ein transparentes und in Hinblick auf die Privatsphäre sicheres Modell zur Nutzung standortbasierter Angebote entwickelt werden.


Spielstory

Für einen sehr unterschiedlichen Umgang mit persönlichen Daten stehen die beiden entgegengesetzten Gruppen des Spieles. Die Allianz zur Rettung unserer Sicherheit (ARGUS) ist ein Unternehmen, das Techniken und Dienstleistungen zur Sicherheit anbietet. Gekennzeichnet durch straffe Organisation bildet ARGUS eine starke und mächtige Institution, von der aber nur eine Fassade bekannt ist. Sie ist überall präsent, um die Einhaltung von Regeln und Gesetzen zu gewährleisten. Zur eindeutigen und fälschungssicheren Identifikation von Menschen hat ARGUS die Radiozyten entwickelt. Mit bloßem Auge nicht sichtbar, verbreiten sie sich über die Luft und dringen in den menschlichen Körper ein. Dort verstecken sie sich unauffindbar und können nicht wieder entfernt werden. Sie haben organische und auch technische Eigenschaften, verhalten sich wie Parasiten oder Nano-Roboter. Wenn sie durch die ARGUS-Sender einem elektrischen Feld ausgesetzt werden, senden sie einen Code, der sie identifiziert. Durch die Verwendung mehrer Sender lassen sie sich orten und stellen so eine für ihre Träger nicht erkennbare Bedrohung dar. Im Bemühen, absolute Sicherheit zu schaffen, eröffnet ARGUS die Möglichkeit zur totalen Überwachung und Kontrolle. Dies wird aber ignoriert, vielleicht sogar wissentlich verschwiegen. Wer und welche Ziele hinter ARGUS stecken, bleibt verborgen.
VOID ist eine Initiative, die sich für die Rechte und Freiheiten der einzelnen Menschen einsetzt. Im Vordergrund steht dabei der Wunsch, ein eigenbestimmtes, unbeobachtetes Leben zu führen und sich nicht den Vorgaben und Vorstellungen anderer zu unterwerfen. VOID entsteht aus einer losen Gruppe, die sich durch Ideale, Wissen und Forscherdrang verbunden fühlt. Die Mitglieder sind fasziniert von Wissenschaft und Technik. Sie arbeiten an der Weiterentwicklung von Technologien und erforschen neue Möglichkeiten. Eine Verbreitung an die Allgemeinheit verknüpfen sie mit der Einhaltung ihrer Ideale. Teilweise besessen von seltsamen Ideen und Verschwörungstheorien bilden sie einen rätselhaften Geheimzirkel. Aufgrund der fortgeschrittenen Bedrohung durch ARGUS treten sie als Initiative an die Öffentlichkeit und helfen den Spielern, der Erfassung und Identifikation zu entgehen.
Zu Beginn des Spieles setzt ARGUS Radiozyten frei und nimmt ein Sendernetz zu deren Ortung in Betrieb. Auf diese Weise wird ein System aufgebaut, mit dem Menschen jederzeit eindeutig und fälschungssicher identifiziert werden können, so dass Ausweise und Schlüssel überflüssig werden. Dabei besteht das Hauptproblem für ARGUS darin, die Identität der Träger einzelner Radiozyten herauszubekommen. Über den Abgleich der Ortungsdaten mit den Datenspuren, die jeder im täglichen Leben hinterlässt, gelingt ARGUS dieser letzte Schritt. Die einzige Chance für die mit Radiozyten infizierten Spieler, nicht in die Datenbank von ARGUS aufgenommen zu werden, besteht im fortwährendem Wechsel ihrer Identität. VOID unterstützt sie dabei.


Ablauf

Echosphere ist ein standortbasiertes Spiel, bei dem sich der Spieler in der realen Welt bewegt und dadurch Einfluss auf eine virtuelle Spielwelt nimmt, die diese überlagert. Es können viele Spieler gleichzeitig mit oder gegen andere Mitspieler spielen. Eine Spielrunde beginnt an einem festen Termin im gesamten Bereich des verwendeten Mobilfunknetzes. Echosphere dauert mehrere Tage. Während dieser Zeit können weitere Spieler hinzukommen, und es kann auch immer wieder von vorne begonnen werden. Das Spiel läuft weiter, auch wenn die Spieler anderen Tätigkeiten nachgehen. Durch Begegnungen mit anderen Spielern können ständig neue Spielsituationen eintreten. Dabei können immer neue Rollen ausprobiert und Taktiken entwickelt werden, je nach Alter, Spielerfahrung, Standort oder Umgebung.
Die Spieler werden durch Hinweise von VOID in das Spielgeschehen verwickelt. Dies sind nicht nur Dateien oder Kurzmitteilungen, die über Mobiltelefone verbreitet werden, sondern auch Meldungen und Berichte in den Medien oder Plakate im Spielgebiet. Auf diese Weise können reale Orte markiert sein, an denen sich Elemente der Spielwelt befinden. Auch die Spieler selber lenken durch ihre Spielaktionen Aufmerksamkeit auf das Spiel, indem sie z.B. Kreidemarkierungen auf den Boden zeichnen, um Standorte der Ortungssender zu kennzeichnen.
Um ARGUS zu entkommen, gilt es, sich fortlaufend neue Identitäten zu besorgen. Die Spieler bleiben dabei auf sich allein gestellt. Sie können zwar andere Radiozytenträger aufspüren, aber nicht erkennen, ob diese zu ARGUS oder zu VOID gehören. Die Spieler suchen Orte, die von anderen Spielern passiert werden und stellen dort über ihre Handys virtuelle Überwachungsgeräte auf. Wenn sie an den Ort zurückkehren, gelangen die so gesammelten Buchstaben anderer Spielernamen in ihre Datensammlung. Hat ein Spieler den Namen eines anderen herausbekommen, kann er dessen Identität annehmen. Zu jedem Überwachungsgerät existiert eine entsprechende Abwehrmaßnahme, die die Preisgabe eigener Namensinformationen verhindert. Es lässt sich jedoch nur ein Überwachungs- oder Abwehrgerät zur Zeit verwenden. Zusätzlich zu den Buchstaben können die Spieler Zugangsinformationen zu den Sendeanlagen von ARGUS erhalten. Findet man einen dieser Sender, hat man zwei Möglichkeiten: Entweder benutzt man ihn, um die gesammelten Informationen über die anderen Spieler auf Aktualität zu überprüfen, oder man versucht, den Sender außer Betrieb zu setzen indem man seine Leistung verringert.
Der Erfolg der Spieler wird an Punkten gemessen. Sie erhalten diese durch das Annehmen neuer Identitäten und das Ausschalten von Sendern. Punkte verliert man, wenn der eigene Spielname von einem Mitspieler herausgefunden wird oder wenn man mit falschen Buchstaben versucht, den Namen eines anderen Spielers anzunehmen. Diese Regeln lassen es zu, dass jeder Spieler seine eigene Methode entwickelt, wie und mit welchen Geräten er beim Herausfinden der Namen anderer Spieler vorgeht. So können Spieler verschiedenen Alters und verschiedener Erfahrungsstufen gegeneinander spielen und das Spiel hängt nicht von körperlicher Fitness oder von Fortbewegungsmitteln ab. Jeder Spieler spielt für sein eigenes Punktekonto, es gibt jedoch auch Ziele, die die Spieler nur gemeinsam erreichen können, wie zum Beispiel das Abschalten der Ortungssender. Nur wenn alle Sender abgeschaltet werden, bevor der letzte Spieler enttarnt wird, kann ARGUS aufgehalten werden!
Die Internetseite www.echosphere.info zeigt und erläutert Konzept und Gestaltung des Spieles und dient während des Spiels als Informations- und Austauschplattform für die Spieler. Hintergründe zu den Themen Privatsphäre und Datensammlung können dort diskutiert werden.

Kontext

Hochschule / Fachbereich

Muthesius Kunsthochschule
Digitale Medien/ Intermedia

URL der Hochschule

» http://www.muthesius-kunsthochschule.de [link 06]

Betreuer des Projekts

Tom Duscher

Kommentar des Betreuers

Die Entwicklung der mobilen Kommunikationstechnologie schreitet in atemberaubender Geschwindigkeit voran. Der heutige Mensch ist unterwegs, bewegt sich nomadenhaft in einer globalisierten Welt. Ortungs- und Orientierungshilfen werden zwangsläufig notwendig, je weiter virtuelle Informationsstrukturen in die reale Welt vordringen. Das Projekt "Echosphere" greift diese Entwicklung auf und zeigt mit einer standortbasierten Simulation die durchaus bedenklichen Konsequenzen von Ubiquitous Computing auf.
Die Durchdringung von privater Sphäre und öffentlichen Raum thematisieren Florian Zöllner und Johanna Conrad geschickter Weise in Form eines standortbasierten Games und vermeiden so ein allzu bedrohliches Überwachungs-Szenario, ohne jedoch die Brisanz der Problematik zu verharmlosen. "Echosphere" schafft einen Raum der Reflexion über die Schattenseiten der technologisierten Umwelt.
Die beiden Absolventen haben sich intensiv mit den didaktischen Konzepten von Spielen auseinandergesetzt und ein komplexes Gameplay entwickelt, das gekonnt mit den Reizen und den Gefahren von standortbasierten Applikationen spielt. Das Konzept ist so ausgereift, dass zur Realisierung des Spiels eigentlich nur noch die technischen Rahmenbedingungen geschaffen werden müssten und der richtige Partner im Mobilfunk-Sektor gefunden werden müsste. Ich kann den beiden nur wünschen, dass dies zum Beispiel im Rahmen dieses Wettbewerbs gelingen möge.

Seminar / Kurzbeschreibung

Die Diplomarbeit entstand im Studienschwerpunkt Digitale Medien/Intermedia (DM/I), der im Zentrum für Medien der Muthesius Kunsthochschule angesiedelt ist. DM/I setzt sich mit der Entwicklung medialer Informations- und Kommunikationssysteme auseinander und erforscht an den Grenzbereichen zwischen Kunst, Design und Architektur intermediale Konzepte.

Zuordnung Forschungsbereich

Mixed Reality, Ubiquitous Computing, Game Based Interface, Location Based Gaming

  • › digital sparks 2006 [link 07]

» http://www.echosphere.info [link 08]

  • › Diplomdokumentation [PDF | 1 MB ] [link 09]
  • › Kreidemarkierung im Spiel [JPEG | 412 KB ] [link 10]
  • › Kontakt zu VOID [JPEG | 192 KB ] [link 11]
  • › Projekttrailer [8 MB ] [link 12]
  • › Überwachungssituation zwischen zwei Spielern [JPEG | 245 KB ] [link 13]
  • › Screenshots aus Echosphere [JPEG | 234 KB ] [link 14]
  • › Plakat [PDF | 607 KB ] [link 15]