Tasja Langenbach

Neue Erzählstrategien von Geschichte in der Interaktiven Kunst

"An Anecdoted Archive from the Cold War" von George Legrady

Archive_Interface

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Inhaltliche Beschreibung

Zentraler Gegenstand der Magisterarbeit ist die Untersuchung neuer Erzählstrategien für die Darstellung historischer Ereignisse im interaktiven digitalen Medium CD-ROM dargestellt an der Arbeit „An Anecdoted Archive from the Cold War“ des Künstlers George Legrady aus dem Jahr 1993. In seinem Werk stellt Legrady persönliche Materialien und Erzählungen über seine Vergangenheit im sozialistischen Ungarn, seine Flucht während der Revolution sowie seine darauffolgende Zeit in Kanada im Sinne eines autobiografischen Archivs zusammen. Die Analyse erfolgt sowohl aus medienspezifischem als auch kulturhistorischem Blickwinkel.

Im medienspezifischen Teil der Analyse werden insbesondere folgende Fragestellungen diskutiert:
1) Das Wesen der Interaktion
2) Verarbeitung von Informationen als digitale Datenmenge
3) Speicherung und Organisation der Information in einer Datenbank
4) Konzeptualisierung eines Interface als Schnittstelle zwischen Betrachter und Datenbank.
5) Herausstellung der Wirkungsweise digitalisierter Bilder auf den Betrachter im Gegensatz zu analogen Medien:
a. Möglichkeiten der Simultanisierung von Information (vgl. Bernhard Viefs Begriff des „komplettierten Bildes“)
b. Notwendigkeit der Verifizierung des authentischen Charakters digitaler Bilder
c. Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit der Repräsentation im digitalen Bild

Die untersuchten medienspezifischen Faktoren beeinflussen maßgeblich die Entstehung einer spezifischen – nicht-linearen – Erzählung im Rahmen der Interaktion durch den Betrachter, die sich besonders durch ihre diskontinuierliche Erschließung von einem linearen und positivistischen Geschichtsverständnis – wie noch immer in Museen oder auch im Geschichtsbuch vorherrschend – unterscheidet.

Der zweite Schwerpunkt der Magisterarbeit liegt in der Untersuchung der Wirkungsweise der CD-ROM aus kulturhistorischer Perspektive. Grundlegend hierfür ist auf der Ebene des Bildes der semiotische Ansatz Roland Barthes. Für die Analyse der inhaltlichen Ebene sowie der sich entwickelnden Erzählung ist das postmoderne Subjekt- sowie Geschichtsverständnis Michel Foucaults als Hintergrundfolie maßgeblich. Weiterhin wird der Frage nach der Bedeutung von individuellem sowie kulturellem Gedächtnis in seiner kritischen Funktion gegenüber offiziell etablierten historischen Erzählungen in der Analyse des „Anecdoted Archives“ entscheidende Bedeutung beigemessen.

Zusammengefasst entwirft Legrady in seiner Arbeit einen persönlichen Blick auf Ereignisse der Vergangenheit. Diesen Blick bietet er dem Betrachter als bruchstückhafte Erzählung zur Rezeption und Interpretation an, die dieser in der Interaktion mit dem digitalen Medium CD-ROM erst erschließen muss. Die in der offiziellen Geschichtsschreibung etablierten Bilder werden durch die Konterkarierung mit individuellen Gedächtnisinhalten im Rahmen des interaktiven Archivs hinterfragt.
Im Ergebnis entsteht eine kritische- wenn auch bei weitem nicht ideologiefreie - Erzählung einer spezifischen historischen Epoche in der Interaktion mit „An Anecdoted Archive from the Cold War“.