Martin Eibach

Medienkompetenz im Musikunterricht

Theoretischer Hintergrund des Projektes Me[i]mus

Der Computer im Musikunterricht

Der Computer im Musikunterricht

Inhaltliche Beschreibung

(NOCH) WENIG RAUM FÜR NEUE MEDIEN IM MUSIKUNTERRICHT
Die optimistische Vorstellung, dass im gegenwärtigen Musikunterricht bereits die „Integration multimedialer Technologien (...) vollzogen (sei)“ muss aus heutiger Sicht bezweifelt werden. Abgesehen von rühmlichen Ausnahmen spielt der Einsatz von neuen Medien im Musikunterricht nach wie vor eine untergeordnete Rolle. Zu einigen Gründen für diese Situation nimmt der Beitrag von Thomas Münch über Selbstprofessionalisierung Stellung. Tatsache ist, dass sich viele MusiklehrerInnen in Bezug auf die medienpädagogischen Herausforderungen in ihrem Fach unsicher fühlen. Es gibt weder eine konkrete Vorstellung darüber, wie Medienkompetenz genau zu fassen ist, noch wie man das in der Erklärung der Kultusministerkonferenz formulierte Ziel erreichen kann.


MEDIENKOMPETENZ LEHREN UND LERNEN
Zu dem notwendigen „Rüstzeug“ auf dem Weg zu einer größeren Professionalität in medienpädagogischen Fragen bei Musiklehrern gehört die Entwicklung eines Verständnisses von Medienkompetenz beim Schüler.

Definition:
Es gibt derzeit keine allgemein akzeptierte Definition von Medienkompetenz. Aus der Vielzahl der Definitionsversuche sei ein Vorschlag von Ida Pöttinger vorgestellt:

Medienkompetenz umfasst demnach drei Dimensionen:

1. Wahrnehmungskompetenz
• die ästhetischen Formen von Medien kennen und deuten
• die Funktionen von Medien für sich selbst erkennen
• Medien hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Bedeutung analysieren

2. Nutzungskompetenz
• sich vor zu starken Medieneindrücken schützen
• Medienangebote unter Abwägung von Handlungsalternativen bedürfnis- und interessenorientiert auswählen
• sich über Medien austauschen

3. Handlungskompetenz
• Wissen, wie Medien hergestellt und verbreitet werden
• Medien selbst gestalten und interessengebunden nutzen
• auf Medien Einfluss nehmen

Beispiel: Mobile digitale Musikmedien

Am Beispiel mobiler digitaler Musikmedien wie dem Apple i-Pod lässt sich veranschaulichen, wie Medienkompetenz von SchülerInnen im Hinblick auf dieses Medium aussehen könnte.

Wahrnehmungskompetenz:
Die SchülerInnen sind in der Lage, Musik zu speichern und zu reproduzieren und können sich mit anderen darüber austauschen. Sie benennen Verwendungszusammenhänge, in denen ihnen das Medium wichtig ist (z.B. in ihrer Freizeitgestaltung). Sie kennen ökonomische und technologische Hintergründe, die die gesellschaftliche Akzeptanz des Mediums beeinflussen (Werbung, jugendtypische Szenen, etc.).

Nutzungskompetenz:
Die SchülerInnen wissen von den Gefahren übertriebener und zu lauter Verwendung mobiler digitaler Musikmedien für ihr Gehör. Sie gebrauchen diese Medien, um ihre Lieblingsmusik überall hin mit zu nehmen. Sie stellen sich selber Titellisten zusammen und nutzen aufgenommene Musik, eine eigene musikalische Identität zu entwickeln. Sie kommunizieren ihre Vorlieben und Abneigungen und akzeptieren interindividuelle Unterschiede.

Handlungskompetenz:
Die SchülerInnen verfügen über das Wissen, wie sie z.B. aus dem Internet Musik auf ihr mobiles digitales Musikmedium übertragen und in unterschiedliche Datenformate umwandeln können. Sie erstellen selbst mp3-Dateien und erproben in Schule und Freizeit selbstständig und in kreativer Weise Möglichkeiten der Musikproduktion (Soundprogramming, Sequenzing, Tonaufnahmen etc.). Diese Ergebnisse können sie anschließend auf eigenen Geräten abspielen. Die SchülerInnen entwickeln eine kritische Urteilsfähigkeit gegenüber den Angeboten des Musikmarktes und können sich fundiert für oder gegen die Nutzung des mobilen digitalen Musikmediums entscheiden.

MEDIENPÄDAGOGISCHE KOMPETENZ
Wenn ein Ziel schulischer Medienarbeit in dem Aufbau und der Entwicklung von Medienkompetenz der SchülerInnen liegt, so erfordert dies von den LehrerInnen mehr als nur die technische Beherrschung von Medien. Der LehrerInnen benötigten die Fähigkeit zur Selbstbeobachtung sowie ein „Meta-Wissen“, wie sie Medienkompetenz im Unterricht vermittelten können.

Teilkompetenzen
Der Begriff der medienpädagogischen Kompetenz umfasst nach Blömecke fünf Teilkompetenzen:
1. die mediendidaktische Kompetenz, d. h. die LehrerInnen verwenden Medien und Informationstechnologien reflektiert in geeigneten Lehr- und Lernformen
2. die medienerzieherische Kompetenz, d. h. die LehrerInnen behandeln Medienthemen im Sinn angemessener pädagogischer Leitideen im Unterricht
3. die sozialisationsbezogene Kompetenz, d. h. die LehrerInnen berücksichtigen die Lernvoraussetzungen der SchülerInnen beim medienpädagogischen Handeln in konstruktiver Weise
4. die Schulentwicklungskompetenz, d. h. die LehrerInnen besitzen die Fähigkeit zur innovativen Gestaltung der personalen und institutionellen Rahmenbedingungen medienpädagogischen Handelns in der Schule
5. die eigene Medienkompetenz, d. h. die LehrerInnen sind in der Lage, sachgerecht, selbst bestimmt, kreativ und sozialverantwortlich mit Medien und Informationstechnologien umzugehen

Das Modell der medienpädagogischen Kompetenz ist mit Blick auf die Ausbildung von LehrerInnen entwickelt worden. Die Teilkompetenzen können nicht alle vorausgesetzt werden, sondern sollten sich allmählich entwickeln. Deutlich wird an diesem Modell, dass für den Erwerb medienpädagogischer Kompetenz umfangreiches Wissen und Fähigkeiten im „Kontext Schule“ notwendig sind.


MUSIKPÄDAGOGISCHE MEDIENKOMPETENZ
Sowohl der Begriff der Medienkompetenz als auch der Begriff der medienpädagogischen Kompetenz erscheinen je für sich noch zu abstrakt, um konkret im Musikunterricht wirksam zu werden. Eine Schwierigkeit liegt u.a. darin, dass es wenig Konzepte über die Kombination fachdidaktischer und medienpädagogischer Anforderungen im Musikunterricht gibt.
MusiklehrerInnen benötigen daher musikpädagogische Medienkompetenz, in der diese beiden Bereiche zusammenfallen.

Musikpädagogische Medienkompetenz lässt sich als die Fähigkeit beschreiben, komplexe Unterrichtssituationen zu inszenieren, in denen der Medieneinsatz in Hinblick auf die jeweilige didaktische Vermittlungsintention bewusst geplant, durchgeführt und evaluiert wird. Dazu ist zunächst insbesondere die eigene Medienkompetenz der LehrerInnen im Sinne Blömeckes eine grundlegende Voraussetzung. Darüber hinaus geht es darum, wie Computer, Sequenzer & Co zum Einsatz kommen, so dass das leitende Ziel musikalischer Vermittlungspraxis, die Ermöglichung musikalischer bzw. musikbezogener Erfahrungen erreicht wird. Dazu ist ausdrücklich medienpädagogisches Wissen einzubeziehen. Elementar ist z.B. ein Wissen darüber, wie Kinder und Jugendliche Medien nutzen und welche Konsequenzen diese Nutzung für ihr Lernen hat. Ferner bedeutet medienpädagogische Kompetenz im musikpädagogischen Zusammenhang auch, dass LehrerInnen die spezifische Qualität jugendlicher Medienrezeption und Erlebnisweisen wahrnehmen und zur Sprache bringen.

ERMÖGLICHUNG MUSIKALISCHER ERFAHRUNGEN
Gleichzeitig bedeutet musikpädagogische Medienkompetenz eine Orientierung am leitenden Ziel des Musikunterrichts, der Ermöglichung musikalischer Erfahrungen.
Musik fügt dem Erfahrungshorizont des Menschen eine „unersetzbare, durch kein anderes Medium zu gewinnende Erkenntnis und Erfahrung von unserer natürlichen und sozialen Umwelt“ hinzu. Von diesem so genannten „ästhetische Paradigma“ der Musikpädagogik muss sich auch die Arbeit mit neuen Medien im Musikunterricht leiten lassen.
Die neuen Medien dürfen im Musikunterricht der allgemein bildenden Schule niemals Selbstzweck sein, sondern ihre Verwendung muss sich mit Blick auf dieses „ästhetische Paradigma“ behaupten können. Konkret gesprochen bedeutet dies z.B., dass der Umgang mit einem Sequenzerprogramm als Lernziel für eine Unterrichtsreihe nicht ausreichend ist, sondern erst in Zusammenhang mit originär musikalischen Umgangsweisen kann der Einsatz neuer Medien musikpädagogisch sinnvoll werden (z.B. Klang-Arrangement eines Musikstückes mit Hilfe eines Sequenzerprogramms). Handlungsorientierte Zugänge zur Musik lassen sich mit der Forderung nach musikbezogenen Erfahrungen besonders gut verknüpfen. Denn eine Grundüberzeugung des handlungsorientierten Ansatzes ist es, dass „die Vorgänge des Hörens und Verstehens von Musik nicht ausschließlich als kognitive Vorgänge, sondern vor allem als handlungsbezogene Prozesse gewertet werden“.

NEUE MEDIEN IM MUSIKUNTERRICHT – DREI ASPEKTE
Wie in der Projekt-Beschreibung von Niels Knolle/Thomas Münch über Me[i]mus dargestellt, bietet die didaktische Differenzierung der neuen Medien als Werkzeug, Musikinstrument und Thema eine Perspektive für deren strukturierte Verwendung im Musikunterricht.

1. Neue Medien als Werkzeug
- Werden die musikspezifischen Möglichkeiten des Mediums genutzt?
- Bieten die neuen Medien im Unterschied zu den traditionellen Medien verbesserte musikalisch-ästhetische Erfahrungsmöglichkeiten?
- Werden im Sinne einer kritischen Nutzung alternative Umgangsweisen angeboten?
Werden technische Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt?

2. Neue Medien als Musikinstrument
- Werden die Möglichkeiten des Mediums genutzt, sich als musikalisch produktiver Mensch zu erfahren?
- Werden die kommunikativen Möglichkeiten zum partnerschaftlichen Austausch genutzt?
- Werden musikalisch-ästhetische Erfahrungen auch jenseits des Mainstreams ermöglicht?

3. Neue Medien als Thema im Musikunterricht
- Werden die Alltagserfahrungen der SchülerInnen, ihre medialen Hör- und Rezeptionsweisen angesprochen?
- Sensibilisiert das Me[i]Mus-Projekt für die kulturverändernden Implikationen der Neuen Medien?
- Trägt es dazu bei, den Mediengebrauch kritisch zu hinterfragen und zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Neuen Medien anzuleiten?