Prof. Dr. Thomas Münch


Klangjäger und -gestalter

Eine Unterrichtseinheit im Rahmen des Projektes Me[i]Mus


Gestaltungsmöglichkeiten [link 01]

Gestaltungsmöglichkeiten

Kurzdarstellung

Kurzbeschreibung

Die Welt ist voller spannender Klänge. Doch müssen sie erst gefunden und dann eingefangen werden, um sich an ihnen zu erfreuen oder mit ihnen musikalisch zu arbeiten. Hierzu bedarf eines guten Ohres und etwas technischen Geschicks. Beides soll in diesem Arbeitsvorhaben weiterentwickelt werden.
Zugleich zeigt diese Unterrichtseinheit beispielhaft, in welch vielfältiger Weise das Internet Materialien für den Musikunterricht bereitstellt.

Zeitbedarf und Rahmenbedingungen
Die Unterrichtseinheit eignet sich für die Sekundarstufe I und II.
Die SchülerInnen sollten über Basiserfahrungen im Umgang mit dem Computer verfügen. Der zeitliche Rahmen für die Durchführung der Unterrichtseinheit ist variabel, da das Thema unterschiedlich weit entwickelt werden kann. Aus diesem Grund wird auf präzise Zeitangaben für die einzelnen Unterrichtsphasen verzichtet. Wenn die Anregungen zur › Vertiefung weggelassen werden, benötigt man mindestens vier Unterrichtsstunden.

KünstlerInnen / AutorInnen

  • Prof. Dr. Thomas Münch, Professor für Musikpädagogik/Musikdidaktik, Hochschule für Musik Würzburg

Entstehung

Deutschland, 2002-2005

Partner / Sponsoren

"Me[i]Mus" ist ein BLK-Programm im Rahmen von KuBiM - Kulturelle Bildung im Medienzeitalter - und wird zu je 50% von den Ländern Bayern und Sachsen-Anhalt und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Eingabe des Beitrags

, 26.04.2005

Kategorie

  • Bildung und Lernen

Schlagworte

  • Themen:
    • Musik |
    • Audio |
    • Internet |
    • E-Learning |
    • Klang

Inhalt

Inhaltliche Beschreibung

Thema: Hinhören
Die Schulung des Gehörs wird in den letzten Jahren zunehmend als ein wichtiges gesellschaftliches Thema anerkannt. Initiativen wie die » Stiftung Zuhören oder die » Schule des Hörens verstehen sich nicht nur als Mahner für einen pfleglichen Umgang mit dem eigenen Gehör, um gesundheitliche Schäden zu vermeiden. Sie möchten auch dazu anregen, die erstaunlichen Leistungen unseres Hörsinns bewusster zu erleben und auditive Eindrücke in ihrer ganzen Bandbreite als Quelle ästhetischer Erfahrung zu nutzen. Damit knüpfen sie an Ideen an, die schon für die von Robert Murray Schafer initiierte Soundscape-Bewegung (siehe » World Forum for Acoustic Ecology (WFAE)) von Bedeutung waren. Diese Bewegung hat es sich zur Aufgabe gemacht, die hörbare Umwelt in all ihren Facetten zu entdecken und zu dokumentieren. Ein gutes Beispiel hierfür ist die » Bibliothek der verschwundenen Klänge, in der z. B. noch einmal zu hören ist, wie eine AMTRAK Diesellokomotive einschließlich Signalhorn geklungen hat. Auch » Justin Winkler, der sich besonders mit der Klanglandschaftsforschung beschäftigt, fühlt sich dem Gedanken der Dokumentation verpflichtet. Zwei kurze Ausschnitte dieser Arbeit finden sich » hier. Künstler wie » Thomas Gerwin, » Hildegard Westerkamp oder » Michael Rüsenberg und Hans Ulrich Werner dokumentieren in ihrer Arbeit zwar auch die Klänge spezifischer Orte, gehen aber durch deren spezielle Aufnahme und Zusammenstellung darüber hinaus. Indem etwa leises Wassergluckern lautstark erklingt, verschiedenste Alltagsgeräusche miteinander verwoben oder einzelne alltägliche akustische Ereignisse ständig wiederholt werden, verlieren sie ihre Funktion als Hinweis auf ein reales Ereignis. Stattdessen können sie als interessante „musikalische” Klänge wahrgenommen und genossen werden.
Thomas Gerwin drückt es so aus: „Wir leben in einer Symphonie. Wir sind umgeben von Klängen, Rhythmen und Melodien. Jedes Rascheln eines Blattes im Wind, jeder Schritt auf der Straße, das Bellen eines Hundes, ein Lachen nebenan, das Klappen einer Tür. Aber auch jedes Motorengeräusch, jeder Preßlufthammer, eine Kreissäge, sogar das Kofferradio unseres Nachbarn ist Teil des einen großen, niemals endenden Musikstückes, in dem wir leben. Und wir hören ihm zu - immer, wir können unsere Ohren nicht verschließen wie unsere Augen. Noch bevor wir denken konnten, hörten wir bereits. ” [Quelle: » Gerwin, Thomas (o.J.)]

Vermittlungsziele
Ziel des Arbeitsvorhabens ist die Komposition einer Collage aus selbst aufgenommenen Klängen am Computer. Die beim eigenen praktischen Tun gemachten Erfahrungen sollen die SchülerInnen dazu anregen,
¬ sich mit der speziellen Qualität auditiver Wahrnehmung auseinanderzusetzen
¬ ihre akustische Umwelt bewusster wahrzunehmen
¬ sich mit musikalischen Richtungen, die mit Umweltklängen arbeiten, zu beschäftigen
¬ sich selbst als KomponistInnen zu erleben
¬ „Qualitätskriterien” für kompositorisches Schaffen zu entwickeln
¬ Grundlagen auditiver Datenbearbeitung kennen und beherrschen zu lernen


Arbeitsprozesse
1. Motivation und Themenstellung
Der Einstieg erfolgt über ein Klangrätsel: Der Lehrer spielt unkommentiert einen Klang z.B. aus der » Bibliothek der verschwundenen Klänge vor. Im anschließenden Gespräch steht sicherlich zunächst die Frage nach der Bedeutung und dem Ursprung des Klangs im Mittelpunkt. Da dieser aber - je nach gewähltem Klangbeispiel - nicht einfach zu erkennen sein wird, sollte sich das Gespräch auch auf die klangsinnliche Anmutung des Exempels lenken lassen. Am Ende des Gesprächs wird als Themenstellung festgelegt, mit selbst aufgenommen Klängen in den nächsten Unterrichtsstunden eine Collage am Computer zu erstellen.

2. Einführung in die technischen und gestalterischen Grundlagen
Als Übung wird zunächst eine Collage von 60 Sekunden Dauer in Arbeitsgruppen zum Thema „Nacht” mit drei für alle vorgegebenen Klängen (z.B. aus der » Hörspielbox) am Computer produziert.
Die offene Themenstellung und das begrenzte Material ermutigen die SchülerInnen, nicht nur abbildhaft reale Situationen darzustellen, sondern auch die klangästhetischen Möglichkeiten des Materials zu nutzen.
Für die Arbeit am Computer ist es sinnvoll, dass die SchülerInnen die folgenden Arbeitsschritte beherrschen:
¬ Erzeugung von Stereotonspuren
¬ Erzeugung von Monotonspuren
¬ Tonspuren optimal auf dem Bildschirm verteilen
¬ Öffnen einer Audiodatei
¬ Markieren eines Ausschnitts einer Tonspur
¬ Ausschneiden und Abspeichern einer Tonausschnitts
¬ Einblenden und Ausblenden
¬ Bewegen eines Tonausschnitts auf einer Tonspur
¬ Normalisieren


3. Gestaltungsideen
Sammlung von Ideen zur Charakterisierung von Klängen und Klangabfolgen: Als Darstellungsform bietet sich eine Mind Map an der Tafel an. Auf weitergehende Möglichkeiten der Klangveränderung wie Tonhöhenveränderung, Delay usw., die bei Audacity im Menü Effekte zu finden sind, sollte anfangs verzichtet werden, damit die Gestaltungsmöglichkeiten nicht unübersichtlich werden und zuviel Zeit für ihre Erprobung verbraucht wird.

4. Erstellung einer dreiminütigen Klangcollage
¬ Festlegung des Themas im Klassenverband: Ein für alle verbindliches Thema erleichtert den späteren Auswertungsprozess. So können auch inhaltliche Fragen leichter während des Arbeitens gemeinsam geklärt werden
¬ Festlegung der Arbeitsgruppen (drei bis vier SchülerInnen)
¬ kurze Einführung in die Nutzung der Tonaufnahmegeräte (Ein- und Ausschalten, Aussteuern der Aufnahme, Wechsel des Datenspeichers (Kassette, Mini-Disc usw.))
¬ Tipps für Tonaufnahmen (siehe Anhang) können hier herunter geladen werden. Ideal sind digitale Aufnahmegeräte wie z.B. ein Minidisc-Recorder. Unter Verzicht auf Tonqualität und Aufnahmekomfort können aber auch Kassettenrecorder genutzt werden.
¬ Klangjagd - eine Aufnahme von Klängen: Das Arbeitsblatt „Tipps für Tonaufnahmen” dient als Hilfe. Die Aufnahme der Klänge kann auch außerhalb des Unterrichts stattfinden.
¬ Erstellung der Collagen am Computer
¬ Überspielen der Klänge auf den Computer: Dieser Arbeitsschritt kann auch außerhalb des Unterrichts erfolgen, wenn entsprechend erfahrene SchülerInnen sich hierzu bereit erklären.
¬ Durchhören und Bearbeiten der gesammelten Klänge, so dass am Ende ein kleine Bibliothek mit Klangbausteinen vorliegt. Dies ist ein wichtiger Arbeitsschritt, da schon hier wesentliche inhaltliche Entscheidungen in Hinblick auf die Klangcollage getroffen werden.
¬ Entwicklung eines Gestaltungskonzepts Als Orientierungshilfe sollten die [link 27] Gestaltungsideen den SchülerInnen als Arbeitsblatt zur Verfügung stehen
¬ Erstellung der Klangcollage.

Parallel zum Produktionsprozess sollten die SchülerInnen eine Begleitdokumentation verfassen, in der der Entstehungsprozess und die gewählte kompositorische Grundidee erläutert werden.

5. Präsentation und Aufbewahrung
Unter Einbeziehung der von den SchülerInnen erstellten Begleitdokumentationen werden die Ergebnisse präsentiert und diskutiert.
Die Jugendlichen brennen die Klangcollagen als Audio-CD, damit sie die Ergebnisse mit nach Hause nehmen können.

6. Vertiefung
Die bei der Erstellung der Collage gewonnen Erfahrungen können in vielfältiger Weise zum Ausgangspunkt für den weiteren Unterricht werden. Hier einige Anregungen: Auseinandersetzung mit professionellen Soundscapes unter dokumentarischen und ästhetischen Gesichtspunkten. Zwei mögliche Beispiele:
¬ 1. Lisboa, ein Porträt der Stadt Lissabon, von Michael Rüsenberg und Hans Ulrich Werner
2. "Karlsruhe - Klangbilder einer Stadt" von Thomas Gerwin
¬ Aufbau eines Klangarchivs. Nach dem Vorbild der » Hörspielbox können die gefundenen Klänge kategorisiert und archiviert werden. Im Laufe der Jahre kann auf diese Weise ein Klangarchiv an der Schule aufgebaut werden, dessen Nutzung und Erweiterung für die SchülerInnen sicherlich einen ganz speziellen Reiz hat
¬ Einführung in die Soundscape-Bewegung. Die bislang dominierenden Überlegungen, welche Intentionen die SchülerInnen mit ihren Klangcollagen verbinden, können leicht mit Zielsetzungen aus der Soundcape-Bewegung in Verbindung gesetzt werden. Auf diese Weise lassen sich eigene Gestaltungsideen stützen, vielleicht auch kritisieren, aber auf jeden Fall bereichern. Einen guten Einstieg bietet das World Forum for Acoustic Ecology (vgl. oben).
¬ Klangdesign. In der Industrie gewinnt die akustische Gestaltung von Produkten zunehmend an Bedeutung. Ein Keks soll z.B. nicht nur gut schmecken, sondern beim Reinbeißen auch herzhaft frisch und lecker knacken. Auch bei der Gestaltung öffentlicher und privater Räume wird zunehmend die Gestaltung des Klangs mitgedacht. Das Thema wird zwar in Lehrplänen und Schulbüchern kaum angesprochen, ist aber dennoch für den Musikunterricht sehr interessant. Eine Einführung bietet z.B. die Radiosendung » KlangDesign von „taktlos” , dem Musikmagazin des Bayerischen Rundfunks und der neuen Musikzeitung.

Zum Thema der akustischen Umwelt als Klangraum ein kurzes Zitat des italienischen Malers Russolo aus dem Jahre 1913:
„Das Leben der Vergangenheit war Stille. Mit der Erfindung der Maschine im 19. Jahrhundert entstand das Geräusch...Wir haben Spaß daran, den Krach der Jalousien, ... den Lärm und das Scharren der Menge, die verschiedenen Geräusche der Bahnhöfe, der Spinnereien, der Druckereien ... im Geiste zu orchestrieren. Wir wollen diese so verschiedenen Geräusche aufeinander abstimmen und harmonisch anordnen.” (Luigi Russolo, „L'arte dei rumori,”)

Technik

  • › Einführung in Audacity [Windows Media] [link 02]
  • › Einführung in Audacity [RealMedia] [link 03]

Hardware / Software

Minimale Multimedia-Ausstattung
¬ ein Computer am Lehrertisch, ausgestattet mit interner Soundkarte und Anschluss für externe Klangwiedergabe über eine Audio-Anlage, Tastenfeld und Maus kabellos, Internetanschluss, Fernsehgerät oder Beamer
¬ Software : Browser, Audiosoftware (z.B. Audacity, Wavelab, LogicFun) » Audacity ist Freeware und liegt sowohl für Windows, als auch für Macintosh und Linux vor.


Optimale Multimedia-Austattung
¬ ein Computer am Lehrertisch, ausgestattet mit interner Soundkarte und Anschluss für externe Klangwiedergabe über eine Audio-Anlage, Tastenfeld und Maus kabellos, Beamer, Internetanschluss
¬ je ein Computer für drei oder vier SchülerInnen (Gruppenarbeit), ausgestattet mit interner Soundkarte, internem CD-Brenner, zwei Lautsprechern, Kopfhörerausgang mit Verteilbox für vier Kopfhörer, vier Kopfhörer, Monitor, Internetanschluss
¬ Software: Browser, Audiosoftware (z.B. Audacity, Wavelab, LogicFun); Präsentationsprogramm


Kontext

Anwendungen

  • Technik fürs Radiomachen
    » http://www.mediacult…Radiomachen.46.0.html [link 04]

Referenzen

  • Edition Modern/Tre Media Musikverlage; TMM 1000
  • AKADEMIE DER KÜNSTE (Hrsg.): Für Augen und Ohren. Von der Spieluhr zum akustischen Environment ; Objekte, Installationen, Performances. Akademie der Künste, 20. Januar bis 2. März 1980. Berlin, Ausstellung, Berlin, Akademie der Künste (Akademie-Katalog), S. 127
  • DIETZE, Lena: Soundscapes - Klanglandschaften, Soundwalks - Klangspaziergänge. Drei Projekte zum Zuhören. In: Huber, Ludowika & Odersky, Eva (Hrsg.): Zuhören - Lernen - Verstehen. (92-103). Braunschweig: Westermann, 2000.
  • GERWIN, Thomas: Über akustische Ökologie und integrale Kunst. Zum Entwurf einer zeitgemäßen Musik (o.J.)
  • MÜNCH, Thomas. Klang-Postkarten aus der Nachbarschaft. Vorschläge zur Konzeption einer Unterrichtseinheit, in deren Verlauf SchülerInnen eine Collage aus Alltagsklängen komponieren. In: Musik in der Schule Nr. 2 (2000), S. 14-20.
  • SCHÄFER-LEMBECK, Hans-Ulrich: Akustikdesign - Junk-Klang - Mündigkeit. Gedanken zu einem klangökologisch ausgerichteten Musikunterricht. Musik & Bildung Nr. 6 (1997), S. 10-17.
  • SCHAFER, R. Murray: Klang und Krach. Eine Kulturgeschichte des Hörens. Frankfurt a. M.: athenäum, 1988.
  • World Forum for Acoustic Ecology
    » http://interact.uore…/WFAE/home/index.html [link 05]
  • Tuning the world
    » http://www.tuningtheworld.com/ [link 06]
  • Infrasonic Soundscape
    » http://www.thejetty.org/thesis/ [link 07]
  • › Medienkunst Lernen [link 08]

» http://netzspannung.…g/meimus/soundhunter/ [link 09]

  • › Einführung in Audacity [Windows Media] [link 10]
  • › Einführung in Audacity [RealMedia] [link 11]