Christoph Noe

Stellungswechsel

Eine Mixed Media Installation

Zwei Spieler vor dem Interface

Zwei Spieler vor dem Interface

Content Description

Ziel des Projektes Stellungswechsel ist die Entwicklung einer Anwendung, die physische
Aktivitäten einer Person zur Steuerung computergenerierter Simulationen nutzt. Somit
befindet sich das Projekt im Bereich der Mixed Reality, welche eine Mischform aus
realer und synthetisch erzeugter Welt darstellt. Die Benutzer der Anwendung werden
bewußt mit den Eigenschaften virtueller Welten konfrontiert, welche ganz und gar nicht
mit den Gesetzmäßigkeiten der realen Welt übereinstimmen müssen. Es entsteht ein
gestörtes Raumgefühl, welches den Benutzer auffordert, seine Wahrnehmung zu erweitern
und sich auf die scheinbare Willkür eines Computerprogramms einzustellen.
Das aus der Soziologie bekannte absolutistische Raumkonzept, welches Raum durch
Nähe und die in ihm befindlichen Körper definiert, wird mit einem relativistischen
Raumverständnis konfrontiert. Ziel des Projektes ist es, einen virtuellen Raum zu
visualisieren, in dem es keine festen Grenzen und Richtungen gibt, der aber beeinflusst
wird durch physische Ereignisse.
Wesentlicher Bestandteil des Projektes ist eine Installation, mit der Personen alleine
durch Bewegung im Raum interagieren können. Diese Art der Steuerung einer Software
unterscheidet sich wesentlich von den üblichen Mechanismen, die meist auf die Hilfe
von Eingabegeräten angewiesen sind. Die Kontrolle mittels physischer Ereignisse lässt
den Benutzer wesentlich intuitiver in die virtuelle Welt eintauchen und verkürzt den
Interaktionsmechanismus zwischen Benutzer und Computerprogramm. Die virtuelle
Welt wird physisch erfahrbar gemacht und der synthetischen Aktion steht eine
geistige und körperliche Reaktion des Benutzers gegenüber.

02_VISUELLE SPRACHE
In der visuellen Sprache von Stellungswechsel spielen Anleihen an die Visualisierungsformen
wissenschaftlicher Arbeiten eine zentrale Rolle. Die Überzeugungskraft wissenschaftlicher
Genauigkeit steht hierbei im Kontrast zu dem spielerischen Interaktionskonzept.
Zahlen, Diagramme, Koordinatenachsen und verschiedene Fenster, in denen
Daten angezeigt werden, finden sich im gestalterischen Konzept von Stellungswechsel
wieder. Diese pseudo-wissenschaftliche Optik soll der virtuellen Welt eine größere
Glaubwürdigkeit verleihen.
Doch auch die Ästhetik früher Computerspiele und 3D-Grafiken wird in Stellungswechsel
zitiert. Als die Rechenleistung für texturierte dreidimensionale Animationen
noch nicht ausreichte, verwendete man Drahtgittermodelle, wie sie in einem frühen
Computerspiel mit dem Namen Battletech (Atari 1980) zu sehen sind.

03_INSTALLATION
Die Installation zeigt auf künstlerisch spielerische Art und Weise, wie bekannte Aspekte
aus unserer realen Welt auf computergenerierte Welten projiziert werden können. Der
Computer verhält sich aber oft anders, als man es von seiner vertrauten Umgebung
gewöhnt ist. Die so entstehende Irritation kann der Benutzer nur mindern, indem er versucht,
das Prinzip des ablaufenden Programms zu durchschauen.
Grundlage hierfür ist ein bekanntes Spielprinzip, welches die Firma Atari als eines der
ersten Computerspiele entwickelte. Zwei Spieler versuchen hierbei mit ihren Schlägern
einen Ball so zu schlagen, dass der Gegner diesen nicht mehr erwischen kann und der
Ball in dessen Tor-Aus gelangt. Das schlichte Spiel hat einen ebenso schlichten Namen
Pong. Der Schläger wird in der Installation nicht durch ein Eingabegerät gesteuert, sondern
die Teilnehmer bewegen ihre Spielfiguren, indem sie sich im Raum bewegen.
Um es dem Benutzer der Installation zu ermöglichen, durch Bewegung mit der Software
zu interagieren, wird ein sogenanntes Color Tracking-Verfahren genutzt. Hierfür muss
der Benutzer eine farbige Markierung erhalten, was in Form einer Kopfbedeckung
geschieht. Eine Kamera, die in großer Höhe senkrecht über dem Boden installiert ist,
zeichnet die Bewegung der Benutzer auf und gibt die Bilder an einen Computer weiter.
Eine Software berechnet anhand der farbigen Markierung der Personen deren
Koordinaten im Raum.
Das Frontend der Software, welches auf eine Leinwand projiziert wird, ist für die
Personen im Raum permanent sichtbar. Sobald zwei Personen in den von der Kamera
erfassten Bereich treten, startet die Darstellung eines computergenerierten Raumes.

04_WEBINTERFACE (BEWEGUNGSDIAGRAMME)
Die von der Software berechneten Koordinaten werden in einer Datenbank gespeichert
und können mit Hilfe der Bewegungsdiagramme grafisch dargestellt werden. So können
sich die Teilnehmer ihren Bewegungsablauf anzeigen lassen, nachdem sie die Installation
besucht haben. Hierzu muss sich der einzelne Besucher lediglich die Nummer der
Session merken an der er teilnahm. Aus einer Liste wählt er die entsprechende Nummer
und dann werden die dazugehörigen Daten aus der Datenbank ausgewählt. In einer
Kombination aus Punkt- und Liniendiagramm wird der Weg der Teilnehmer auf einer
X-Y-Ebene gezeichnet. Weitere Informationen liefern die Fenster rechts daneben. Ein
Bereich zeigt nochmals die gewählte Nummer der Session und deren Dauer in
Sekunden. In einem Fenster darunter werden weitere Daten zu den einzelnen Teilnehmern
sowohl in Form eines Balkendiagramms als auch numerisch dargestellt.
Informationen wie die Summe der zurückgelegten Strecke, die Geschwindigkeit und die
Anzahl der Ballkontakte sind hier zu finden.