Volker Morawe, Tilman Reiff

PainStation

Videospiel als "Neuzeitliches Duellierungs-Artefakt"

Spielkonsole

Spielkonsole

Statement

Die Praxis der Duellierung nach persönlicher Beleidigung forderte in den Tagen vergangener Jahrhunderte unzählige unnötige Todesopfer. Heute wird diese Art der archaisch anmutenden
Auseinandersetzung auf der einen Seite belächelt und für primitiv und dumm befunden, um dann aber auf der anderen Seite die gleiche Art dieser Konfliktbewältigung, im gleichen Stil, nein, in einer wesentlich unehrenhafteren, blinden Schlägerei oder einer erbärmlichen Messerstecherei zu repetieren. Großraumdiscotheken, an tristen Ausfallstraßen der Metropolengelegen, oder Landdiscotheken, vornehmlich in den neuen Industriegebieten aufblühender Kleinstädte positioniert, sind allwochenendlich Schauplätze stumpfen Männlichkeitsgehabes mit oftmals blutigem, wenn nicht sogar tödlichem Ausgang. (Spiegel-TV berichtete) Muss das sein? Vielleicht ja. Vielleicht will es die Menschheit so, oder besser gesagt, die Evolution frei nach Darwin; „Survival of the fittest". Auf dass sich die im Tumult des Kampfes hilflos kreischenden Weibchen nach Ausgang des blutigen Gemetzels sogleich auf den Sieger, den potentiellen Befruchter stürzen, um dann Söhne und Töchter zu gebären, die sich bedingungslos in diesen Zyklus der Behauptung und Auslöschung einfügen. Oder ist die Zeit nicht reif der Menschheit ein Prothese zu reichen, ein Instrument, eine Art unblutiges Schlachtfeld das nicht minder spektakulär und tough ist, um den allwochenendlichen Konfliktsituationen deutscher und – mit Einschränkung (bzw. mit entsprechendem Software-Upgrade-Kit) – südländischer Großraumdiscothekenbesucher Einhalt zu gebieten fähig ist?

Ja, es gibt sie: Die PainStation. Nicht nur Konstrukt, Maschine, Automat, nein, vielmehr Prophet einer zukünftigen, nicht unbedingt friedfertigeren, aber More-Efficiency-Civilization. Die PainStation ist eine Tischkonsole, an der sich die Kontrahenten Auge in Auge gegenüberstehen. Basis des Duells ist das einfache aber geniale Konsolenspiel der ersten Generation: Pong, auch bekannt als Balkentennis.

Bedienung und Spielregeln sind einfach und schnell erklärt: Die rechte Hand bedient einen Drehregler, mit dem der Spieler einen Balken der als Schläger fungiert auf der Spielfläche auf- und ab bewegt. Die linke Hand muss dabei so auf der so genannten Pain- Execution-Unit (PEU) platziert werden, dass ein elektrischer Kontakt geschlossen wird und das Spiel beginnen kann. In dem nun folgenden Ballwechsel sind beide Spieler bemüht durch feinmotorische Manipulation des Drehreglers ihren Balken so zu platzieren, dass der Ball einem Return beim Tennis gleich wieder in die gegnerische Hälfte geschmettert wird. Verfehlt einer der Spieler den Ball ist dies
nicht nur ärgerlich sondern auch schmerzhaft: die Grenze zwischen Spiel und Ernst wird jäh überschritten, wenn der Ball eines der hinter dem Balken platzierten Pain-Inflictor-Symbols (PIS) berührt: je nach Symbol wird die motorische Fehlleistung auf dem virtuellen Spielfeld in Form realer Schmerzen zur grausamen Wirklichkeit. Die PEU peinigt und malträtiert die Linke Hand mit einer oder mehreren Schmerzarten: Hitze, Schläge und Stromstösse unterschiedlicher Dauer sind die Folge. Fällt einer der Kontrahenten in Ohnmacht oder nimmt schon vorher wegen enormer Überschreitung seiner Schmerzgrenze die linke Hand von der PEU, so hat er das Duell verloren und muss im Nieselregen des Zuschauergespötts gepeinigt und verachtet von dannen ziehen, während der strahlende Sieger sich dem Respect der Crowd und der Zuneigung des anderen Geschlechts gewiss sein kann.

Wenn es demnächst wieder heißt: "Wählen Sie die Waffen", meine Herren, dann gibt es eigentlich nur eine Wahl:

Die PainStation.

(Volker Morawe und Tilman Reiff)