Günter Laute

ScanMan

Eine Unterrichtseinheit für einen Leistungskurs Kunst im Rahmen des Projektes "MuSe-Computer"

Spuren

Spuren

Content Description

IN AKTION

Der Arbeitsauftrag für eine Kleingruppe von SchülerInnen lautete: Findet Gegenstände zum Scannen, die eindeutig den Hinweis geben: "Hier ist im Freien gescannt worden!"
Mit den mobilen Geräten ging es auf Entdeckungstour außerhalb der Schule, auf der Suche nach möglichen Motiven. Während des Ausprobierens entstanden die Ideen. Ein Zaun wurde gescannt, Kanaldeckel mit Kippe, ein Baumstamm, die Wiese, der tote Maulwurf aus Pietät jedoch nicht. Auch im Ameisenhaufen landete der Scanner. Später wurden die Aufnahmen begutachtet. Mehrere misslangen, da der Scanner überbelichtete, außerdem kann er nur wenige Millimeter in den Raum "sehen".
Durch das Experimentieren kamen die beteiligten Schülerinnen und Schüler auf die Idee, Gegenstände oder den Scanner selbst während der Aufnahme langsam zu bewegen.
Malerische Spuren entstanden so beim sensiblen Bewegen über eine Graffiti-Wand.
Beim weiteren Testen nahm ein Schüler spontan den Scanner mit beiden Händen, drückte ihn seitlich an den Kopf und rollte ihn in den folgenden zwanzig Sekunden über das gesamte Gesicht bis zum anderen Ohr. Der Scanman war gefunden.
Diskutiert wurde, wie das Gerät am besten zu halten ist. Ob es Sinn macht, es während der Aufnahme über das Gesicht zu drehen oder nicht.
Die Ergebnisse haben einen intensiven Ausdruck. Ihr Aussehen erinnert an die Anfänge der Fotografie. Eine Person trägt Notebook und Drucker auf dem Rücken und den Scanner mit den Händen. Die Gerätekombination ist durch USB-Kabel verbunden. Ein Druck auf den Auslöseknopf des Scanners - und nach etwa einer Minute zeigt der Drucker das Ergebnis. Die Ausdrucke sind grob gerastert und teilweise farbverfälscht.

KREATIVES SCHREIBEN

Erst durch den Zufall des Scans wird die Grundlage gelegt, weiter zu experimentieren. Die Ergebnisse sind nur bedingt steuerbar, da sind spontanes Handeln und spontane Bilderzeugung angesagt. Der Scanner wird zu einer Art Bildsauger.
Im laufenden Prozess kam als Experte von außen der kreative Schreiber Roland Kunkel hinzu. In eindrucksvoller Weise ergänzten die Jugendlichen das sich mehr und mehr abzeichnende Thema "Ich" mit selbst verfassten kurzen Gedichten.
Das Vorhaben nahm eine ungewöhnlich experimentelle Entwicklung.
Zum Beispiel erschienen auf einem Spiegelei folgende Zeilen:
Manchmal bin Ich nicht "Ichselbst"
Sehe mich selbst im Spiegel und erkenne mich nicht
Wirble nur um mein visuelles Ich
Versuche es zu fangen und gelange an ein anderes Ich
Weil Ich jemand anderes bin

PRÄSENTATIONEN

Um zu adäquaten Präsentationen zu kommen, wurde PowerPoint verwendet, mit dem einfache Animationen - manchmal auch gegen die üblicherweise vorgesehenen Abläufe - hergestellt werden können.
Mit dem Tripviewer wurde eine interessante Präsentationsform innerhalb des Kurses gefunden. Er ist an die mittelalterliche Form des Flügelaltars angelehnt. Der Dreiteiler ist ein Holzrahmen, der über den Bildschirm eines Notebooks geklemmt wird, so dass man wie beim Triptychon Seitenflügel hat. Die Flügel sind durch Scharniere beweglich, werden mit der Hand "bewegt" und stellen einen Kontrast zur "digitalen Glattheit" her. Die Seitenflügel sind mit analogen Ergebnissen oder Readymades versehen und in der Mitte läuft eine digitale Animation ab, meist eine Präsentation in PowerPoint.
Als Animation steigt zum Beispiel Rot auf und es ist das Blut der Menstruation gemeint. Das wird erst dann ersichtlich, wenn die beiden Flügel hinzukommen. Man sieht einen Tampon, der hineingebunden wurde, und die Abbildung eines Embryos:

VERÖFFENTLICHUNGEN

Noch im Prozess des Entstehens kamen zwei Anfragen Beispiele zu veröffentlichen. So konnte ein erster Bericht in Kunst + Unterricht erfolgen (Boysen-Stern 2002). Die Gestaltung einer CD-ROM mit eigenen Ergebnissen aus dem Unterricht motivierte die SchülerInnen: Zu sehen sind viele auf der beiliegenden CD-ROM zu (Kunkel 2003). Beide Cover entstanden im Kunstkurs.

FAZIT

Vom Analogen zum Digitalen und wieder zurück bedeutet Phasen des traditionellen Gestaltens einzulegen und den Computer zu verlassen. SchülerInnen sollten in der Schule nicht in einen isolierten Zustand am Computer geraten. Schule kann helfen, dass der Computer zum Gestaltungs- und Kommunikationsinstrument wird und nicht nur Daten verwaltet.
Die experimentelle Vorgehensweise mit dem Schnittstellengerät Scanner führte zur thematischen Auseinanderzusetzung mit der eigenen Person, ohne das die Technik vorherrschte. Es konnte sich "… das Künstlerische gegenüber dem Technischen behaupten" (Vogt/Kunkel 1999, S. 27).